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(GZ-11-2017)
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► Bahnstrom-Kraftwerk Bertoldsheim:  
 
Freie Bahn für Huchen und Co
 

17 11 Freie Bahn

Offizielle Inbetriebnahme der Fischaufstiegsanlage Bertoldsheim (v. l.): Roman Töpler, Technikvorstand derDonau-Wasserkraft AG, Peter Fösel, kaufmännischer Vorstand der Donauwasserkraft AG, Reinhold Bittner, stv. Landrat Donau-Ries, Dr. Klaus Engels, Direktor Wasserkraft Deutschland der Uniper Kraftwerke GmbH und Mitglied des Vorstands der Rhein-Main-Donau AG, Ministerialdirektor Dr. Christian Barth, Amtschef des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, Georg Hirschbeck, ErsterBürgermeisterderMarktgemeinde Rennertshofen, Dr. Albrecht Schleich, Mitglied des Vorstands der Rhein-Main-Donau AG, Dr. Bernhard Gmehling, Oberbürgermeister der Stadt Neuburg an der Donau, Prof. Dr.-Ing. Albert Göttle, Präsident des Landesfischereiverbands Bayern und Alois Rauscher, stv. Landrat Neuburg-Schrobenhausen. Bild: Jan Kiver, RMD AG

Aufwändigste Fischaufstiegsanlage an der bayerischen Donau eingeweiht

Vor wenigen Wochen wurde die Fischaufstiegsanlage beim Bahnstrom-Kraftwerk Bertoldsheim der Donau-Wasserkraft AG (DWK) im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen nach der ökumenischen Weihe durch Pfarrer und Dekan Werner Dippel von der katholischen Pfarreien-Gemeinschaft Burgheim und Pfarrer Jürgen Bogenreuther von der evangelischen Christuskirche in Neuburg an der Donau ihrer Bestimmung übergeben. Sie ist mit knapp drei Millionen Euro Gesamtkosten die bisher aufwändigste technisch-natürliche Fischaufstiegsanlage im deutschen Abschnitt der Donau. 

Ministerialdirektor Dr. Christian Barth, Amtschef im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, nahm die hoch moderne Fischwanderhilfe, die seit Februar erfolgreich im Dauerprobetrieb arbeitet, mit tatkräftiger Unterstützung offiziell in Betrieb. Mit dem gemeinsamen Druck auf den blauen Knopf wurde symbolisch eines der sechs Absperrschütze, die den Wasserzulauf in die Fischaufstiegsanlage regulieren, geöffnet und der Fisch-Bypass um das Kraftwerk für die Donaufische freigegeben.

„Wir freuen uns, dass wir gemeinsam mit unserem Partner, Betriebsführer und Projektleiter Uniper Kraftwerke in nicht ganz 16- monatiger Bauzeit und nach intensiver Erprobung heute dieses ökologisch vorbildliche und anspruchsvolle Projekt offiziell abschließen können“, begrüßte Dr. Albrecht Schleich, Aufsichtsratsvorsitzender der Donau-Wasserkraft AG und Vorstandsmitglied der Rhein-Main-Donau AG, die zahlreichen Gäste aus Politik, Wirtschaft, Behörden, Vereinen und Medien.

„Dieses Öko-Projekt ist ein Musterbeispiel für die zeitgemäße Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie zur Herstellung eines guten ökologischen Zustands von Gewässern auf dem derzeit aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik.“, erläuterte Schleich und ergänzte: „Uns ist es ein zentrales Anliegen, Ökologie und Ökonomie bei der Nutzung der Wasserkraft in Einklang zu bringen. Mit dieser neu errichteten Fischaufstiegsanlage in Bertoldsheim ist das erneut gelungen.“

Schleich dankte allen Beteiligten für das gute Ergebnis und angesichts von rund 11.500 geleisteten Arbeitsstunden vor allem für die unfallfreie Durchführung des Projekts. Besonders hob er die Rolle der an dem Projekt beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, allen voran der Projektleiterin Uta Mentz von Uniper Kraftwerke, hervor. „Unser herzlicher Dank gilt auch den zuständigen Ämtern und Behörden sowie der Fischerei, den Grundeigentümern und allen anderen Partnern für die konstruktive Mithilfe und positive Begleitung. Nur so war es möglich, dieses Musterbeispiel für eine umweltverträgliche Nutzung der regenerativen Wasserkraft zu verwirklichen. Der letzte Durchgängigkeits-Baustein beim Kraftwerk Bittenbrunn bei Neuburg wird in Angriff genommen, sobald der Baufortschritt des Flutpolders Riedensheim es erlaubt. Dann ist die Bahnstrom-Kraftwerkskette der DWK komplett für Fische durchgängig“, so Schleich.

