Aus den Kommunenzurück

(GZ-21-2024 - 7. November)
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► Unterbringung von Geflüchteten:

 

Hilferufe aus bayerischen Kommunen

 

Die angemessene Unterbringung von Geflüchteten stößt zunehmend an Grenzen. Vielerorts ist die Lage äußerst kritisch. Widerstände vor Ort, rechtliche Hürden und begrenzte Kapazitäten machen die Suche nach Lösungen immer schwieriger. Exemplarisch dafür stehen die Landkreise Miesbach und Bad Tölz-Wolfratshausen sowie die Stadt Bad Griesbach im Landkreis Passau.

„Wir stehen vor einem Problem, das wöchentlich größer wird“, betont der Miesbacher Landrat Olaf von Löwis. Alle zwei Wochen kämen Busse mit Geflüchteten an – mal sind es 50 Personen, mal 100 – die Unterbringungsmöglichkeiten im Landkreis seien jedoch ausgeschöpft. Derzeit seien drei Sporthallen seit zwei Jahren belegt und müssten so bald wie möglich geräumt werden, damit Schulen und Vereine diese wieder nutzen können. Doch es fehle an Alternativen. Der Landkreis verfüge über keine weiteren eigenen Immobilien, die Gemeinden im Landkreis meldeten von sich aus nicht ausreichend geeignete Unterkünfte, und so sei man auf die freiwilligen Angebote privater Immobilienbesitzer angewiesen.

Hinzu komme das Problem der sogenannten Fehlbeleger, in der Regel anerkannte Asylbewerber (zuzüglich Geflüchtete aus der Ukraine), die eigentlich aus den Asylunterkünften ausziehen müssten, aber oftmals keine Wohnung auf dem freien Markt finden und daher drohen, obdachlos zu werden. Momentan „blockierten“ rund 250 Fehlbeleger (Asyl) sowie die Geflüchteten aus der Ukraine dringend benötigte Plätze, die sonst für Neuankömmlinge genutzt werden könnten.

Bemühungen werden massiv behindert

„Wir brauchen schnell große Lösungen“, fordert von Löwis und hat nun aufgrund der angespannten Situation einen Brandbrief an Bayerns Innen- und Kommunalminister Joachim Herrmann geschrieben. Darin stellt der Landkreischef die Frage: „Wie sollen wir weiterhin geeignete Unterkünfte akquirieren und errichten, wenn uns ständig die Gefahr droht, vor Gericht ausgebremst zu werden? Im Landkreis Miesbach werden unsere Bemühungen von vielen betroffenen Kommunen massiv behindert. Erst Hausham, dann Warngau und nun auch Waakirchen, Fischbachau und Schliersee – überall wird versucht, die Errichtung von Unterkünften mit allen rechtlichen Mitteln zu verhindern. Insbesondere bei privaten Anbietern führt diese kritische Haltung häufig zum Rückzug. Wir werden von vielen privaten Anbietern sogar gebeten, ihr Angebot so lange wie möglich vertraulich zu behandeln, also die Rathäuser nicht zu informieren.“

Quotierung der Geflüchteten bringt keine Gerechtigkeit

Inzwischen sei er, so von Löwis, „überzeugt, dass die Quotierung der Geflüchteten auf die Landkreise nicht die erhoffte Gerechtigkeit bringt. Die Voraussetzungen und Möglichkeiten unterscheiden sich von Landkreis zu Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt. Dass trotzdem die Solidarität unter den Landrätinnen und Landräten so groß bleibt, ist wirklich bemerkens- ja lobenswert.“

„Wir stehen in der Pflicht, alle Geflüchteten, inklusive der Fehlbeleger, unterzubringen, verfügen aber über keine Instrumente, um diese Verpflichtung gegenüber den kreiseigenen Kommunen durchzusetzen. Hier muss sich dringend etwas ändern!“, fordert von Löwis. „Zwar versichern uns die Kommunen ihr Verständnis, doch zeigen einige eher aufeinander, anstatt selbst Verantwortung zu übernehmen.“ Selten werde der Heilige Sankt Florian so intensiv bemüht wie heute.

Sofortige Unterstützung erforderlich

  • Die Lage sei äußerst kritisch, sofortige Unterstützung „von oben“ sei erforderlich, schreibt der Landrat. Dazu zählen aus seiner Sicht folgende Maßnahmen:
  • Die bestehenden Ankerzentren müssten schnell und deutlich erweitert und neue zügig errichtet werden.
  • Eine rechtlich abgesicherte Möglichkeit, die Fehlbeleger (z.B. aus den Turnhallen einer Kommune) in mehrere Kommunen verteilen zu dürfen, sei zwingend notwendig. Die bisherige „Mitwirkungspflicht“ der Gemeinden reiche nicht aus.
  • Spezielle Herausforderungen, wie etwa die „Räumung“ der Turnhallen, müssten unbürokratisch unterstützt werden, indem bis dahin alle Zuweisungen ausgesetzt werden.

