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(GZ-6-2018) 
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► Bilanzpressekonferenz der Volks- und Raiffeisenbanken:

 

Vorstandsvorsitzender Gros hadert mit EZB-Politik

Trotz des „anhaltend herausfordernden Niedrigzinsumfeldes“ haben Bayerns Volks- und Raiffeisenbanken im Berichtsjahr 2017 „sehr ordentlich“ abgeschnitten und sogar ihr (addiertes) Ergebnis vor Steuern noch um 1,5 % auf 1,481 Mrd. Euro gesteigert. Doch bevor Jürgen Gros, Vorstandsvorsitzender des Genossenschaftsverbands Bayern das durchaus erfreuliche Ergebnis im Einzelnen in der Bilanzpressekonferenz erläuterte, nahm er die Gelegenheit wahr, heftige Kritik am Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) zu üben.

In Anlehnung an einen Wutausbruch des ehemaligen FC Bayern-Trainers Giovanni Trapattoni fragte Gros ironisch: „Was erlauben Draghi, dass er sich bezüglich der europäischen Bankenunion und der europäischen Einlagensicherung in die Politik einmischt? Woher nimmt er das Mandat dazu?“ Aufgabe der EZB sei einzig und allein, die Preisstabilität im Euroraum und die Kaufkraft der Gemeinschaftswährung zu erhalten. Habe Draghi noch den Blick für die Realität?

Den Forderungen nach einem europäischen System zur Sicherung von Spareinlagen (EDIS), also praktisch einer Transferunion, erteilte Gros eine klare Absage. Ein gemeinschaftliches Haftungssystem wäre nichts anderes als das Abwälzen hausgemachter Probleme mancher europäischer Nachbarn auf Banken und Sparer in Deutschland. Statt über das Teilen von Haftungsrisiken nachzudenken, müsse vor allem darüber geredet werden, wie der hohe Anteil ausfallgefährdeter Kredite in Südeuropa nachhaltig gesenkt werden könne, forderte Gros.

Notleidende Kredite in der Eurozone

In der Eurozone gebe es derzeit einen Bestand an ausfallgefährdeten Krediten von rund 950 Mrd. Euro, die aber höchst ungleich verteilt seien. Während in Südeuropa viele Banken mit zweistelligen Ausfallquoten kämpften, liege der Anteil notleidender Darlehen in Deutschland unterdurchschnittlich bei 2%. Vor der Finanzkrise habe die Quote notleidender Kredite im gesamten Euroraum 2,8 % betragen, heute seien es 4,6 %, aber in Großbritannien, Japan und den USA nur 1 %. Und diese Marke von 1 % müsse auch in der Währungsunion erreicht werden.

Von den faulen Krediten in der Eurozone entfällt z.B. auf Griechenland fast die Hälfte, auf Portugal mehr als 15 %, auf Italien über 10 % und auf Deutschland etwa 2 %. Ursache für die Unterschiede sei zwar zum Teil die uneinheitliche Konjunkturentwicklung in den Ländern, zum anderen Teil spielten aber auch strukturelle Faktoren eine Rolle.

Gros präsentierte einen Sieben-Punkte-Plan, in dem der GVB Maßnahmen für mehr Risikoabbau und Stabilität in Europa definiert. 1. müssten die Altlasten auf einen Wert von 1 % abgebaut werden, 2. müssten nationale Proble- me auf nationaler Ebene bewältigt werden und dürften nicht in einer EU-Abwicklungsbank vergemeinschaftet werden, 3. müssten Bankgläubiger konsequent an der Sanierung und Abwicklung notleidender Banken beteiligt werden, 4. müsse die Bankenaufsicht der EZB den Abbau notleidender Kredite zielge- richtet vorantreiben und dürfe keinem politischen Druck zur Aufweichung nachgeben, 5. müssten das Insolvenzrecht der Eurostaaten ohne Abstriche beim Gläubigerschutz harmonisiert und die Leistungsfä- higkeit der Justiz gestärkt werden, 6. müssten Strukturreformen mit finanziellen Anreizen ohne Ausweitung des EU-Budgets umgesetzt werden, um das Wachstum zu beleben, und 7. müssten die Staatsfinanzierung angemessen reguliert und die Bevorzugung europäischer Staatsanleihen beseitig werden.

Zurück zur Bilanz der bayerischen Genossenschaftsbanken, die 2017 ihre addierte Bilanzsumme um 4,3 % auf 160,1 Mrd. € gesteigert haben. Dazu trugen Kredite über 96,5 Mrd. Euro (+ 5,8 %) bei, wobei je knapp die Hälfte auf Privatkunden (+ 7,4 %) und Firmenkunden (+ 4,4 %) entfielen. Im Privatkundengeschäft beträgt der Marktanteil in Bayern nahezu 25 %, im Firmenkundengeschäft nach einer Steigerung um fast ein Fünftel 20 % „dank einer intensiveren Marktbearbeitung“. Die Firmenkunden finden sich vor allem im Dienstleistungsbereich, im verarbeitenden Gewerbe und in der Baubranche.

