Aus den Kommunenzurück

(GZ-1/2-2023)
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► Hilferuf aus dem Landkreis Dachau:

 

Wir haben keine weiteren Kapazitäten!

Bis Ende 2023 wird mit einer Verdoppelung der Flüchtlingszahlen gerechnet

Dachaus Landrat Stefan Löwl und der Karlsfelder Bürgermeister Stefan Kolbe luden in der Woche vor Weihnachten zum Pressegespräch ins Landratsamt, um den Ernst der Lage bezüglich der Unterbringung von Flüchtlingen darzulegen. Laut dem Landrat sind die Zahlen von Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, massiv gestiegen: „In Bayern hat man uns Kommunen auf Landesebene auch wahrgenommen, aber auf Bundesebene wird komplett negiert, dass wir vor einem gewaltigen Problem stehen.“ Durch Gespräche in Brüssel wisse er aus erster Hand, dass die Bundesregierung untätig bleibt.

Landrat Stefan Löwl. Bild: Landratsamt Dachau; Bürgermeister Stefan Kolbe. Bild: Gemeinde Karlsfeld
Landrat Stefan Löwl. Bild: Landratsamt Dachau; Bürgermeister Stefan Kolbe. Bild: Gemeinde Karlsfeld

Seit September kommen verstärkt Geflüchtete nach Deutschland. Und seit November warnen die bayerischen kommunalen Spitzenverbände, dass Zustände wie 2015 längst erreicht seien. Allerdings sorgen verschiedene Krisen dafür, dass Aufmerksamkeit für dieses Thema fehle: „Unsere Bürgerinnen und Bürger haben drängendere eigene Sorgen und so fehlen uns auch die vielen Ehrenamtlichen, die sich noch 2015 engagierten“, so Löwl.

München baut eine Zeltstadt für 2.000 Menschen; in Rosenheim wurde die vierte Turnhalle belegt. Eine Sprecherin des Landratsamtes Dachau fügt an, es sei das Ziel, eine Unterkunft in Turnhallen oder ähnlichen Gruppenunterkünfte zu vermeiden. Aktuell (Stand Januar) sei es gelungen eine größere Unterkunft in Vierkirchen anzumieten, die ab Mitte/Ende Februar vorerst ca. 80 Plätze bietet. Etwa 1.000 Plätze hat der Landkreis in der Planung, noch stehen diese aber nicht zur Verfügung. Eine erste Turnhalle wurde noch vor Weihnachten vorbereitet, aber dazu meint der Landkreis-Chef: „Alles ist besser als die Turnhalle!“

Kaum ukrainische Flüchtlinge

1.368 Menschen – aus der Türkei, Syrien, Pakistan, Afghanistan oder Afrika – hat der Landkreis in den öffentlich organisierten Unterkünften aufgenommen, darunter sind auch 282 Personen aus der Ukraine. Die insgesamt über 800 ukrainischen Geflüchteten kommen meist privat unter.

Bürgermeister Kolbe sieht seine Gemeinde in einer besonderen Verantwortung: „In Karlsfeld haben wir schon eine gewisse Tradition. Gastarbeiter, Jugoslawienkrieg oder 2015, Karlsfeld hat immer geholfen. Auch jetzt.“ Zwar gibt es keinen landkreisspezifischen Verteilungsschlüssel, aber im Grunde wird erwartet, dass jede Kommune im Landkreis 15 Prozent Flüchtlinge, gemessen an der Einwohnerzahl, aufnimmt. Das wäre gerecht. Karlsfeld liegt jetzt schon bei 26 Prozent. Dort wurde das sog. „Karlsfelder Modell“ entwickelt, d.h. es werden Häuser in Holz-Massiv-Bauweise bereitgestellt, die nach EnEV-Vorgaben mit kleinen Wohneinheiten für höchstens 48 Menschen gebaut sind. Soziale Spannungen gäbe es nicht, so der Bürgermeister: „Das ist eine anständige, angemessene Unterbringung.“

Mitarbeiter an der Belastungsgrenze

40 Personen sind im Landratsamt nur mit dem Thema Asyl beschäftigt. Die beiden kommunalen Chefs loben das gigantische Fachwissen und das Engagement, das die Angestellten und Ehrenamtlichen leisten und bedanken sich ausdrücklich. Aber diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind an der Belastungsgrenze und brauchen dringend Erholung. So ist man froh, dass über die Feiertage keine weiteren Busse erwartet werden. Aber für die Zeit ab Januar hat die Regierung von Oberbayern 100 Menschen pro Monat angekündigt. Dabei bräuchte man nur allein für die, die schon da sind, 600 – 800 Wohnungen und das in einem total überhitzten Wohnungsmarkt. Noch immer sind 407 Fehlbeleger in den Unterkünften, d.h. Menschen, die bleiben dürfen, aber keine Bleibe finden.

Und die Menschen müssen auch sozial integriert werden, es werden Kindergartenplätze und Schulen benötigt. Auch muss die gesundheitliche Versorgung sichergestellt werden. Kolbe ist ratlos, er sagt, er wisse nicht, wie das gelingen solle: „Die Bundesregierung sieht das Problem anscheinend nicht. Aber Lösungen müssen national gefunden werden.“ Auf die Frage, was er sich von der Bundesregierung wünschen würde, antwortet Löwl: „Anerkennung, dass es so nicht geht, geordnete Zuwanderung und eine gerechte europaweite Verteilung.“ Asyl solle bereits in Grenznähe oder gleich außerhalb Europas beantragt werden können, fährt er fort, denn: „Es ist menschenverachtend und zynisch, dass wir nur die nehmen, die die Gefahren der Flucht überleben.“


TV-Beitrag von TV-Bayern.


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