Der Amtschef im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Ministerialdirektor Dr. Christian Barth, hob in seiner Festansprache die Bedeutung der ökologischen Wasserkraftnutzung für den Freistaat Bayern hervor. „Die Wasserkraft ist ein wichtiger Baustein für eine klimaverträgliche Energieversorgung. „Bayern ist mit derzeit rund 11 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr Deutschlands Wasserkraftland Nummer Eins. Es ist es ein zentrales Anliegen der bayerischen Umweltpolitik, den Artenreichtum der heimischen Fauna und Flora in unseren bayerischen Gewässern zu erhalten und wo notwendig zu verbessern. Wir wollen eine optimale Verbindung von Gewässerökologie und modernen Energieanlagen. Fischaufstiegshilfen wie beispielsweise beim Bertoldsheimer Donaukraftwerk sind dabei ein wesentliches Element für einen besseren ökologischen Zustand der Flüsse. Sie tragen dazu bei, die vorhandenen Potenziale der klimafreundlichen Wasserkraft möglichst ökologisch zu nutzen.“

Professor Dr.-Ing. Albert Göttle, Präsident des Bayerischen Landesfischereiverbandes, betonte in seinem Grußwort die Wichtigkeit, gemeinsame Lösungen für Fischerei und Energiewirtschaft zu suchen und zu finden: „Wir freuen uns, dass das gemeinsame Arbeiten für eine verbesserte Durchgängigkeit zunehmend konkrete Ergebnisse bringt. Hier an der Donau haben wir mit Ingolstadt und jetzt Bertoldsheim gute Beispiele für Fischaufstiegsanlagen, bei der die Kombination von Natur und Technik besonders schön gelungen ist.

Die Anlagen ermöglichen den Fischen nicht nur, stromauf zu wandern. Sie finden dabei in den neuen, ober- und unterwasserseitig angelegten Verbindungsgewässern an das bestehende UmgehungsFischgewässer hochattraktive, zusätzliche Lebensräume vor, die in der Donau sonst infolge vielfacher menschlicher Nutzungen und Einflüsse fehlen. So ist es den Fischen jetzt möglich, vom über sieben Meter tiefer gelegenen Unterwasser in den Staubereich von Bertoldsheim zu gelangen. Gleichwohl bleibt zu hoffen, dass wir in der Zukunft gemeinsam genauso überzeugende Lösungen für einen gefahrlosen Fischabstieg finden und realisieren können“, so Professor Göttle abschließend.

Alois Rauscher, stv. Landrat des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen, beglückwünschte die Donau-Wasserkraft AG, deren Muttergesellschaften Rhein-Main-Donau AG und Uniper sowie die weiteren Beteiligten zu dem gelungenen Ökologie-Projekt: „Naturschutz, Ökologie und die Renaturierung wertvoller Areale werden im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen sehr ernst genommen. Ich freue mich daher, dass wir in unserem Landkreis, der immerhin drei der fünf DWK-Bahnstrom-Wasserkraftwerke (Bergheim, Bittenbrunn, Bertoldsheim) beherbergt, so erfolgreich an der Durchgängigkeit unserer Donau arbeiten. Solche Projekte, wie die Fischaufstiegsanlage Bertoldsheim, tragen wesentlich dazu bei, die Akzeptanz der Wasserkraft im Spannungsfeld zwischen den Interessen der regionalen Fischerei, der Energiewendepolitik und der Energiewirtschaft zu erhöhen und einen Konsens zu finden.“

