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(GZ-10-2020)
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► Verband Deutscher Verkehrsunternehmen:

 

Appelle in der Corona-Krise

 

Der VDV unterstützt den gemeinsamen Vorschlag aller Länderverkehrsminister nach einem Rettungsschirm von mindestens fünf Milliarden Euro für den Nahverkehr. Die Länder hatten dazu ein Schreiben an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer adressiert.

Laut VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff wird die finanzielle Lage bei den Verkehrsunternehmen und Verbünden zunehmend dramatisch: „Wir fahren bundesweit seit Beginn der Krise im Schnitt 80% des normalen Angebots, haben aber nur noch maximal 30% des sonst üblichen Fahrgastaufkommens.

Den Unternehmen fehlen dadurch Fahrgeldeinnahmen in erheblichem Umfang. Je nach Verlauf des Lockdowns wird sich der Verlust bis Jahresende auf fünf bis sieben Milliarden Euro summieren. Wir brauchen schnelle finanzielle Hilfen, um kurzfristig das Überleben zu sichern. Und wir benötigen eine weitergehende Lösung, um die noch kommenden Verluste ausgleichen zu können. Deshalb unterstützen wir den Vorschlag der Länderverkehrsminister ausdrücklich.“

Enger Schulterschluss

Angesichts von nur noch maximal 30% der sonst üblichen Fahrgäste hätten die Verkehrsunternehmen eigentlich ihre Angebote massiv zurückfahren und einschränken müssen, fuhr Wolff fort. Doch das Gegenteil sei der Fall gewesen. Tatsächlich wurde die Betriebsleistung teils gar nicht und insgesamt sehr zurückhaltend reduziert.

So wurde im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) in Absprache mit den Bundesländern und Aufgabenträgern das SPNV-Angebot im März um rund 9% und im April um rund 24% reduziert. In manchen Bundesländern wurden 100% der Verkehre erbracht.

Auch im städtischen Nahverkehr wurde im engen Schulterschluss mit den Aufgabenträgern agiert. Im Ergebnis betragen die Reduzierungen im März rund 12 % und im April rund 20%.

„Rein betriebswirtschaftlich betrachtet hätten unsere Mitgliedsunternehmen ihr Angebot deutlich reduzieren müssen, um Kosten zu sparen und damit Einnahmenverluste auszugleichen. Aber wir sind in Deutschland ein zentraler Baustein der Daseinsvorsorge und haben einen weitergehenden Auftrag.

Die ÖPNV- und SPNV-Unternehmen haben auch auf ausdrücklichen Wunsch der Politik von Beginn der Epidemie an in sehr hohem Maße die Verkehre weiter aufrecht erhalten, damit die Menschen, die Mobilität benötigen, an ihren Arbeitsplatz kommen konnten und das ganze Land weiter in Bewegung blieb. Gleichzeitig haben wir mit dem umfassenden Fahrplanangebot ganz überwiegend auch für ausreichende Abstände zwischen den Fahrgästen Sorge tragen können“, stellte der Hauptgeschäftsführer fest.

Bus- und Bahnunternehmen: kaum Kurzarbeit

Der VDV weist zudem darauf hin, dass die Branche so gut wie keine Kurzarbeit angemeldet hat, obwohl die nötigen Voraussetzungen dafür vorgelegen hätten.

Vergleiche man die Kurzarbeiterquote anderer in der Verkehrsbranche tätigen Unternehmen – beispielsweise dem Luftverkehr – hätten die Bus- und Bahnunternehmen rund 97.000 Beschäftigte in Kurzarbeit schicken können. Im Ergebnis wären dem Staat dadurch monatliche Aufwendungen für Kurzarbeit in Höhe von rund 90 Millionen Euro entstanden, die so erspart bleiben.

Trotz der geringen Angebotsreduzierungen seien erhebliche Mehraufwendungen entstanden, etwa durch Extrareinigungen von Fahrzeugen, Fahrzeugdesinfektion und Reinigungsmaterial sowie Atemschutzmasken für das eigene Personal.

Infektionsschutzmaßnahmen zu Schichttrennungen in Leitstellen und Werkstätten steigerten den Personalaufwand. Dieser Mehraufwand liege in einer ersten Abschätzung für die Zeit des bisherigen Lockdowns in einer Größenordnung von 35 Millionen Euro branchenweit.

