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(GZ-12-2020)
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► Abwasser:

 

Weniger Spurenstoffe durch Ozonung

 

Die Wasserwirtschaft warnt vor der zunehmenden Belastung der Gewässer durch Schadstoffe und insbesondere Spurenstoffe. Dabei sind kommunale Kläranlagen für viele anthropogenen Spurenstoffe ein wesentlicher Eintragspfad in den Wasserkreislauf. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang, ob die generelle Einführung einer vierten Reinigungsstufe in den Anlagen sinnvoll ist oder eine Stärkung des Verursacherprinzips sich besser für den Gewässerschutz eignet. Am Standort Weißenburg in Bayern wurden wichtige Prozessparameter einer großtechnischen vierten Reinigungsstufe gewonnen.

Chemische Substanzen, die in geringsten Konzentrationen vorkommen, stehen seit einigen Jahren im Fokus von Wissenschaft und Wasserwirtschaft, denn aufgrund der Fortschritte in der Analytik können Wissenschaftler inzwischen geringste Stoffkonzentrationen in der Umwelt nachweisen. Viele Spurenstoffe gelangen mit dem Abwasser der Haushalte in die kommunalen Kläranlagen.

Die in Kläranlagen eingesetzten biologischen Aufbereitungsverfahren können zwar einige organische Spurenstoffe im Abwasser relativ gut beseitigen. Andere Substanzen dagegen, darunter auch Arzneimittel, werden nicht oder nur ungenügend entfernt. Daher werden bundesweit Verfahren der vierten Reinigungsstufe erprobt, die Spurenstoffe zum Beispiel durch Ozon oder Aktivkohle aus dem Abwasser entfernen.

Pilotprojekt in Weißenburg

In Bayern wurden vor allem sekundäre Mikroplastik-Partikel im Chiemsee, Starnberger See, Ammersee und Altmühlsee festgestellt. Der Freistaat verfolgt eine schrittweise Vorgehensweise hinsichtlich des Umgangs mit anthropogenen Spurenstoffen und der Frage der Notwendigkeit einer vierten Reinigungsstufe. Dazu hat die Stadt Weißenburg im Rahmen eines Pilotprojektes mit Förderung des Freistaates Bayern auf der Kläranlage Weißenburg (Ausbaugröße 35.000 EW) eine großtechnische Anlage zur Elimination von Spurenstoffen errichtet. Träger des Vorhabens ist die Stadt Weißenburg.

Ausschlaggebend für die Auswahl des Standortes war, neben den guten Voraussetzungen für die Umsetzbarkeit auf der Kläranlage, vor allem die Einleitung des Abwassers in die Schwäbische Rezat, die aufgrund der niedrigen Abflüsse als wasserwirtschaftlich sensibles Gewässer gilt.

Deutlich höhere Reduktionsraten

Das Pilotprojekt in Weißenburg startete im Mai 2014 mit dem Ziel praktische Erkenntnisse zu Bemessung, Betrieb und der Leistungsfähigkeit sowie zu den wichtigsten Prozessparametern einer großtechnischen vierten Reinigungsstufe zu gewinnen. Weitere wesentliche Zielsetzungen in diesem Pilotvorhaben waren die Auswirkungen der vierten Reinigungsstufe auf die Zustände im Gewässer vor und nach der Inbetriebnahme zu untersuchen. Die Ergebnisse wurden im vergangenen Jahr in einem Abschlussbericht zusammengefasst. Im Hinblick auf die Reinigungsleistung in der vierten Reinigungsstufe zeigte sich die Kombination von Ozonung mit einer nachgeschalteten Adsorptionsstufe am wirksamsten.

Im Vergleich zu den Einzelverfahren konnten deutlich höhere Reduktionsraten bei Spurenstoffen erzielt werden. So wurde eine gemittelte Elimination der zwölf Indikatorsubstanzen von rund 92 Prozent erreicht. Die vierte Reinigungsstufe in Weißenburg ist so ausgelegt, dass etwa 86 Prozent der Jahresabwassermenge behandelt werden können. Damit ergab sich eine rechnerische Gesamtreduktion in der Kläranlage von 75 Prozent bzw. 82 Prozent im Jahresdurchschnitt.

