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(GZ-23-2018)
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► bvse-Jahrestagung in Baden-Baden:

 

Branche im Umbruch  

 

Rekommunalisierung und kein Ende. Wie auf der diesjährigen Mitgliederversammlung des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung in Baden-Baden verlautete, hat sich die Situation des Mittelstandes im Wettbewerb gegenüber den Entsorgungskonzernen und den kommunalen Unternehmen nicht entspannt. Remondis, so der wiedergewählte Präsident Bernhard Reiling, sei weiter auf Einkaufskurs.

Aber auch innerhalb der Branche sei längst nicht alles rund gelaufen, hob Reiling hervor. Die Pleite der ELS und die damit verbundenen Schäden in Millionenhöhe hätten gezeigt, wie anfällig die dualen Systeme sind. „Wir brauchen als Auftragnehmer der dualen Systeme Sicherheiten. Das fordern wir gemeinsam mit anderen Verbänden ein. Es ist jetzt an der Zeit, dass ein Sicherheitsnetz eingezogen wird!“, machte der Präsident deutlich. Die Übernahme der DSD GmbH durch Remondis oder die Übernahme von Tönsmeier durch die Schwarz/Lidl-Gruppe zeige, dass die Branche im Umbruch ist. Deren mittelständisch geprägte Marktstruktur sei in Gefahr. Reiling mahnte deshalb eine Politik für den Mittelstand an: „Wir brauchen aber Taten und nicht nur gute Worte, sonst geht der Ausverkauf weiter.“

Bagatellgrenze absenken

Konkret begrüßte er zwar die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes, forderte aber, dass die Bagatellgrenze von 15 Millionen Euro auf höchstens fünf Millionen Euro abgesenkt werden müsse. Zudem müsse die Möglichkeit der kommunalen Inhouse-Vergabe deutlich eingeschränkt werden.

Mit der Entwicklung des bvse zeigte sich Reiling sehr zufrieden. Der Verband habe in den vergangenen zwölf Monaten seinen Kurs erfolgreich beibehalten. Dies zeige unter anderem der nach wie vor festzustellende Mitgliederzuwachs. Betrachte man die Branchenentwicklung, sei dies alles andere als ein Selbstläufer.

„Aus Mist kann man kein Gold machen“, stellte der Vorsitzende des bvse-Fachverbands Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling, Bernhard Jehle, auf der bvse-Jahrestagung fest. Eindrücklich wies er darauf hin, dass die im ElektroG festgelegten Sammelziele nur dann erreicht werden können, wenn gesetzliche Rahmenbedingungen mit neuem Blickwinkel durchdacht und vor allem vollzogen werden.

Ambitionierte Mengen

„Selbst nach knapp 13 Jahren ElektroG verharren die erreichten Sammelziele auf einem gleichbleibenden Niveau. Ab 2019 müssen 65 Prozent der im Durchschnitt in den zurückliegenden drei Jahren verkauften Neugeräte gesammelt werden. Wenn diese ambitionierten Mengen noch erreicht werden sollen, muss vor allem der Vollzug greifen“, erklärte Jehle.

Kritik äußerte der Fachverbands- chef in Bezug auf die einseitig auf Behandlungsanlagen konzentrierten Ausweitungen von gesetzlichen Auflagen und Ansprüchen in der geplanten Behandlungsverordnung. Die Konzeption zu dem Regelwerk, das in einem konstruktiven qualifizierten fachlichen Austausch zwischen Umweltbundesamt und den betroffenen Akteuren der Recyclingbranche über drei Jahre hinweg entstand, berücksichtige bereits viele praktische Aspekte, greife jedoch in seinem ausschließlichen Blick auf die Behandlungsanlagen noch zu kurz.

„Die Form der Erfassung bei der Annahme auf Wertstoffhöfen spielt eine wesentliche Rolle bei der Wertstoffgewinnung und sicheren Schadstoffentfrachtung und gehört ebenfalls in den Fokus. Unzulängliche Separierung von Batterien und Akkus verlagern Risiken im Umgang mit batteriebetriebenen Altgeräten auf Erstbehandlungsanlagen. Zertrümmerte Geräte in Containern machen den weiteren Recyclingprozess schwierig bis unmöglich. Einseitige Auflagen an Behandlungsanlagen sind zu kurz gedacht“, betonte Jehle.

Aus seiner Sicht muss der Gesetzgeber kommunale Gebietskörperschaften und produktverantwortliche Hersteller mehr in die Pflicht nehmen. Um weiteres Potenzial zu heben, sei keine grundlegende Änderung des Systems ElektroG notwendig, sondern vor allem eine Schnittstellenverbesserung und ein Umdenken zu einem gemeinsamen Recyclingverständnis aller beteiligten Akteure. Anstatt weiterhin von einer „geteilten Produktverantwortung“ zu sprechen, die bedeutet, dass die Kommunen sammeln und ab der kommunalen Sammelstelle die Herstellerverantwortung greift, müssten die Beteiligten vielmehr von einer gemeinsamen Produktverantwortung mit unterschiedlichen Aufgaben sprechen und so auch handeln.

Auf das Potenzial der stofflichen Verwertung gefährlicher Abfälle will die Sonderabfallwirtschaft in Zukunft verstärkt aufmerksam machen. Die Diskussion in Baden-Baden machte sehr deutlich, dass den Unternehmen praktisch in allen Bundesländern von der Politik und den zuständigen Überwachungsbehörden zu viele Hindernisse in den Weg gelegt werden.

Wachsender Konflikt

Der wiedergewählte Fachverbandsvorsitzende Werner Schmidt, Hans Schmidt GmbH & Co. KG, wies auf den zunehmenden Konflikt zwischen Chemikalien- und Abfallrecht hin. Der bvse werde hier auf allen Ebenen, von der EU über die Bundes- bis hin zur Landespolitik aktiv darauf hinweisen, dass das Recycling gefährlicher Abfälle aus falsch verstandener Umweltvorsorge teilweise unmöglich gemacht werde.

Gerhard Zimmermann, neuer stellvertretender Vorsitzender der Firma Zimmermann Sonderabfallentsorgung und Verwertung GmbH & Co. KG, stellte fest, dass es eine Reihe von Stoffen gebe, die recycelt werden könnten, aber derzeit beseitigt werden müssen. Zimmermann forderte ein Umdenken der Politik, um den Branchenunternehmen die Möglichkeit zu geben, ihre innovativen Verfahren überall wo es möglich und sinnvoll ist, auch umzusetzen. Man war sich in der Diskussion einig, dass man deshalb weiter und verstärkt auf die Politik zugehen müsse.

Industrie in der Pflicht

Dr. Siegfried Kreibe vom bifa-Umweltinstitut sieht neben der Politik freilich auch die Industrie in der Pflicht. Viele Unternehmen sähen nur eine Entsorgungsproblematik, ohne den eigentlichen Wert der Materialien, die in den Produktionsabfällen enthalten sind, zu erkennen. Kreibe betonte zudem, dass die Digitalisierung vor der Entsorgungsbranche nicht halt mache. Speziell die Mengenbündelung könne über elektronische Plattformen organisiert werden. Der Mittelstand müsse sich hier wappnen, sonst habe er das Nachsehen.

 

 DK

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