(GZ-5-2025 - 27. Februar) |
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► Eine von ihnen gibt nun auf |
Was Bürgermeisterinnen aus Bayern anlässlich des Frauentags bewegt |
Oft geht es an diesem Tag um die Frage, inwieweit Chancengleichheit inzwischen erreicht ist. In den verschiedenen privaten, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Feldern. Manchmal wird am 8. März auch die Problematik „Gewalt gegen Frauen“ in den Fokus gerückt. Wir wollten anlässlich des Internationalen Frauentags wissen: Was bewegt Bürgermeisterinnen in Bayern gerade? Was beschwert ihr Amt? Was möchten sie ändern? Und wie?
Vor allem Kommunalpolitikerinnen, geht aus unserer Recherche hervor, legen auf Familien- und Kinderfreundlichkeit in ihrer Gemeinde großen Wert. Mehr, als zum Beispiel auf den Bau von Straßen. Vor allem Kommunalpolitikerinnen leiden aber auch darunter, dass die gesellschaftlichen Spannungen derart zugenommen haben. Dass der Umgangston rauer wird. Dass die Intoleranz wächst.
Eine umfassende Reform müsste her. Damit nicht alles noch mehr danieder geht. Damit nicht noch mehr böses Blut entsteht. Das würde sich Brigitte Bachmann-Mühlinghaus (SPD), Bürgermeisterin der Gemeinde Birgland im oberpfälzischen Landkreis Amberg-Sulzbach, wünschen. Wobei es fast so scheint, als würde „da oben“ der Niedergang gar nicht registriert. „Die Menschen mit ihren Problemen werden von der Politik nicht gesehen“, sagt sie. Dass sich das endlich ändert, wäre ihr größter Wunsch zum Weltfrauentag. Voraussetzung wäre, dass „die da oben“ wieder mehr Bodenhaftung bekämen.
Wissenschaftlern hatte man früher oft vorgeworfen, im Elfenbeinturm zu sitzen. Inzwischen ist der „Elfenbeinturm“ aus der Mode gekommen. Heute spricht man von der „Bubble“. Dass Bundespolitiker tatsächlich häufig in einer „Blase“ leben, erfuhr Brigitte Bachmann-Mühlinghaus vor knapp zehn Jahren, als sie für den Bundestag kandidierte. Und deshalb öfter in Berlin war.
Elitäres Benehmen
Hautnah erlebt sie damals elitäres Benehmen. Natürlich seien Bundespolitiker während des Wahlkampfs unterwegs, so die Bürgermeisterin. Was jedoch nicht bedeute, dass sie wirklich auf Tuchfühlung mit der Bevölkerung geraten: „Sie werden zum Termin hin- und danach wieder weggeführt, Gespräche mit den Bürger finden fast nicht statt.“ So kommt es, dass am Volk vorbeiregiert wird. Aber auch an den Kommunen.
Gerade das Bürgermeisteramt ist dieser Tage alles andere als ein bequemer Posten. Davon erzählen viele Bürgermeisterinnen aus Bayern. Die Haushaltslage ist schwierig. Die Entscheidungsfindung zum Teil sehr kompliziert. Für Brigitte Bachmann-Mühlinghaus liegt dies nicht zuletzt daran, dass Gemeinderäte immer noch sehr stark männlich dominiert sind.
Die Bürgermeisterin lässt durchblicken, dass sie in den letzten Jahren durch eine harte Schule gegangen ist. Immer wieder galt es, sich unter massiven Kämpfen mit einer einzigen weiteren Frau im Gemeinderat gegenüber den männlichen Kollegen durchzusetzen. Aktuell brennt der Sozialdemokratin das Thema „Kinderbetreuung“ unter den Nägeln. Jahrelang, erzählt sie, sei der Ausbau vernachlässigt worden: „Straßen sind bei uns das wichtigste.“
Mehr Protest
Brigitte Bachmann-Mühlinghaus würde sich eine bessere Vernetzung von Frauen und vor allem mehr Protest wünschen. „Ich sehe, wie es mit den Frauenrechten rückwärts geht“, sagt die gelernte Speditionskauffrau. Als Bürgermeisterin erlebt sie zudem, dass es immer noch massiv an Respekt gegenüber Politikerinnen mangelt. Wenig, meint sie frustriert, habe sich diesbezüglich geändert.