Kapazitäten schaffen

Daneben stünden Investitionen und Mehraufwendungen, die für den Hochlauf des Verkehrs seit dem 4. Mai notwendig sind – etwa für den Trennschutz bei Fahrerinnen und Fahrern, um wieder alle Bustüren öffnen zu können. Zudem müssten, je nach Fahrgastaufkommen, zusätzliche Kapazitäten, etwa durch die Anmietung von Reisebussen, beschafft werden.

„Die zusätzlichen Kosten für diese Maßnahmen werden abschätzbar im dreistelligen Millionenbereich liegen. Auch hierfür müssen Bund und Länder gemeinsam eine kurzfristige finanzielle Lösung finden“, befand Wolff.

Unterstützt wird vom VDV die Idee einer Mobilitätsprämie für Bürgerinnen und Bürger, mit der sich ein Bündnis aus Verbänden der Zivilgesellschaft und NGOs an die Bundesregierung gewandt hat. Zugleich betont der Branchenverband des Öffentlichen Personen- und des Schienengüterverkehrs, dass bei den nun zu treffenden politischen Beschlüssen die Sicherung und Zukunft des gesamten Verkehrssektors oberste Priorität haben muss.

Nach den Worten von VDV-Präsident Ingo Wortmann „bleibt die Verkehrswende das unter allen Umständen zu erreichende Ziel im Mobilitätssektor, sonst drohen Deutschland weitere Milliarden an Strafzahlungen von der EU.

Insofern unterstützen wir die Idee einer Mobilitätsprämie, mit der die Bürgerinnen und Bürger selber und frei entscheiden können, für welches Verkehrsmittel sie dieses Geld einsetzen.
Die Bevölkerung in Deutschland hat unterschiedlichste Mobilitätsbedürfnisse. Eine flexibel einzusetzende Prämie wäre daher ein passendes Mittel, um alle Verkehrsanbieter zu unterstützen.

Schienengüterverkehr

Darüber hinaus spricht sich der VDV gemeinsam mit den Branchenverbänden Allianz pro Schiene, Netzwerk Europäischer Eisenbahnen und dem Verband der Güterwagenhalter in Deutschland VPI für einen Stabilitätsfonds für den Schienengüterverkehr aus. In einer gemeinsamen Erklärung wird die Bundesregierung aufgefordert, die Unternehmen bei der Sicherung der Versorgung in der Corona-Krise zu unterstützen.

Die Verbände verweisen auf die zentrale Rolle, die der Schienengüterverkehr in der Krise für die zuverlässige Lieferung von Lebensmitteln, Rohstoffen und anderen Gütern spiele; auch wird vor Verkehrsverlagerungen von der Schiene auf die Straße gewarnt.

Die hohen Erwartungen der Politik habe die Branche voll erfüllt, heißt es in dem Papier. Für den hohen Aufwand müsse es eine Kompensation geben. Vor allem krisenbedingte Betriebsmehrkosten wie zum Beispiel Abstell- und Zwischenlagerkosten und Stornierungsentgelte müssten kurzfristig und unbürokratisch aufgefangen werden. Als Finanzrahmen für den Stabilitätsfonds halten die Verbände einen dreistelligen Millionenbetrag für angemessen.

Ruf nach Ausweitung der Trassenpreisförderung

Zudem fordern die Branchenverbände, die sogenannte Trassenpreisförderung von aktuell 47 auf bis zu 100 Prozent auszuweiten und die angekündigte Anlagenpreisförderung kurzfristig zu starten. Zudem müsse der Bund die Steuer- und Abgabenbelastung durch Stromsteuer, EEG-Umlage und Emissionshandel reduzieren, die den elektrisch betriebenen Güterverkehr auf der Schiene angesichts der stark gesunkenen Dieselpreise besonders trifft.

Die zur Überwindung der Krisenfolgen derzeit diskutierten Konjunkturprogramme müssen aus Sicht der Verbände eine Nachhaltigkeitsabschätzung durchlaufen. Weder den Kunden noch der Regierung wäre beispielsweise damit gedient, wenn wenige Monate vor dem Start der CO2-Bepreisung Spritschlucker durch Kaufprämien oder Mehrwertsteuerverzicht in den Markt gedrückt würden.

Umgekehrt wird darauf hingewiesen, dass im Schienenverkehr viele klimafreundliche Innovationen wegen mangelnder Beiträge des Bundes weiterhin im Wartestand stehen. Die ambitionierten eisenbahnpolitischen Ziele des Koalitionsvertrages spiegelten sich auch im beschlossenen Nachtragshaushalt des Bundes für 2020 leider noch nicht wider.

DK

 

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