(GZ-4-2024 - 15. Februar) |
Jochen Vogel |
Erster Bürgermeister a.D. der Stadt Bad Brückenau Welche Kommune und wie viele Einwohner vertreten Sie? Ich vertrete die Stadt Bad Brückenau mit rd. 6.500 Einwohnern. Vorher war ich der 1. Bürgermeister der Gemeinde Motten mit etwa 1.700 Einwohnern.
Wann haben Sie Ihr Amt angetreten und sind Sie hauptamtlich oder ehrenamtlich tätig? In Bad Brückenau bin ich seit 1. Mai 2020 tätig, in der Gemeinde Motten war ich vom 1.5.2002 bis 30.04.2020 als Erster Bürgermeister tätig. In Motten war die erste Periode ehrenamtlich, seit 2008 ist das Amt dort auch hauptamtlich.
Welchem Beruf sind Sie vor Ihrem Amtsantritt nachgegangen bzw. üben Sie diesen nach wie vor aus? Ich habe in der Verwaltung meiner Heimatgemeinde Motten gearbeitet.
Was war Ihr persönlicher Anreiz in die Kommunalpolitik zu gehen? Mein Vorgänger im Amt hat mich gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Ich solle aber erstmal meine Meisterprüfung (Verwaltungsfachwirt) ablegen und danach könnten wir uns nochmal unterhalten. Das war im Sommer 2000. Auf dem Abschlusslehrgang habe ich mich mit einem hauptamtlichen Lehrer der Bayerischen Verwaltungsschule (Hans Stimpfl aus Kiefersfelden) darüber unterhalten. „Des mochst, do konnst gestoltn“, hat er in seinem Dialekt gesagt. Ein Jahr später hatte ich dazu nochmal das Gespräch mit meinem Vorgänger Karl Will. Er hat mir meine Zweifel genommen, dass die Bürger einen doch recht jungen Menschen (da war ich noch 28, zwei Ohrringe, blonde Strähnen) tatsächlich zum Bürgermeister wählen.
Wie haben Sie sich vorbereitet? Ich habe ein Seminar bei der Hans-Seidel-Stiftung zum Thema „Diskutieren und argumentieren“ besucht. Ansonsten bin ich eher nach dem Motto ran: Einfach mal machen, es könnte ja gut werden!
Wo lagen bei Ihrem Amtsantritt die Herausforderungen? In Motten ging es erstmal darum, die Gräben zwischen den Ortsteilen zuzuschütten und trotz hoher Verschuldung Projekte zu entwickeln und umzusetzen. In Bad Brückenau stand ein Generationenwechsel in der Verwaltung an. 250 Jahre Verwaltungserfahrung sind innerhalb kurzer Zeit in Rente bzw. in Pension gegangen. Alle Positionen konnten tatsächlich gut nachbesetzt werden. Daneben ging es darum, die finanziell angeschlagene Stadt als Empfänger der Stabilitätshilfe so auf Kurs zu bringen, dass neben dem angestrebten Groß-Projekt (Schwimmbad) auch andere notwendige Dinge wie Rathaus, Altes Rathaus, Brücken, ehemaliges Bahnhofsgelände sowie eben die tagtäglichen Dinge einer Kommune geplant und umgesetzt werden. Dieser Prozess läuft noch. Nicht ganz unübliche Überraschungen in diesem Geschäft erfordern ein ständiges Reagieren.
Welche Themen beschäftigen Sie momentan? Vor allem bei unserem Schwimmbad „Sinnflut“ werden Stadt und Stadtwerke voll gefordert. Aktuell fehlen uns leider noch die Zusagen für alle Förderprogramme. Zwei sind sicher, die andern eben noch nicht. Bei einem Invest von mindestens 30 Mio. Euro wird es ein Kraftakt, der eben nur mit allen Förderprogrammen zu stemmen ist. Die „Sinnflut“ ist DER Magnet bei uns und fürs Schulschwimmen, für Familien, Saunagänger und therapeutische Angebote im Heilwasser der Siebener Quelle enorm wichtig für die Stadt, die ganze Region und darüber hinaus! Die o. g. Punkte sind teils sehr wichtig für die Entwicklung der Innenstadt.
Womit werden Sie sich noch auseinandersetzen müssen/wollen? Für mich persönlich wird es in nächster Zeit erstmal darum gehen, mich um meine Gesundheit zu kümmern. Die Nachwirkungen einer Corona-Infektion im März 2022 beschäftigen mich leider bis heute. Und die Kombi Bürgermeisteramt und Post Covid funktioniert nicht wirklich. Daher habe ich beim Stadtrat den Antrag gestellt, mich wegen dauerhafter Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen. Ich kann ihnen sagen, dass es alles andere als leicht war, mich für mich und gegen meinen Lieblingsjob zu entscheiden.
