Aus den Kommunenzurück

(GZ-9-2024 - 3. Mai)
gz aus den kommunen

► Presse:

 

Zu stark angepasst?

Was Kommunalpolitiker in Bayern über den Zustand der Pressefreiheit denken

 

Es braucht Zeitungen und Zeitschriften, Rundfunk, Fernsehen und Online-Magazine, um die Bevölkerung zu informieren. In einer immer undurchschaubareren Welt sind Medien wichtiger denn je. Allerdings brauchen sie Rahmenbedingungen, um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können. Allen voran Pressefreiheit. Ohne die ist es unmöglich, kritisch gegenüber den Mächtigen zu recherchieren. Anlässlich des Tags der Pressefreiheit am 3. Mai erzählen Kommunalpolitiker, wie sie die Pressefreiheit hierzulande einschätzen.

Viele, die noch keine direkte Berührung mit Pressevertretern hatten, denken beim Stichwort „Journalist“ an „rasende Reporter“, die mit Eifer, brennender Neugier und viel Fleiß hintergründige Informationen zu brisanten Fragen sammeln. Dass der journalistische Alltag heute zum Teil komplett anders ausschaut, geht aus einem kürzlich veröffentlichten Manifest hervor, das von über 100 Mitzeichnerinnen und Mitzeichnern getragen wird. Das ist nicht nur mit Blick auf den „Tag der Pressefreiheit“ brisant. Auf den Weg gebracht wurde es von Mitarbeitern von ARD, ZDF und Deutschlandradio.

Machtmissbrauch zwischen den Zeilen

Das Manifest beklagt zwischen den Zeilen Missbrauch von Macht in den Redaktionen. „Innere Pressefreiheit existiert derzeit nicht“, lautet wörtlich die vernichtende Feststellung. So, wie die Dinge liegen, könnten Mitarbeiter des öfffentlich-rechtlichen Rundfunks ihren journalistisch-ethischen Standards nicht mehr genügen. Abzurufen ist das Manifest unter https://meinungsvielfalt.jetzt/manifest.html. Herausgeber der Website ist Ole Skambraks.

Er war insgesamt zwölf Jahre als Redakteur und redaktioneller Mitarbeiter für den MDR, WDR und SWR tätig. Wenige Tage nach der Veröffentlichung seines offenen Briefs „Ich kann nicht mehr“ wurde Skambraks 2021 vom Dienst freigestellt.

Das Manifest inspiriert dazu mal wieder darüber nachzudenken, was Pressefreiheit bedeutet. Hintergründig dargestellt und kompakt aufbereitet finden sich dazu Informationen auf der digitalen Plattform „Rechtskunde Online“ der Uni Potsdam. Die Pressefreiheit, heißt es dort, schützt „die Wahrnehmung aller naturgemäß mit der Pressearbeit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten“. Pressefreiheit habe die Funktion eines „klassischen Abwehrrechts, das vor staatlichen Eingriffen und Einflussnahmen schützen soll“. Alle Beeinträchtigungen des Pressebetriebs sowie Sanktionen, die an Inhalt und Gestaltung des Presseerzeugnisses anknüpfen, stellten einen Eingriff dar.

Was im Manifest öffentlich gemacht wurde, bringt auch Robert Kühn (SPD), Bürgermeister von Bad Wiessee im oberbayerischen Landkreis Miesbach, zum Nachdenken. „Meiner Meinung nach ist es enorm wichtig, immer wieder die Freiheit der Presse auf den Prüfstand zu stellen und zu hinterfragen, ob wir genug für deren Gewährleistung tun“, sagt er. So gesehen sei das Manifest eine Aufforderung, die Wichtigkeit und Verletzlichkeit der Pressefreiheit zu beleuchten. Die Pandemie und die Kriegsereignisse der letzten Jahre hätten im Übrigen gezeigt, wie schwer es sein kann, einen respektvollen und verantwortungsbewussten Umgang mit unterschiedlichen Meinungen zu haben.

Wesentliches Merkmal eines freiheitlichen Staates

Grundsätzlich denkt Robert Kühn allerdings, dass Pressefreiheit in Deutschland praktiziert wird: „Auch, wenn wir in den letzten Jahren aufgrund vermehrter Angriffe auf Pressevertreter im internationalen Ranking nach hinten gefallen sind.“ Pressefreiheit ist für den Kommunalpolitiker ein wesentliches Merkmal eines freiheitlichen Staates: „Und in einem solchen leben wir glücklicherweise.“ Vor allem als Politiker sieht er die Pressefreiheit „als wichtigen Motor für einen lebendigen Diskurs“ an.

Vierte Gewalt

„Der Presse kommt in unserem demokratisch regierten Land eine Bedeutung zu, die zu Recht als die vierte Gewalt bezeichnet wird”, meint Christian Wilhelm (Freie Wähler) aus Sonthofen im schwäbischen Kreis Oberallgäu. Wobei der Kommunalpolitiker sich fragt, ob die Presse dem gesteckten Anspruch zu jeder Zeit gerecht wird oder werden kann. Dies sei nicht so einfach.