Okay, dann ist Feierabend! Das sagte sich Brigitte Bachmann-Mühlinghaus unlängst selbst. Sie, die seit 2014 Bürgermeisterin in Birgland ist, wird zur nächsten Kommunalwahl nicht mehr antreten: „Obwohl ich noch viele Ideen hätte.“ Doch der Frust ist zu groß. Es mache keinen Spaß mehr, ständig kämpfen zu müssen: „Und dennoch wird alles immer nur noch schlimmer.“
Es fehlt Geld für Kinderbetreuung. Es fehlt Geld für gute Pflegeangebote. Es fehlt Geld für dringend notwendige Sanierungen. Es fehlt vor Ort im Grunde Geld für alles. „Was die Kommunen anbelangt, ist es nicht mehr fünf Minuten vor zwölf Uhr, sondern eine Minute“, sagt Elke Homm-Vogel (FW), Bürgermeisterin und stv. Oberbürgermeisterin von Ansbach. Das tangiert die Menschen vor Ort. Das bringt sie auf: „Und bildet den Nährboden für eine Entwicklung, die wir alle nicht wollen und von der wir uns jahrzehntelang schützen konnten.“
Vieles geht nicht mehr
Dass der Bund ständig für Mehrkosten sorgt, sich aber unendlich Zeit lässt, bis das, was er refinanziert, zurück in die Kommunen fließt, bezeichnet sie vor diesem Hintergrund als „Unding“. Auch Elke Homm-Vogel attestiert der Bundespolitik ein „Abgehobensein“. Kommunalpolitikerinnen sei es gar nicht möglich, derart die Bodenhaftung zu verlieren: „Wir sind draußen, wir gehen einkaufen, wir werden angesprochen.“ Immer wieder müsse in solchen Gesprächen erklärt werden, warum etwas gerade nur so langsam vorangeht. Wenn überhaupt. Dass so vieles mangels Geld verzögert, erschwert oder verunmöglich wird, erlebt auch sie als frustrierend.
Vielleicht würde sich etwas ändern, wenn noch mehr Frauen in die Politik gehen würden, denkt die Ansbacherin. Frauen erlebt Elke Homm-Vogel tendenziell als pragmatischer. Sie sagten viel seltener als Männer: „Das geht nicht!“ Sie sähen Aufgaben: „Und nicht Probleme.“ Und packten an.
Männer, scheint es, wenngleich dies natürlich nicht verallgemeinert werden darf, juckt das Ansehen, das mit einem politischen Amt verknüpft ist. Juckt die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Auch scheinen Männer stärker dazu zu neigen, kompromisslos eigene Positionen durchzusetzen. Tendenziell mit weniger Bemühen, als dies bei Frauen zu beobachten ist, auch mal die andere Seite mit ihren Argumenten anzuhören.
Ob das am Naturell liegt? An der Sozialisierung? An männlichen Vorbildern? Darüber wird sich die Wissenschaft wahrscheinlich noch lange streiten. Fakt bleibt: Viele Kommunalpolitikerinnen sehen im Umgangsstil große Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Auch zum Beispiel Judith Roth-Jörg (CSU) aus Würzburg.
Massiv angefeindet
Wer ein wenig anders über das Weltgeschehen denkt, wer politisch eine etwas andere Position einnimmt, muss mit heftiger Gegenwehr bis hin zu massiven Anfeindungen rechnen, beobachtet Würzburgs dritte Bürgermeisterin. „Die Polarisierung und Instrumentalisierung der Bevölkerung machen mir große Sorgen“, sagt sie. Menschen, die politisch eine andere Meinung haben, würden beleidigt und teilweise hasserfüllt angebrüllt, erlebt sie: „Und ich sehe momentan nicht, wie diese aufgeheizte Situation wieder beruhigt werden kann.“ Wobei sich nicht nur Bürger bei politischen Debatten danebenbenehmen.
Auch, wie sich Politiker verhalten, zeugt nicht gerade von Vernunft, findet die Würzburger Bildungsreferentin und OB-Kandidatin: „Ich vermisse sachliche, konstruktive und faktenbasierte Diskussionen.“ Als Frau und Bürgermeisterin sei es ihr Ziel, Sachverhalte konstruktiv abzuarbeiten: „Und nicht in politische Scharmützel zu verfallen.“ So empfänden dies auch alle Kolleginnen ihrer Fraktion: „Alle arbeiten, haben Kinder und Familie und bringen sich dennoch ehrenamtlich ein, da nerven politische Spielchen, ideologische Debatten und epische Redebeiträge sehr.“
Nicht nur Bürger müssen derzeit oft jeden Cent umdrehen. Dass auch Gemeinden chronisch klamm sind, macht Maria Wirnitzer (SPD), zweite Bürgermeisterin von Vaterstetten, gerade sehr zu schaffen. Vaterstetten, sagt sie, würde gerne Wohnungen bauen: „Der Wohnungsbedarf im Speckgürtel von München ist immens, die Grundstückspreise sind exorbitant hoch.“ Wegen der Wohnungskrise könnten nicht genug Fachkräfte im Dienstleistungsbereich, im Handwerk und in den Pflegeberufen gewonnen werden. In Vaterstetten wiederum könnte man nur mit Unterstützung von Bund und Freistaat bauen. Doch statt Hilfe gebe es „Lippenbekenntnisse“.
