Das Ehrenamt muss sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen und veränderten Lebenswelten auseinandersetzen, um weiterhin seine so wichtige Rolle für den gesellschaftlichen Zusammenhalt auszuführen, unterstrich Wolfgang Reif, Vorstandsvorsitzender der Versicherungskammer Stiftung, während eines Begrüßungsgesprächs mit Dr. Frank Walthes, Vorstandsvorsitzender des Konzerns Versicherungskammer und Dr. Markus Gruber, Ministerialdirektor im Bayerischen Sozialministerium.
Wichtige Handlungsfelder im Ehrenamt wurden in vier Diskussionsforen „Ehrenamt 4.0“, „Frauen in den Vorstand!“, „Migranten in Blaulichtorganisationen“ und „Ehrenamt barrierefrei“ intensiver beleuchtet. Wie im Forum „Ehrenamt 4.0“ deutlich wurde, eröffnet die Digitalisierung neue Wege für Kommunikation und Zusammenarbeit; gleichzeitig verändert sie das Innnenleben von Vereinen.
Digitale Transformation
Laut Forschungskoordinator Hendrik Epe von der Katholischen Hochschule Freiburg lässt sich digitale Transformation als relevante Unterstützung der Arbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Engagierten nutzen. Digitales Engagement sei eine wichtige und effektive Ressource der Zivilgesellschaft, die mitgestaltet werden muss. Digitalisierung könne die Zivilgesellschaft durch ihre zahlreichen Möglichkeiten stärken, wie z.B. durch stärkere Vernetzung, höhere Sichtbarkeit und vielfältigere Angebote. Dies beschränke sich bei weitem nicht nur auf Soziale Medien. Um diese Möglichkeiten zu nutzen, seien eine fundierte Digitalstrategie sowie Maßnahmen der Entwicklung der Organisationen nötig, die den Bedürfnissen, Zielen und Ressourcen der jeweiligen Institution und ihren haupt- und ehrenamtlichen Engagierten Rechnung trägt.
Frauen in den Vorstand!
Wie Dr. sc. Eckhard Priller vom Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft im Forum „Frauen in den Vorstand!“ erläuterte, sind diese in Führungspositionen immer noch unterrepräsentiert, obwohl sie eine wichtige Ressource für die Besetzung ehrenamtlicher Funktionen darstellten. Um eine Geschlechterparität herzustellen, müsse zunächst Transparenz geschaffen werden - es gelte, Perspektiven und Berechenbarkeit zu bieten. Außerdem seien die spezifische Motivation zu beachten, entsprechende Anreize zu schaffen und individuelle Zeitstrukturen zu berücksichtigen. Neben einer direkten und persönlichen Ansprache müssten Frauen durch Netzwerke, Qualifikation, Mentoring und Coaching gestärkt werden. Bereits bei der Nachwuchsförderung müsse damit begonnen werden, Frauen an ehrenamtliche Positionen heranzuführen.
Wichtig ist gezielte Förderung
Claudia Scheerer, Leiterin Unternehmenskommunikation der VKB und engagiert in der Diversity-Initiative, sieht große Gemeinsamkeiten zwischen der freien Wirtschaft und Non-Profit-Organisationen bei der Gewinnung von Frauen für die obere Führungsebene. Mut machen gehöre dazu, aber es gelte auch, die unterschiedlichen Motive von Frauen wie stärkere Sachorientierung und weniger Machtstreben zu berücksichtigen sowie das Augenmerk auf persönliche Ansprache und gezielte Förderung zu richten.
Im Forum „Migranten in Blaulichtorganisationen“ wies Susanne Huth, INBAS-Sozialforschung GmbH, darauf hin, dass sich Zugänge zum Engagement vor allem durch aufsuchende, persönliche Ansprache und durch Multiplikatoren der eigenen ethnischen Community, beispielsweise aus Migrantenorganisationen oder Ausländervertretungen in den Kommunen, eröffneten. Hilfreich seien zudem Stadtteil- und Lebensweltorientierung.
Insgesamt müsse die Förderung des Engagements von Menschen mit Migrationshintergrund und eines interkulturellen Miteinanders auf der individuellen Ebene (Schaffung von Zugängen und Beteiligungsmöglichkeiten durch Ansprache, Gewinnung, Bindung und Anerkennung), der strukturellen Ebene (Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen in Migrantenorganisationen und Interkulturelle Öffnung traditioneller Engagementstrukturen) sowie der Vernetzungsebene (Kooperation und Vernetzung von Migrantenorganisationen und traditionellen Engagementstrukturen) ansetzen.
Blaulichtengagement
Wie in der Diskussion mit dem Publikum deutlich wurde, können Jugendfeuerwehren als Einstieg dienen. Die lokale Engagementförderung sollte die Bedeutung des Blaulichtengagements für den Heimatort vermitteln. Beispielhaft wurde auf das schulische Wahlpflichtfach Feuerwehr in RheinlandPfalz verwiesen.