Georg Hirschbeck, Erster Bürgermeister der Marktgemeinde Rennertshofen, schloss sich den Glückwünschen zur erfolgreichen Projektumsetzung an und betonte: „Wir sind froh, in unserem Gemeindegebiet, das in einem so wichtigen und sensiblen Flussgebiet, wie es die Donau darstellt, liegt, eine neue Attraktion erhalten zu haben. Hier können sowohl unsere Bürgerinnen und Bürger, aber auch die zahlreichen touristischen Gäste, die unsere Region besuchen, dank der gut einsehbaren Bauweise der Fischaufstiegsanlage die gelungene Kombination aus Technik und Natur „hautnah“ erleben. Einen wichtigen Beitrag dazu leisten sicher auch die beiden neuen, großen Informationstafeln direkt hier am technischen Bauwerk der Fischaufstiegsanlage, die heute quasi Premiere haben und für die ich mich ausdrücklich bei Uniper und RMD bedanken darf. Wir wünschen uns, dass die Fische und Wasserlebewesen den neu geschaffenen, über einen Kilometer langen Lebensraum aus Raugerinnen und ökologisch wertvollem Umgehungsgewässer zahlreich annehmen. Ich wünsche der Anlage störungsfreien Betrieb und freue mich über den gelungenen Beitrag zur ökologischen Aufwertung unserer Donau-Auen.“

„Mit der Bertoldsheimer Fischaufstiegsanlage leisten wir einen weiteren wichtigen Umweltbeitrag, von dem Menschen und Fische bzw. Wasserlebewesen profitieren,“ freute sich Dr. Klaus Engels, Direktor Wasserkraft Deutschland der Uniper Kraftwerke GmbH und Mitglied des Vorstands der RMD AG, und erläuterte: „Mit der Einweihung der Anlage dokumentieren wir einmal mehr unsere Verantwortung für die Umwelt als großer Wasserkraftbetreiber in Bayern und unseren Beitrag für eine ökologische Durchgängigkeitsverbesserung an unseren rund 100 Kraftwerksstandorten in Bayern.“

Engels machte deutlich, dass das Thema Durchgängigkeit auch unter Wirtschaftlichkeitsaspekten eine langfristige Aufgabe ist: „Wegen der Vielzahl der Anlagen ist die ökologische Verbesserung der Wasserkraftwerke eine ambitionierte Aufgabe, für die wir insgesamt einen knapp dreistelligen Millionenbetrag eingeplant haben. Solche Summen sind für uns eine große Herausforderung, denn sie müssen bei aller Notwendigkeit für eine zeitgemäße Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zur Herstellung eines guten ökologischen Zustands von Gewässern natürlich auch erst mal erwirtschaftet werden, was sich angesichts der angespannten Marktbedingungen als immer schwieriger darstellt.“

Ökonomie und Ökologie Hand in Hand

Engels betonte: „An unseren Kraftwerken gehen Stromerzeugung aus Wasserkraft, Gewässer- ökologie und Fischschutz grundsätzlich Hand in Hand. Für unsere Kraftwerke sieht der gemeinsame Plan der Wasserwirtschaftsämter und unseres Hauses die Errichtung von Fischaufstiegsanlagen in den nächsten drei Jahren an der Donau und in den nächsten fünf bis zehn Jahren an den anderen Flüssen vor. Das Thema biologische Durchgängigkeit kümmert sich nicht um Zuständigkeitsbereiche. Deswegen sind wir froh, mit den Wasserwirtschaftsämtern und den Bezirksgliederungen des Landesfischereiverbandes vertrauensvoll und lö- sungsorientiert zusammenzuarbeiten. Ich darf an dieser Stelle allen am Projekt Bertoldsheim Beteiligten in den zuständigen Ämtern und Behörden für die Unterstützung sowie der Fischerei und den Grundbesitzern für die partnerschaftliche Zusammenarbeit sehr herzlich danken; ohne sie wäre der Zeitplan nicht zu halten gewesen. Für das gelungene Werk und dessen unfallfreie Durchführung gilt mein Dank auch insbesondere unserer Projektleiterin Uta Mentz sowie den bauausführenden Firmen Mayerhofer Hoch-, Tief- und Ingenieurbau GmbH und Hagn Umwelttechnik GmbH sowie den Planungsbüros WipflerPLAN Planungsgesellschaft mbH und RMD Consult GmbH.“

