Die Wasserstoff-Technologie bietet für den Klimaschutz eine sehr große Chance. Die weithin bekannte Technologie der Elektrolyse könnte bereits jetzt für die Speicherung von Lastspitzen im europäischen Stromnetz sorgen. Laut Bundesnetzagentur gab es allein im deutschen Stromnetz im Jahr 2019 insgesamt 211 Stunden mit negativen Preisen im kurzfristigen Stromgroßhandel. Dies alleine reicht derzeit nicht aus, um Elektrolyse-Anlagen wirtschaftlich zu beitreiben.
„Die Rahmenbedingungen werden sich aber ändern, wenn die Kapazitäten an Erneuerbare-Energien Anlagen zukünftig deutlich ausgebaut werden. Hier spielt der in Bayern durch 10H verhinderte Ausbau der Windenergie eine große Rolle. Regionaler Wasserstoff hat nur eine Chance, wenn Windkraftanlagen wieder zugebaut werden. Eine groß angekündigte bayerische Wasserstoffinitiative und das Festhalten an 10H passen somit nicht zusammen“, sagt Erich Maurer, Geschäftsführer der Energieagentur Nordbayern.
Die deutsche Wasserstoff-Strategie setzt sehr stark auf den internationalen Handel mit Wasserstoff. Hauptargument dafür ist, dass es weltweit geografisch geeignetere Regionen gibt um regenerative Energien zu erzeugen. Nicht berücksichtigt wird allerdings, dass die Stromwende, so wie sie seit Einführung des EEG im Jahr 2000 in Deutschland vorangetrieben wurde, nur funktioniert, weil vor Ort regionale Wertschöpfung und ein wirtschaftlicher Vorteil geschaffen wird. Mit Verlagerung dieser positiven Aspekte ins Ausland schwindet sicherlich die Dynamik der Energiewende. Auch muss der Transport in die Kosten und Energiebilanz einbezogen werden.
Des Weiteren ist zu hinterfragen, ob die Abhängigkeit von Öllieferländern durch die Abhängigkeit von Wasserstoff ersetzt werden soll. Darüber hinaus steht man in einem weltweiten Wettbewerb für die Lieferung dieses Wasserstoffs. Gerade zum jetzigen Zeitpunkt, wo erste Anlagen aus der EEG-Vergütung herausfallen, wäre eine Strategie wichtig, die zum Erhalt und kostendeckenden Weiterbetrieb der bestehenden Anlagen führt.
Eine derzeit noch nicht so bekannte Produktion von regenerativem Wasserstoff ist die Erzeugung von Wasserstoff aus Biomasse. Als sog. Bio-Wasserstoff lässt sich eine kontinuierlichere und kostengünstigere Produktion von regenerativem Wasserstoff bewerkstelligen. Die effiziente Wandlung zu Bio-H2 durch Pyrolyse (Vergasung) in Verbindung mit Dampfreformierung sorgt für eine wirtschaftliche Erzeugung. Die unmittelbar anschließende Aufwertung zu Bio-Methan in Verbindung mit CO2 aus industriellen Prozessen trägt zur energetischen Nutzung mit größtmöglicher Wertschöpfung bei.
Mit biogenen Reststoffen und organischen Abfällen von Mensch und Tier ließen sich dezentral große Mengen von Wasserstoff erzeugen und dies gerade dort wo die Abfälle entstehen. Die Wasserstoffstrategie kann also mehr leisten als die Abkehr von fossilen Energieträgern. Sie könnte auch zum Aufbau einer dezentralen Versorgungsstruktur beitragen. Die derzeitige Krise zeigt deutlich, dass Abhängigkeiten von beispielsweise Pharma-Rohstoffen schnell zu großen Problemen führen können. Eigene regenerative und nachhaltige Energieversorgung ist langfristig sicherlich ein wirtschaftlicher Vorteil für den Standort Deutschland und leistet einen Beitrag zu gesteigerter Resilienz.
Dass dies nicht nur eine Vision ist, zeigen die bayerischen Energieagenturen. Im Einzugsgebiet der Energiewende Oberland, einem Mitglied des Verbands liefert eine Firma bereits die entsprechende Anlagentechnik dazu. Andreas Scharli, Energiemanager der Organisation legt Wert auf die Marktfähigkeit seiner Empfehlungen: „Es nutzt uns wenig, auf die übernächsten Schritte in der Energiewende zu verweisen, das was jetzt technisch ausgereift ist, kann umgesetzt werden.“ Dies trifft unter anderem auf die Technologie zu, die unter dem Namen Blueflux in Peißenberg, Landkreis Weilheim-Schongau verfügbar ist. Im Norden Bayerns tauscht sich die Energieagentur Nordbayern regelmäßig mit einer Firma aus, die geeignete Speichertechnologie für Wasserstoff vorantreibt.
Die bayerischen Energieagenturen verfolgen mit ihren Zielen selbstverständlich vorrangig den Klimaschutz, gleichzeitig bringt jedoch die Nutzung von Ressourcen vor Ort eine regionale Wertschöpfung mit sich. Mit dem Bezug von Wasserstoff aus allen Kontinenten der Erde werden ähnliche Strukturen bedient, die heute schon die Energiewende erschweren. „Wer die Umsetzung konkreter EE-Projekte vorantreibt, kann über gesetzliche und bürokratische Hürden ein Lied singen. Da ist der Ausweg über den Import
von Wasserstoff eine willkommene Strategie, um Konflikte hierzulande zu umgehen“, so Andreas Scharli von der Energiewende Oberland.
Die Bundesregierung sieht bis zum Jahr 2030 in Deutschland Erzeugungsanlagen von bis zu 5 GW vor. Damit können jährlich ca. 14 TWh in Form von grünem Wasserstoff erzeugt werden. Bei einem Primärenergiebedarf von derzeit 3.600 TWh pro Jahr ist diese Dimension für den Klimaschutz noch nicht der Durchbruch, jedoch eine richtungsweisende Entscheidung.
Weiterhin müssen Potenziale der Energieeinsparung sowie aller regenerativen Energieträger verstärkt genutzt werden. Die regionalen Energieagenturen machen sich als neutraler Partner der Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Kommunen in Bayern für eine dezentrale Energiewende stark und setzen sich für eine höhere Sanierungsrate von Bestandsgebäuden, für Energieeinsparungen sowie den weiteren Ausbau aller fünf regenerativen Energieträger ein.
Weitere Informationen unter: www.energieagenturen.bayern
Erich Maurer und Andreas Scharli
Dieser Beitrag ist Teil des Energie-Sonderdrucks mit dem Erscheinungsdatum 30.7.2020, den Sie sich hier downloaden können.
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