Fazit: Für Blaulichtorganisationen stellt das Heranführen neuer Ehrenamtlicher eine Anstrengung dar, die Ausbildung ist aufwändig und teuer. Der Ressourceneinsatz dafür aber lohnt sich und ist ein Gewinn – nicht nur für die Organisationen, sondern auch für den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Inklusion muss gelebt werden, damit sie stattfindet. Eine inklusive Gesellschaft bedeutet Kontakte und auch Auseinandersetzungen zwischen Menschen. Mit dieser grundsätzlichen Haltung der Beteiligten startete das Diskussionsforum „Ehrenamt barrierefrei“, durch das Henning Baden von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen e.V. (bagfa) in Berlin führte und dabei Unterstützung aus der Praxis von Bettina Wirth und Martin Falger vom BRK Kreisverband Würzburg erhielt.
Motor für Inklusionsprozesse
Unter Inklusion ist Teil-Habe, Teil-Sein und Teil-Gabe zu verstehen. Menschen mit Behinderung wollen nicht nur Empfänger von ehrenamtlichem Engagement anderer sein, sie wollen und können hier selber eine aktive Rolle übernehmen. Das freiwillige Engagement, so die These von Henning Baden, tut der Inklusion gut. Es könne gelingende inklusive Prozesse dokumentieren und so auch eine gewisse Leichtigkeit in eine oft verkopfte, problembeladene Debatte bringen. Freiwilliges Engagement könne ein Motor für Inklusionsprozesse sein.
Passend zum Jahresthema und dem Titel der Veranstaltung wurde im Rahmen des Kongresses der Ehrenamtspreis 2018 überreicht. Unter dem Motto „Mia san digital – Ehrenamt 4.0“ bewarben sich über 50 Projekte, die die (Zusammen-)Arbeit und Vernetzung im Ehrenamt durch digitale Lösungen verbessern.
In der Kategorie „Wir gestalten!“ ging die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung an die Freiwilligen-Agentur Tatendrang München für ihr Projekt „Whats to do?“ – Freiwilliges Engagement für Kurzentschlossene über WhatsApp.
Ehrenamtspreis 2018
Mit „What’s to do?“ wird Interessierten die Möglichkeit geboten, sich spontan und flexibel ehrenamtlich zu engagieren. Seit November 2016 können sich Interessierte für eine Whats-App-Gruppe registrieren lassen, die Angebote zu spontanem ehrenamtlichen Engagement bietet. Jede Woche werden ein bis zwei Nachrichten an die mittlerweile rund 730 freiwilligen Helfer verschickt. Dabei wird bewusst in Zusammenarbeit mit rund 30 Partnern auf eine breite Vielfalt von Einsatzbereichen und unterschiedlichen Tätigkeiten geachtet.
Um die Rahmenbedingungen für die Ehrenamtlichen und die beteiligten Einrichtungen zu klären und eine Verbindlichkeit herzustellen, waren alle Personen, die in der WhatsApp-Gruppe registriert sind, vorher bei einer persönlichen Beratung bei der Freiwilligen-Agentur. Durch diese zeitgemäße digitale Form der Kommunikation hat Tatendrang einen niedrigschwelligen Zugang zu bürgerschaftlichem Engagement geschaffen, sodass jeder sich spontan, gemäß seiner individuellen Situation und Interessen, engagieren kann.
Preis für Notfallseelsorge Augsburg
In der Kategorie „Wir starten durch!“ wurde das Projekt „App NFS Landkarte – Digitale Unterstützung unserer Ehrenamtlichen im Einsatz“ der Notfallseelsorge des Bistums Augsburg mit 2.000 Euro prämiert. Zusätzlich erhält die Notfallseelsorge Unterstützung in Form eines Coachings zur Weiterentwicklung der App.
Die Notfallseelsorge des Bistums Augsburg widmet sich der akuten psychosozialen Notfallversorgung von Menschen nach dramatischen Ereignissen. Fast ausschließlich ehrenamtlich tätig, waren allein im Jahr 2017 ca. 200 Mitarbeiter über 1.200 Mal im Einsatz. Mit einer eigenen App will die Notfallseelsorge des Bistums Augsburg seine Ehrenamtlichen im Einsatz digital unterstützen. Sie kann kostenfrei von jedem im Appleund GooglePlay-Store heruntergeladen werden. Durch die Aufteilung in zwei Ebenen sind sensitive Daten per individuellem Login der Einsatzkräfte geschützt.
Die erste, öffentlich zugängliche Ebene der App zeigt in Form einer Landkarte u.a. ortsbezogene Informationen zu Verwaltungsgrenzen und Kontaktdaten von Organisationen im Bereich der psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) an. Die zweite Ebene, die passwortgeschützt und verschlüsselt ist, wird von den Einsatzkräften selbst genutzt und soll die Vernetzung und den schnelleren Zugriff auf Informationen während eines Einsatzes ermöglichen, darunter fallen z.B. Kontaktdaten aller Mitarbeiter der Notfallseelsorge, Routen und Einsatzmappen.
Weitere Funktionen geplant
In Zukunft sind weitere Funktionen für die App geplant, wie beispielsweise ein Messenger, um eine noch schnellere Kommunikation und Unterstützung während des Einsatzes zu ermöglichen. Langfristiges Ziel der App ist es auch andere Notfallseelsorge-Teams der Bayerischen Bistümer einzubeziehen, insbesondere für bistumsübergreifende Einsätze bei Großschadenslagen. Darüber hinaus sollen weitere Informationsschnittstellen zu anderen Institutionen wie Klinik- Polizei-, Rettungsdienst- und KIT-Einrichtungen angezeigt und aufgebaut werden.
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