Hinzu komme, dass die Beschäftigten im Landratsamt extrem gefordert seien; Überstunden seien die Regel. Schlimmer noch: „Wie sollen wir angesichts dieser schwierigen Arbeitssituation offene Stellen überhaupt noch besetzen?“

Was den Landkreischef besonders nachdenklich stimmt, sind persönliche Anfeindungen: Über Monate hinweg wurde er zum Ziel von Bürgerprotesten und Drohungen, während die Gemeinden ihm die Unterstützung verweigerten. Von Löwis stellt klar: „Leider akzeptieren einige Menschen nicht, dass die Landratsämter gesetzlich verpflichtet sind, Flüchtlinge aufzunehmen und unterzubringen. Sie fordern, dass der Landrat die Aufnahme verweigert und die Busse mit Geflüchteten zurückschickt. Das ist aber nicht möglich.“

„Mit diesem Schreiben möchte ich Dich herzlich bitten, auch die Rahmenbedingungen in Bayern zu prüfen“, so von Löwis an Herrmann abschließend. So dürfe es nicht weitergehen!

Widerstand gegen den Bau eines Containerdorfs

In der bayerischen Gemeinde Dietramszell im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen regt sich wiederum Widerstand gegen den Bau eines Containerdorfs für 130 Flüchtlinge im Ortsteil Bairawies. Jeden Monat müsse das Landratsamt 100 neue Asylsuchende unterbringen, macht Landkreischef Josef Niedermaier deutlich. Die Not an Unterkünften sei erheblich. Um größere Unterkünfte im Außenbereich genehmigungsfähig zu machen, habe die Bayerische Staatsregierung eine Sonderregelung geschaffen. Damit sei die Planungshoheit der Gemeinde faktisch ausgehebelt.

Umfassendes Sicherheitskonzept

Zwar versteht der Landrat alle Ängste und Bedenken in Dietramszell, jedoch müsse man abwägen, was das kleinere Übel ist. Niedermaier verwies darauf, dass es im Landkreis ein umfassendes Sicherheitskonzept gebe und es bislang kaum zu Übergriffen gekommen sei. In Bairawies wäre zudem rund um die Uhr ein Sicherheitsdienst vor Ort.

Versprechen in weite Ferne gerückt

Zu Beginn der Krise sei versucht worden, dem Flüchtlingsstrom Herr zu werden, indem Privatunterkünfte gesucht und Turnhallen belegt wurden, erläutert Niedermaier. Sein Versprechen, die Sporthallen in Geretsried und Wolfratshausen wieder freizubekommen, sei in weite Ferne gerückt. Gemeinden würden gegen das Verteilsystem klagen und er wisse nicht mehr wohin mit den Flüchtlingen. Er sei auf die Unterstützung von Kommunen ebenso angewiesen wie auf jene von Investoren. Denn der Landkreis könne allein keine Unterkünfte bauen.

Erhebliche Dissonanzen

Für erhebliche Dissonanzen hat die Unterbringung weiterer ukrainischer Flüchtlinge in Bad Griesbach im Landkreis Passau gesorgt. Der Stadtrat hat sich offiziell von Bürgermeister Jürgen Fundke (Überparteiliche Wählergemeinschaft) distanziert. Dieser hatte sich geweigert, 35 ukrainische Flüchtlinge registrieren zu lassen mit der Begründung, dass diese landkreisweit ungerecht auf die 38 Städte und Gemeinden verteilt würden und zudem Schulen und Kindergärten am Limit seien.

Das Landratsamt wies Fundke amtlich an, sich um die Registrierung zu kümmern. Der Bürgermeister aber ignorierte die Anweisung, woraufhin das Landratsamt dessen Stellvertreter Georg Greil (SPD/FWG) bevollmächtigte, sich um die Anmeldung zu kümmern. Dieser veranlasste die Registrierung unmittelbar. Die Anordnung, die Ukrainer nicht anzumelden, sei schlichtweg rechtswidrig gewesen, begründete Greil seine Entscheidung. Das Meldegesetz sei ein Bundesgesetz, da habe das Rathaus keinen Spielraum.

Bürgermeister ducken sich weg

Der Rathauschef stellte fest, er sei nicht ausländerfeindlich und wolle nur auf die ungerechte Verteilung von Flüchtenden auf die Kommunen hinweisen. Bad Griesbach mit seinen knapp 9.300 Einwohnern beherberge schon zu viele Ukrainer. „Andere Bürgermeister ducken sich weg, das ärgert mich“, erklärte Fundke gegenüber BR24. Er selbst habe zwei ukrainischen Familien geholfen, in Bad Griesbach unterzukommen. Die Stadt bemühe sich. Bei der Asylbewerberunterkunft sei beispielsweise ein Anbau für weitere 28 Plätze genehmigt worden. Insgesamt könnten dort dann 108 Menschen wohnen. Zudem seien in einem ehemaligen Hotel etwa 100 Ukrainer untergebracht.

Rund 174.000 Ukrainer sind seit Kriegsbeginn nach Bayern geflohen. Die meisten kamen privat unter, nur ein kleinerer Teil zog in staatliche Einrichtungen. Wie der Freistaat sie an die Regierungsbezirke verteilt, ist klar geregelt nach einem Schlüssel, der die Einwohnerzahl und Steuerkraft berücksichtigt. Wie die Flüchtlinge in den Landkreisen verteilt werden, ist jedoch nicht festgelegt.

DK

 

 

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