Die originäre Aufgabe

„Die Finanzierung hat einen direkten Einfluss auf die Arbeit der Journalisten und wird in der heutigen Zeit immer brisanter“, so Christian Wilhelm. Trotz dieser Hürde erwarte er als Politiker und Bürger, dass Journalisten bei bedeutsamen Themen ihrer originären Aufgabe nachkommen: „Nämlich umfassend zu recherchieren und Meinungen und Gegenmeinungen fair gegenüber zu stellen.“ Bei vielen Berichten spüre er den Zeitdruck und den Personalmangel: „Der führt dazu, dass schneller auf Einzelmeinungen zurückgegriffen wird und diese oftmals nicht hinterfragt werden.“

Letztlich sieht aber auch Christian Wilhelm kein Problem mit der Pressefreiheit in Deutschland. „Es ist eher so, dass wir aktuell nicht erkennen, welchen Stellenwert die Presse haben sollte, um einen Gegenpol zu den Meinungen in den sogenannten Sozialen Medien darzustellen und auch um Propaganda zu entlarven“, erklärt er. Gute Pressearbeit koste aber nun mal Geld: „Wir müssen wieder mehr dazu bereit sein, dieses Geld zu investieren.“

Dass es Einschränkungen der Pressefreiheit durch Einflussnahme von Entscheidungsträgern gibt, kann sich Vanessa Wagner (CSU), Stadträtin in Rehau im oberfränkischen Landkreis Hof, nicht vorstellen. Besorgniserregend ist für sie allerdings, „dass Reporter bedroht und teilweise auch angegriffen werden“. Vanessa Wagner findet es außerdem „alarmierend“, dass diese Angriffe „häufig in verschwörungsideologischen und extremen Kreisen“ stattfänden. „Als Gesellschaft müssen wir gegen jede Form von Gewalt oder Einschüchterung vorgehen und sicherstellen, dass kritische Berichterstattung geschützt wird“, appelliert sie.

Wichtig für die Kommunalpolitik

Gerade als Kommunalpolitikerin ist Pressefreiheit für Vanessa Wagner wichtig. Nur so sei es möglich, die Öffentlichkeit über lokale Angelegenheiten zu informieren und den Dialog zu fördern. Pressefreiheit sei überdies wichtig im Sinne der Bürgerbeteiligung. „Leserbriefe und Meinungsäußerungen in der Presse ermöglichen es Bürgern, sich aktiv an der lokalen Debatte zu beteiligen“, so die Stadträtin. Diese Rückmeldungen wiederum seien für kommunale Vertreter „äußerst wertvoll“.

Das Manifest der Rundfunkjournalisten macht sie aufgrund ihrer eigenen positiven Erfahrungen mit der Presse und mit Pressefreiheit ein wenig ratlos: „Mir ist allerdings bewusst, dass die Frage der inneren Pressefreiheit komplex ist.“ Vanessa Wagner vertraut darauf, „dass die Verantwortlichen die nötigen Maßnahmen zum Schutz ergreifen.“ Sie selbst schätzt die Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die zeichne sich durch fundierte Analysen aus. Im Gegensatz zu reißerischen Online-Schlagzeilen“ biete der ÖRR „verlässliche Informationen, die durch Faktenchecks belegt werden“.

„Zu reißerisch“

Wiebke Richter, Grünen-Stadträtin in Regensburg, findet die Bezeichnung „Manifest“ über dem Text der Rundfunkjournalisten sehr „reißerisch”. „Ich muss aber sagen, dass ich zu wenig Einblick in die inneren Strukturen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter habe, um mir hier eine belastbare Meinung bilden zu können”, schränkt sie ein. Als Politikerin sei es ihr wichtig, „dass besonders die Öffentlichen nicht von rechten oder anderen Strukturen beeinflusst oder sogar unterwandert werden.“ Dazu gehören für sie auch die im Text des Manifests benannten „Querdenker“ und „Schwurbler“.

Wie inflationär diese „Kampfbegriffe“ verwendet werden, eben das macht kritische Journalistinnen und Journalisten dieser Tage nachgerade kirre. Wörtlich heißt es dazu im Manifest: „Stimmen, die einen – medial behaupteten – gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, werden wahlweise ignoriert, lächerlich gemacht oder gar ausgegrenzt.” Inflationär bediene man sich zu diesem Zwecke „Kampfbegriffen“ wie „Querdenker“, „Schwurbler“, „Klima-
Leugner“, „Putin-Versteher“ oder „Gesinnungspazifist”.

Minderheiten werden mundtot gemacht

Mit diesen Begriffen, zeigen die Initiatoren des Manifests, werde versucht, „Minderheiten mit abweichender Meinung zu diffamieren und mundtot zu machen“. Dadurch komme es zu einer „Eingrenzung des Debattenraums anstelle einer Erweiterung der Perspektive“. Die Initiatoren des Manifests vermissen den Fokus auf ihre Kernaufgabe: „Bürgern multiperspektivische Informationen anzubieten“. Stattdessen verschwämmen Meinungsmache und Berichterstattung „zusehends auf eine Art und Weise, die den Prinzipien eines seriösen Journalismus widersprechen“.

Für Wiebke Richter sind die Vorwürfe nicht nachvollziehbar. Sie versteht nicht, was man an „Querdenkern“ gut finden könnte. Bei Veranstaltungen oder an Wahlkampfständen mache sie immer wieder die Erfahrung, dass viele der von „Querdenkern“ vertreten Aussagen „nichts mehr mit Meinungsfreiheit zu tun hätten. Die Pressefreiheit in Deutschland ist nach ihrer Ansicht „zuverlässig erhalten“. Im internationalen Vergleich sei das keineswegs selbstverständlich: „Und auch unser Land hat ja bereits andere Zeiten erlebt.“

Kritik an den öffentlich-rechtlichen Medien hält Wiebke Richter für ungerechtfertigt. Zwar sei sie auch nicht mit allen Berichten einverstanden. „Ich finde jedoch weiterhin, dass ich mich auf die Neutralität und Informationsbreite der Öffentlich-rechtlichen verlassen kann und bin sehr froh darüber“, so die Stadträtin.

Pat Christ

 

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?

Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

 

GemeindeZeitung

Aus den Kommunen

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung