Aus den Kommunenzurück

(GZ-20-2023 - 26. Oktober)
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► Bad Bayersoien und Benediktbeuern:

 

„Die blaue Familie ist jeden Cent wert!“

Nach dem schweren Hagel geht die Versicherungskammer Bayern vom drittgrößten Ereignis ihrer Unternehmensgeschichte aus

 

„Gegen Viertel vor vier verdunkelte sich der Himmel und es war klar, da kommt was. Und dann ist das Dachfenster gesprungen“, beschreibt Bayersoiens Erste Bürgermeisterin Gisela Kieweg das Unwetterereignis vom 26. August. Eine Viertelstunde später war der Spuk vorbei und Bayersoien nicht mehr wiederzuerkennen: 400 Dächer zerstört. Der Hagel zog inzwischen 40 km weiter nach Benediktbeuern und hinterließ auch hier eine breite Spur der Verwüstung. Der anschließende tagelange Dauerregen behinderte nicht nur die Einsatzkräfte, er schädigte die Bausubstanz der Häuser, die nun kein schützendes Dach mehr hatten. 1.000 Gebäude und das Kloster in Benediktbeuern sind schwer betroffen. Die Aufräumarbeiten kommen voran, trotzdem ist es ein immenser Aufwand. „Normalerweise saniert man ein Haus“, sagt Toni Ortlieb, Erster Bürgermeister in Benediktbeuern, „aber wir müssen alle Gebäude gleichzeitig wieder in Stand setzen und der Winter steht vor der Tür.“

Mit Folie abgedeckte Dächer in Bayersoien; v.l. Bürgermeister Toni Ortlieb, Benediktbeuern, Bürgermeisterin Gisela Kieweg, Bad Bayersoien und Christian Krams, Versicherungskammer Bayern. Bild: CH
Mit Folie abgedeckte Dächer in Bayersoien; v.l. Bürgermeister Toni Ortlieb, Benediktbeuern, Bürgermeisterin Gisela Kieweg, Bad Bayersoien und Christian Krams, Versicherungskammer Bayern. Bild: CH

Auch in Bichl und Kochel und bis nach Lenggries hat das Sturmtief „Denis“ gewütet. Christian Krams, Leiter Konzern Schaden und Vorstand BavariaDirekt, berichtet, dass „Denis“ nach dem „Münchner Hagel“ von 1984 und dem Pfingstunwetter „Jörn“ von 2019 inzwischen das drittgrößte Ereignis der Konzerngeschichte der Versicherungskammer Bayern sein könnte und sich möglicherweise noch zum Zweitgrößten entwickelt: „Wir kalkulieren derzeit für die Schäden durch ‚Denis‘ Aufwände von bis zu 170 Millionen Euro.“ Bis heute gingen bei der Versicherungskammer etwa 17.000 Schadenmeldungen allein in Folge des Sturmtiefs ein. Dabei machen die Sach-Schäden an Gebäuden etwa 80 Prozent und die KFZ-Schäden etwa 20 Prozent aus. Die einzelnen Schäden sind im Durchschnitt außergewöhnlich groß. Die Versicherungskammer verzeichnet allein annähernd 450 Großschäden mit einem Schadenvolumen von zusammen über 50 Millionen Euro. Ca. ein Drittel der betroffenen Gebäude ist nicht versichert.

Genau wie die beiden Ortschaften ist auch das Kloster dieser Tage eine einzige Großbaustelle. Auf der Wetterseite ist nach dem Hagel kein Fenster heil geblieben und die Dächer sind teilweise nicht mehr vorhanden. Über die genauen Schäden informiert das Kloster auf der Internetseite https://t1p.de/vn5ls. Seit dem 8. Jahrhundert besteht dieses geistliche und kulturelle Zentrum im Oberland. Weltberühmt wurde das ehemalige Benediktinerkloster nicht erst durch die von Carl Orff vertonte „Carmina Burana“. Fraunhofer hat hier seine berühmten Linsen geschliffen und uns die Sterne nähergebracht (Hintergrund: https://t1p.de/x3qmn). Der Auftrag der Salesianer Don Boscos, die das Kloster 1930 vom Freistaat erworben haben, lautet: Jugend, Schöpfung, Bildung.

