Nachdem am 11. Juni in München sieben südbayerische Kulturformen in das Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes neu in das Bayerische Landesverzeichnis aufgenommen wurden (wir berichteten), überreichte nunmehr Finanz- und Heimatminister Albert Füracker in Nürnberg nunmehr die Urkunden für lebendige Traditionen in Nordbayern. Dabei handelte es sich um die sechs diesjährigen sowie die drei letztjährigen Neuaufnahmen.
Jährlich an einem Samstag im Juli wird in der Nähe von Coburg das Neustadter Kinderfest veranstaltet. Im Mittelpunkt steht der von der örtlichen Schule organisierte Kinderumzug, bei dem die Schülerinnen und Schüler kostümiert durch die Straßen ziehen, begleitet von Musikkapellen und geschmückten Festwagen. Jede Klasse legt individuell ihr jährliches Leitthema fest und führt es beim Festzug auf. Im Anschluss an den Umzug finden Sport- und Freiübungen, Spiele und der traditionelle Neustadter „Rutscher“-Tanz, der schon im 19. Jahrhundert für Kinder adaptiert wurde, statt.
Das Goldschlägerhandwerk hat eine lange Tradition und ist ein wichtiger Teil der Geschichte von Schwabach. Seit dem 16. Jahrhundert ist die Stadt für ihre Blattgoldarbeiten bekannt, die weltweit exportiert werden. Blattgold aus Schwabach ziert zum Beispiel die „Goldelse“ in Berlin, die Kuppel des Invalidendoms in Paris und die Freiheitsstatue in New York. Bundesweit existiert das Goldschlägerhandwerk nur noch in der mittelfränkischen Stadt.
Seit 1731 geht der Gelübdefeiertag in Grafenwöhr auf den Seuchen- und Pestheiligen Sankt Sebastian zurück, der nach seiner Anrufung die Stadt von der Pest befreit haben soll. Zahlreiche Bürger, Vereine, Stadtverwaltung, Pfarreien und sogar Vertreter des Truppenübungsplatzes beteiligen sich rege an den Feierlichkeiten. Der Stadtfeiertag wird bis heute jährlich am 20. Januar mit Kirchenzug, Gottesdienst und anschließenden Feierlichkeiten begangen.
Lange Tradition
Das Treideln, bei dem ein Schiff von einem am Ufer laufenden Pferd gezogen wird, hat eine lange Tradition am Ludwig-Donau-Main-Kanal. Diese Praxis geht bis in die 1840er Jahre zurück und erstreckt sich von Kelheim bis Bamberg. Nach Aufgabe des Kanals als offizielle Wasserstraße 1950 wurde das Treideln allmählich aufgegeben und 1996 zunächst im oberpfälzischen Landkreis Neumarkt und dann im mittelfränkischen Landkreis Nürnberg Land wiederbelebt. Die touristische Nutzung des Treidelns und die Weitergabe der alten Handwerkstechnik sind mittlerweile einmalig in Deutschland.
Das Kunigundenfest in Lauf an der Pegnitz ist seit dem 17. Jahrhundert belegt und vor allem ein Schul- und Kinderfest, das jährlich am ersten Juli-Wochenende gefeiert wird. In einem Festzug ziehen die Kinder der städtischen Schulen zum Reigenplatz und zeigen dort ihre Darbietungen. Umrahmt wird das Geschehen von einem fünftägigen Kirchweihfestbetrieb. Der Anlass für das Fest ist die Weihe der Kunigundenkapelle auf dem nördlich der Stadt gelegenen Kunigundenberg.
Die Kronacher Schwedenprozession geht auf eine Dankprozession für das glückliche Ende einer Belagerung durch schwedische Truppen im Dreißigjährigen Krieg zurück. Die seit 1632 alljährlich begangene Prozession führt am Sonntag nach Fronleichnam von der Stadtpfarrkirche zur Festung Rosenberg und wieder zurück. Nach der Prozession gibt es einen festlichen Ausklang. Früher beteiligten sich daran Zünfte und das Bürgermilitär, heute sind es Vereine, städtische Institutionen und historische Gruppen. Eine besondere Rolle bei der Dankesprozession kommt bis heute den Frauen zu, da die letzte Belagerung der Stadt nur durch ihre Hilfe abgewehrt werden konnte.
Kontinuierliche Brauchtums- und Trachtenpflege
Das Wissen über lokale historische Hochzeitsbräuche und Trachten aus der Zeit um 1890/1900 sowie die mit ihnen verbundenen handwerklichen Fähigkeiten soll die öffentliche Inszenierung eines evangelischen Hochzeitszuges aus der ehemaligen Grafschaft Wertheim durch den Gesang- und Trachtenverein Glasofen e.V. vermitteln. Aufführungen finden bei festlichen Gelegenheiten vor Ort und in der Umgebung statt, aber auch bei Ereignissen wie dem Trachten- und Schützenzug des Münchner Oktoberfests. Die kontinuierliche Brauchtums- und Trachtenpflege begann 1951 mit der Gründung einer Trachtengruppe durch einen örtlichen Lehrer. Neben den Umzügen stehen die Bewahrung und Nachbildung der historischen Kleidungsstücke, Kenntnisse um deren angemessene Verwendung und das teilweise sehr komplizierte Ankleiden im Zentrum der Erhaltungsbemühungen.
Ein von September bis April praktiziertes gesellschaftliches und kulinarisches Ritual, das sowohl in der Gastronomie wie auch in Vereinen oder in privaten Gesellschaften seit Mitte des 19. Jahrhunderts angeboten wird, ist die „Schweinfurter Schlachtschüssel“. An einem Essen sind üblicherweise zwischen 30 und 150 Personen beteiligt. Hierbei wird das Fleisch nicht einzeln portioniert, sondern in ritualisierter Form tischweise gereicht. Zudem ist das Schlachtschüsselessen mit einem Unterhaltungsprogramm verbunden, bei dem die Gäste zum Mitsingen und Dichten aufgefordert werden.
Die Kirwa (Kirchweih) im Amberg-Sulzbacher Land ist ein traditionelles, farbenfrohes Volksfest mit Trachten, traditionellen Ritualen und kulinarischen Köstlichkeiten, das in etwa hundert Ortschaften im Landkreis Amberg-Sulzbach und der kreisfreien Stadt Amberg gefeiert wird. Die öffentlichen Feste dauern üblicherweise drei Tage, die Hauptelemente, darunter die Errichtung des Kirwabaums, sind ähnlich, jedoch gibt es lokale und regionale Besonderheiten. Im Mittelpunkt der Organisation stehen meist Gruppen von Jugendlichen und unverheirateten jungen Erwachsenen.
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