Wirtschaftlichkeit belegt

Nach circa einem Jahr Optimierungsphase wurde am Standort Weißenburg ein Zustand erreicht, der es dem Betreiber ermöglichte, die Anlage betriebssicher weiter zu betreiben. Zur Einstellung eines dauerhaft sicheren Betriebes muss das Verhalten der Anlagen- und Messtechnik weiter überprüft werden. Optimierungspotenziale bestehen insbesondere bei den optischen Messgeräten, der Ozonanlage (Vermeidung von Stillstandzeiten) sowie bei der Regelung der Ozondosierung. Die untersuchte Verfahrenskombination sei somit technisch und wirtschaftlich umsetzbar, lautete das Fazit im Abschlussbericht.

EU in der Pflicht

Eine Deloitte-Studie im Auftrag des europäischen Wasserverbands EurEau kommt zu dem Schluss, dass die Umweltbelastung durch Mikroverunreinigungen europaweit besser reduziert werden könnte, wenn die EU die bestehenden Rechtsvorschriften konsequenter umsetzen würde. Der Umweltausschuss des Europaparlaments (ENVI) erklärte Anfang März 2020 in einer Entschließung, dass die EU-Maßnahmen für eine vernünftigere Verwendung und Entsorgung von Arzneimitteln ergreifen sollte, um Risiken für die Umwelt und die öffentliche Gesundheit zu minimieren. Gleichzeitig forderte er neue Maßnahmen zur Bekämpfung der Umweltbelastung durch Arzneimittel. Hintergrund ist die im März 2019 von der Europäischen Kommission vorgelegte Arzneimittel-Strategie.

Kunststoff erfolgreich entfernt

Das Umweltbundesamt (UBA) hat sich dem Thema der Duftstoffe aus Wasch- und Reinigungsmitteln, die in die Kläranlagen gelangen, gewidmet. Sie sollten nach Auffassung des UBA systematisch recherchiert und dokumentiert werden. Die Entfernung von Kunststoff einschließlich Mikroplastik aus Abwasser durch Kläranlagen mit biologischer Reinigungsstufe ist dem UBA zufolge sehr erfolgreich - bei Mischwasserabschlägen und Abwasser aus der Trennkanalisation müsse die Behandlung aber verbessert werden. Von Bedeutung ist aber auch das Verhalten der Verbraucher. Eine Kampagne in Nordrhein-Westfalen setzt beispielsweise beim Problembewusstsein der Bevölkerung an.

Die Bundesregierung bereitet aktuell Maßnahmen vor, um Flüsse und Seen in Deutschland besser vor Spurenstoffen zu schützen. In einer einjährigen Pilotphase sollen im Rahmen von Runden Tischen erste Maßnahmen bundesweit entwickelt und testweise umgesetzt werden. So erhält die Kläranlage Tübingen eine Ozonungsanlage, die Spurenstoffe aus dem Abwasser herausfiltert. Auch Baden-Württemberg plant den Ausbau der vierten Reinigungsstufe zur Spurenstoffelimination in den kommenden Jahren weiter vorantreiben. 

Das baden-württembergische Umweltministerium hat sich bereits im August 2019 zur großflächigen Belastung des Bodens und des Grundwassers in Mittelbaden durch poly- und perfluorierte Chemikalien (PFC) geäußert.

Nach Ansicht des Ministeriums sei die Verunreinigung nicht nur in qualitativer, sondern auch in quantitativer Hinsicht ein Problem. Eine großflächige Sanierung der belasteten landwirtschaftlichen Fläche von derzeit knapp 900 Hektar sei jedoch mit verhältnismäßigen Mitteln nicht möglich.

 

 

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