„Der Erhalt des Klosters liegt uns am Herzen, um der hier geleisteten Jugendarbeit wieder einen angemessenen Raum zu geben und um hier bald auch wieder Gäste empfangen zu können. Allerdings geht es für uns jetzt ums weitere Bestehen unserer Arbeit vor Ort“, sagt Provinzökonom Pater Stefan Stöhr. „Die Gebäude sind zwar versichert, nicht aber der Betriebsausfall, der Ausfall von Einnahmen aus dem Gäste- und Kulturbetrieb, die Unterbringung von Klosterbewohnern in teils neu zu schaffenden Räumlichkeiten, oder zerstörtes Inventar. Wir führen den Betrieb momentan in eingeschränkter Form weiter, so gut es geht, aber es ist fraglich, ob wir die Dächer vor dem Winter zu bekommen. Bezüglich der aktuellen Lage vor Ort ist jetzt die Politik gefragt: Gibt es ein gemeinsames Interesse, um diesem Ort für Jugendliche und der hier stattfindenen Bildungsarbeit eine Zukunft zu geben – oder nicht?“

Riesige Hilfsbereitschaft

Trotz der dramatischen Situation sind alle Beteiligten erleichtert, dass niemand zu Tode gekommen ist. Auch hat sich eine riesige Hilfsbereitschaft in der Not gezeigt. Feuerwehren bis aus dem Landkreis München rückten an. Baumärkte öffneten auch sonntags. Notdächer, die bei Würzburg eingelagert waren, wurden gebracht. Eine Firma schickte zehn Sattelschlepper Dachlatten. Aus dem Kloster Beuerberg, das zur Erzdiözese München gehört und das gerade saniert wird, wurden spezielle Ziegel, die für Kirchenbauten gebraucht werden, geliefert.

P. Stöhr berichtet, dass in der näheren Umgebung nur die Werksfeuerwehr von Roche über eine Drehleiter verfügt, die auf die 50 Meter hohen Dächer kommt. „Die Alpine Einsatzgruppe der Polizei ist mit 30 Personen angerückt, das sind alles Profis, die es gewohnt sind unter widrigsten Umständen zu arbeiten. Und zusätzlich haben sie eine so positive Stimmung verbreitet, das war dringend notwendig.“ Denn das eine sind die sichtbaren Schäden, aber das andere die, die man nicht sehen kann. Traumaspezialisten und Kriseninterventionsteams waren im Einsatz.

Damit schnell geholfen werden kann, waren ab dem ersten Tag Mitarbeiter der Versicherungskammer persönlich bei den Kunden. „Wir haben nicht gewartet bis der Anruf kam“, so Krams. Kurzfristig wurden zahlreiche Erleichterungen im Schadenablauf auf den Weg gebracht, um für die Kunden die Abwicklungen zu beschleunigen; bei Bedarf wurden Vorschusszahlungen geleistet oder auf Kostenvoranschläge verzichtet. Krams verweist vor diesem Hintergrund darauf, dass solche extremen Unwetter im Zuge des Klimawandels häufiger und heftiger auftreten werden. Zugleich ist für viele Menschen das Eigenheim der größte Vermögenswert. Da in Bayern nur 81 Prozent der Häuser einen Versicherungsschutz gegen Stürme und Hagel haben, bedeutet das, dass jedes fünfte Haus nicht versichert ist.

Auf die Frage, was die beiden kommunalen Entscheidungsträger ihren Amtskolleginnen und -kollegen raten, um auf eine derartige Situation besser vorbereitet zu sein, lautet die Antwort: „Bloß nicht an der Feuerwehr sparen! Denn es braucht perfekt ausgebildetes Personal und ausreichend Material. Außerdem ist es sinnvoll den eigenen Versicherungsschutz zu überprüfen.“

CH

 

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