Haben Sie einen wichtigen Ratschlag für junge Kolleginnen und Kollegen? Ratschläge sind auch Schläge… Mir haben ein paar Dinge enorm geholfen: Ging’s um Projekte oder Entscheidungen des Vorgängers, so habe ich versucht, mich in den Zeitpunkt des Beschlusses zu versetzen. Gabs einen zeitlichen Druck? Was könnten die Beweggründe gewesen sein? Oft konnte gar nicht anders entschieden werden. Und erschien diese Entscheidung Jahre später als wenig optimal, so konnte ich gegensteuern, reagieren oder korrigieren. Denn: eine schlechte Entscheidung ist immer besser als gar keine! Sprich: permanentes Hinausschieben fällt einem nämlich oft deutlich härter auf die Füße als eine vorangegangene und weniger gute Entscheidung zu beheben. Und wenn’s mal richtig knifflig war, hab‘ ich mich oft gefragt, wie ich’s machen würde, wenn‘s mein eigenes wäre, also mein eigener Betrieb. Ich konnte mich da gut auf mein Bauchgefühl verlassen. Und mit den Menschen reden ist immer besser als über sie zu reden. Wenn mir gesagt wurde, dass es mit dem ein oder andern eher schwierig sei und ich besser die Finger davon lassen sollte, war es für mich Ansporn, das Gespräch zu suchen. Bei besonders heftiger Kritik hab‘ ich mich gefragt, ob ich das Thema nicht gut genug dargestellt habe. Bei dieser – aus meiner Sicht notwendigen – Selbstkritik kam ich allerdings auch immer mal zum Ergebnis, dass wir offenbar auf dem richtigen Weg sein müssen. Es kommt ja auch auf die Art und Weise an, wie einem der Wind ins Gesicht bläst. Natürlich ist es schöner ohne. Aber Kritik gehört auch zum Geschäft eines Bürgermeisters.
Wie beziehen Sie Kolleginnen und Kollegen / Bürgerinnen und Bürger / Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihre Arbeit und in Ihre Entscheidungsfindung ein? In meiner Heimatgemeinde habe ich mit allen Beschäftigten (Bauhof und Verwaltung) regelmäßig gemeinsam über die Themen gesprochen. In Bad Brückenau gab es Besprechungen mit den Fachbereichsleitern sowie einmal wöchentlich in größerer Runde. Dort kamen alle Themen auf den Tisch und wurden besprochen. In beiden Kommunen habe ich meine Stellvertreter entsprechend eng bei den Themen und den geplanten Entscheidungen vorinformiert und zu ihrer Meinung befragt. Für die Bürger gibt’s in beiden Kommunen ein Gemeinde- bzw. Stadtblatt zur regelmäßigen Info aus allen Bereichen. Social Media gehört heute freilich auch dazu. Unter den Bürgermeisterkollegen gibts einen regelmäßigen Austausch über die kommunalen Allianzen, den Bayerischen Gemeindetag sowie bei Bürgermeisterdienstbesprechungen. Zu bestimmten Themen hab ich mich dann jeweils direkt mit einem Kollegen in Verbindung gesetzt und gefragt, wie er oder sie das gemacht hat. Über die fast 22 Jahre hat sich da ein tolles Netzwerk deutlich über Bayern hinaus entwickelt. Denn auch hier gilt: Das Rad braucht keiner neu erfinden und durch den Austausch lässt sich mancher bürokratische Weg doch etwas abkürzen. Das kann ich wirklich jedem nur empfehlen: Nutzt dieses Netzwerk!.
Wieviel Einfluss wird die Digitalisierung auf die künftige Kommunalpolitik haben? Digitalisierung ist ein recht breit gefächerter Begriff. Sie ist notwendig, sollte aber auch nicht überbewertet werden. Den Verwaltungen fehlt neben der finanziellen Ausstattung häufig das Personal, um die Digitalisierung auch umzusetzen. Die 2.056 Kommunen in Bayern haben hier einen recht unterschiedlichen Stand und es können auch nicht alle gleichzeitig von externen Dienstleistern unterstützt werden. Aber bei aller Notwendigkeit: Der persönliche Kontakt ist durch nichts zu ersetzen! Das konnten wir ja grad in der fast kontaktlosen Zeit unter Corona sehr deutlich feststellen.
Gibt es ein Lebensmotto, das Sie begleitet? Nimm nicht alles so ernst und dich selbst nicht so wichtig!
Wie wollen Sie in Erinnerung bleiben? Selbstbild – Fremdbild… Man sieht sich, so denke ich, immer anders als die Menschen um einen herum. Ich bin sicher hartnäckig und zielstrebig. Ich denke aber auch, dass ich ein guter und emphatischer Zuhörer bin. Am liebsten würde ich aber als der in Erinnerung bleiben, vor dem jeder Mensch gleich viel zählt. Egal welcher Berufsstand, Position, Partei, Religion, jung oder alt usw.! Jeder Mensch hat Aufmerksamkeit und Respekt verdient – Punkt.
Foto © Jochen Vogel |
Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen? |