Ende Oktober 2015 begann der knapp drei Millionen Euro teure Bau zur insgesamt 1.150 Meter langen Fischumgehung am linken (nördlichen) Flussufer um das Bahnstrom-Kraftwerk Bertoldsheim an der Donau, die eine Gesamthöhendifferenz von bis zu 7,2 Meter überwinden muss. Die Herausforderung war, ein bestehendes wertvolles Fischgewässer im Umlauf um das Kraftwerk so an die Donau unterhalb und oberhalb des Kraftwerks Bertoldsheim anzubinden, dass ein funktionierendes Fischaufstiegssystem unter Einbindung des bestehenden Fischgewässers entsteht, ohne dieses in seiner bisherigen Funktion zu beeinträchtigen.

Dazu wurde das Projekt in fünf unterschiedlich gestaltete Bauabschnitte gegliedert: Neubau von zwei Raugerinnen, einer künstlichen Insel sowie einem aufwändigen Ausstiegsbauwerk, einem „Vertical Slot“-Fischpass, und Anbindung der Raugerinne an das bestehende Fischgewässer, das mit 700 Meter den längsten Abschnitt des gesamten Umgehungssystems darstellt.

Die wanderwilligen Fische finden in den beiden Raugerinnen ebenso wie in dem technischen Teil einen optimal gleichmäßigen Anstieg von rund 10 cm pro Becken vor. In dem bestehenden Fischgewässer ist es für die wanderwilligen Fische sehr kommod, da auf 700 Meter nur eine Höhendifferenz von 60 cm überwunden werden muss.

Damit die Fische den Abzweig aus der Donau unterhalb des Kraftwerks leichter finden, wurde zur Erzeugung der entsprechenden Lockströmung der flussabwärts gelegene Einstieg in Absprache mit Fischereisachverständigen aufwändig neu gestaltet. Wasserbausteine und eine neue künstliche kleine Insel sorgen vor dem fischfreundlich gestalteten Einstieg in das 120 Meter lange, unterwasserseitige Raugerinne für die unverzichtbare Lockströmung. Über 20 versetzte, naturnah gestaltete Beckenstrukturen mit durchbrochenen Querriegeln überwinden die Fische eine Höhendifferenz von 1,80 Meter.

Um den Weg aus dem bestehenden Fischgewässer in das oberwasserseitige Raugerinne zu finden, wurde der Bereich strö- mungstechnisch mit Wasserbausteinen optimiert. Der Weg in den Stauraum oberhalb des Kraftwerks führt über ein 210 Meter langes mäanderförmig angelegtes Raugerinne mit 39 versetzten, naturnah gestalteten Beckenstrukturen, über die 3,20 Meter Höhendifferenz überwunden werden können.

Eine besondere Herausforderung war das aufwändige technische Ausstiegsbauwerk und dessen Anbindung über ein Trogbauwerk durch den bestehenden Stauhaltungsdamm. Dieser „Vertical Slot“-Fischpass aus 21 versetzten Betonelementen ist technisch so ausgerüstet, dass trotz der mehrmals am Tag schwankenden Pegelstände im Stauraum immer die optimalen Wasserverhältnisse für die wandernden Fische in der Fischwanderhilfe bereitgestellt werden. Dazu erhielt der aus Beton modellierte Schlitzpass sechs regelbare Einlaufschütze, die voll automatisch sicherstellen, dass die Fischaufstiegsanlage immer mit einer Wassermenge von durchschnittlich 500 Liter pro Sekunde (3,3 Badewannenfüllungen pro Sekunde) versorgt wird, damit die Fische, ob Barbe, Äsche, Huchen, Nase oder Gründling, problemlos den Aufstieg gegen die Strömung durchwandern können. Diese Wassermenge, die dem bestehenden Fischgewässer zugeführt wird, wird daher auch beim Abzweig des unterwasserseitigen Raugerinnes aus dem Parallelgewässer wieder entnommen.

Konzeption und Bau der Fischaufstiegsanlage um das Bahnstromkraftwerk Bertoldsheim wurden von der RMD Consult GmbH geplant, die auch die Bauoberleitung verantwortete.

RED

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