Als „verlässliche Refinanzierungsbasis“ verstehen die Genossenschaftsbanken die Einlagen ihrer Kunden, die um 3,5 % auf 124,1 Mrd. Euro und damit etwas gerin- ger als im Jahr zuvor zulegten. Ein Viertel entfiel auf die Privatkunden, was in diesem Sektor einem Marktanteil von 26,7 % entspricht, gut zwei Drittel auf Firmenkunden, was einen Marktanteil von 13,1 % ausmacht. 8 % stammen von sonstigen Einlegern. Über den etwas geringeren Zufluss an Kundengeldern, besonders aus dem Firmenbereich, sind die Genossenschaftsbanken nicht traurig, weil ein Mehr über die Einlage bei der EZB nur zu Negativzinsen führen würde. Schon im Berichtsjahr, so viel wur- de auf Anfrage mitgeteilt, haben die Genossenschaftsbanken Negativzinsen „im zweistelligen Millionenbereich“ zahlen müssen.

Wachstumskurs

Seit dem Jahr 2000 befinden sich Bayerns Volks- und Raiffeisenbanken auf einem Wachstumskurs mit einer im jährlichen Durchschnitt um 2,9 % gestiegenen Bilanzsumme. Nimmt man fürs Berichtsjahr die außerbilanziellen Kredite von 16,1 Mrd. Euro (+ 6,1 %) und die außerbilanziellen Einlagen von 78,4 Mrd. Euro (+5,4 %) zu den erwähnten Werten hinzu, zeigt sich noch besser die Dynamik der Entwicklung mit einem betreuten Kundenvolumen bei den Krediten von 112,6 Mrd. Euro und den betreuten Kundengeldern von 202,5 Mrd. Euro.

Zum außerbilanziellen Geschäft haben im Kreditbereich vor allem Baufinanzierungen beigetragen, die an Partnerunternehmen im Genossenschaftsverbund weitergereicht wurden. Auf der Einlagenseite haben der Verkauf von Wertpapieren und die Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen außerbilanziell zu Buche geschlagen.

Auf der Ertragsseite hat der Zinsüberschuss, traditionell der wichtigste Ertragsbringer, wegen der Niedrigzins-Politik der EZB um 2,3 % bzw. 70 Mio. Euro auf 3,013 Mrd. Euro nachgegeben. Dass er nicht noch mehr zurückging, sei dem ausgeweiteten Kredit- und Vermittlungsgeschäft zu danken, sagte Gros. Das Minus konnte durch das Provisionsergebnis, das um 8,1 % oder 77 Mio. Euro auf 1,030 Mrd. Euro zulegte, ausgeglichen werden.

Wesentlich zum sehr ordentlichen Ergebnis vor Steuern von 1,48 (1,46) Mrd. Euro haben aber auch die Maßnahmen zur Kostensenkung beigetragen, so durch den Personalabbau auf 31 763 (32 953) Mitarbeiter, durch 16 Bankenfusi- onen auf jetzt noch 244 (260) Ge- nossenschaftsbanken in Bayern (mit 2.382 besetzten Geschäftstellen), durch die Einsparung bei den Betriebskosten um 30 Mio. Euro, aber auch durch eine sehr geringe Risiko-Belastung aus dem Bewertungsergebnis bei Forderungen von unverändert 0,02 % der durchschnittlichen Bilanzsumme und 0,04 % bei Wertpapieren. Alles in allem zeigt sich der Kosten-Senkungserfolg in einem sehr günstigen Verhältnis von Aufwand zu Ertrag (Cost-Income-Ratio = CIR) von 64,1 (64,7) %. Da die Genossenschaftsbanken etwa 400 Mio. Euro Steuern im Berichtjahr zahlen mussten, ergibt sich ein fast unveränderter addierter Jahresüberschuss von gut 1 Mrd. Euro, der ganz überwiegend zur Stärkung des Eigenkapitals dient.

Für das laufende Jahr ist man beim Genossenschaftsverband Bayern zuversichtlich. Das Provisionsergebnis werde stabil bleiben und bei der Zinsspanne zeichne sich ein leichter Konsolidierungseffekt ab. Die Kostenstruktur soll weiterhin verbessert, die Kosten also gesenkt werden. So werde das Ergebnis allenfalls leicht zurückgehen. Gegensteuern wollen die Volks- und Raiffeisenbanken – wie schon im vorigen Jahr – durch eine Volumenausweitung des Kredit- und Provisionsgeschäftes. Die beabsichtigte Entwicklung soll befördert werden durch Investitionen von 230 Mio. Euro, von denen etwa 100 Mio. Euro in die Weiterentwicklung digitaler und traditioneller Vertriebskanäle fließen sollen. Ein wichtiger Aspekt sei auch die Weiterbildung der Mitarbeiter, stellte der GVB-Chef fest. 

dhg

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