Chronisch klamm
Die Situation in vielen Gemeinden ist nicht dazu angetan, die Bürgerschaft zu befriedigen. Dabei traten viele Frauen ihr Amt als Bürgermeisterin mit eben diesem Ziel an: Sie wollten das Gemeindeleben durch konkrete Projekte voranbringen, wollten dringende Wünsche von Bürgern erfüllen. Sie versprachen eine bessere Kinderbetreuung. Sie versprachen, Schulen zu sanieren.
Dass so wenig vorangeht, nachdem sie gewählt worden sind, liegt nicht daran, dass das, was sie versprochen hatten, für sie plötzlich nicht mehr von Interesse wäre. Der Mangel an Geld bremst ständig aus. „In unserer Gemeinde mit 25.000 Einwohnern fehlt zum Beispiel ein Bürgerhaus”, berichtet Maria Wirnitzer. Die Bücherei müsste dringend saniert oder besser neu gebaut werden. Ebenso verhält es sich mit dem Rathaus: „Beides ist in absehbarer Zeit nicht möglich.“
Elke Protzmann (FW), dritte Bürgermeisterin der Stadt Neustadt bei Coburg, weiß nur allzu gut, wovon ihre Kollegin aus Vaterstetten spricht. „Das Hauptproblem derzeit ist der Geldmangel”, sagt auch sie. Geld fehle für notwendige Investitionen: „Es fehlt sogar für den laufenden Betrieb.“ Dies liege daran, dass immer mehr Aufgaben auf Städte und Gemeinden abgewälzt würden: „Ohne finanziellen Ausgleich von Bund und Land.“ Durch steigende Personal- und Baukosten und allgemeine Erhöhungen stießen Haushaltsplanungen an ihre Grenzen. Zum Teil seien die Haushalte gar nicht mehr genehmigungsfähig. Wodurch die Gemeinde handlungsunfähig wird.
Noch lebenswerter
Elke Protzmann hat, wie viele ihrer Kolleginnen, ein großes Interesse an ihrem Amt, weil sie „ihre“ Stadt und gleichzeitig auch die Region lebenswert machen will. Seit 35 Jahren setzt sie sich dafür schon kommunalpolitisch ein. Zum Frauentag würde sie sich wünschen, dass sich mehr Frauen „an Entscheidungen in jeglichem gesellschaftlichen Bereich“ beteiligen. Die Beteiligungsquote liege nach wie vor nur bei 30 Prozent. Die Kommunalpolitik selbst, sagt sie, sehe sie aber weder aus männlicher noch aus weiblicher Sicht.
Kommunalpolitik sei ein Zusammenspiel von Alt und Jung und Mann und Frau und Menschen mit unterschiedlichsten Erfahrungen. Aus diesem Mix heraus könnten neue Ideen geboren werden. Durch ein gutes Miteinander könne es zu Veränderungen kommen.
Auch in Waldkraiburg im oberbayerischen Landkreis Mühldorf am Inn ist es inzwischen so, dass man sich nach der Decke strecken muss. Davon berichtet dritte Bürgermeisterin Karin Bressel (UWG): „Wie viele andere Kommunen auch, kämpfen wir mit steigenden Kosten und den Anforderungen der Regierung.” Elf Jahre ist es her, dass die Erzieherin in die Kommunalpolitik ging: „Ich hatte damals den Willen, unsere Stadt für unsere Bürgerinnen und Bürger noch attraktiver und lebenswerter zu machen.“ Den Wunsch und Willen hat sie immer noch. Doch: Es mangelt an Geld. Zum Beispiel, um das wegen veralteter Verrohrung seit 2023 geschlossene Waldbad zu sanieren.
Eigentlich ist ihr Heimatort sehr attraktiv. „Wir haben eine Schulschwimm- und eine Eishalle, Fußball- und Sportplätze, ein großes Kulturangebot mit einem ‚Haus der Kultur‘ und einem großen Saal für Theater und Konzerte, einer Bücherei und einem Haus für Vereine“, listet Karin Bressel auf. Außerdem gibt es acht Schulen. Das große Problem: „Viele unserer Liegenschaften sind zur gleichen Zeit gebaut worden und müssten der Reihe nach renoviert werden.“ Doch weil die Preise für Baumaterial derart gestiegen sind, sei das nicht so schnell möglich, wie es dringend nötig wäre.
Pat Christ
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