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(GZ-19-2020)
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► Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes:

 

Pro und Contra

 

Um EU-Vorgaben umzusetzen, hat der Deutsche Bundestag eine Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes beschlossen. Die Novelle weitet die Pflichten zur Getrenntsammlung aus, erhöht die Recyclingquoten und setzt neue Instrumente zur Förderung der Abfallvermeidung um.

Der VKU begrüßt die Novelle und den Feinschliff der Regierungsfraktionen von Union und SPD mit ihrem gestern beschlossenen Änderungsantrag: Das Gesamtpaket bremst Rosinenpicken privater Entsorger, sorgt für juristische „Waffengleichheit“ und ist insgesamt eine gelungene Verknüpfung zwischen ökologischen Innovationen und der Daseinsvorsorge der kommunalen Stadtreiniger. Für beide Änderungen hatte sich der VKU im Vorfeld der gesetzgeberischen Befassung stark gemacht.

VKU zur Rolle der Kommunen

Im Gesetzgebungsverfahren ging es u.a. darum, die Rolle der Kommunen für die verlässliche Hausmüllentsorgung als Teil der Daseinsvorsorge präzise und effektiv gegenüber den Betätigungsfeldern privater Akteure abzugrenzen. Zu diesem Zweck erlaubt der Bundestag nun auch Kommunen, gegen Entscheidungen von Behörden zu klagen, z.B. beim Verdacht, dass Behörden den Verstößen gewerblicher Sammler gegen die Bestimmungen zum Anzeigeverfahren nicht nachgehen oder die Position der kommunalen Entsorger nicht hinreichend berücksichtigt haben.

Gewerbliche Sammler müssen anzeigen, wann und wo sie wie viel Abfall entsorgen (wollen). Auf dieser Basis entscheiden die Abfallbehörden vor Ort, ob dies erlaubt ist oder nicht. Kommunale Entsorger werden angehört – bislang konnten sie im Gegensatz zu gewerblichen Sammlern die Entscheidungen der Behörden aber nicht anfechten.

Mit der neuen Regelung kann jetzt auch der kommunale Entsorger die Entscheidungen von Behörden durch Gerichte überprüfen lassen. Der VKU hatte diese Klagebefugnis u.a. im Rahmen einer Sachverständigenanhörung des Umweltausschusses gefordert und begrüßt die Entscheidung: „Gut, dass jetzt zwischen den kommunalen Abfallentsorgern und gewerblichen Sammlern juristische Waffengleichheit herrscht. Mit dem beidseitigen Klagerecht wird eine faire behördliche Interessenabwägung gesetzlich gut abgesichert“, urteilte ein Verbandssprecher.

Der Bundestag stärkt die Daseinsvorsorge, Verbraucher und Gebührenzahler zudem mit einer zweiten Entscheidung: Die freiwillige Annahme von Abfall, wie z.B. Altkleidern, durch Einzelhandelsketten und Hersteller wird mit einer dreijährigen Bindungsfrist versehen. Auch für wirksame Begrenzungen solcher Abfallannahmen im Einzelhandel hatte sich der VKU stark gemacht.

Rosinenpickerei

Laut VKU dringen große Einzelhandelskonzerne immer stärker in das Entsorgungsgeschäft vor. Hier bestehe konkret die Gefahr, dass die Bereitschaft zur Rücknahme von Produktabfällen sich allein nach der Preisentwicklung auf den globalen Rohstoffmärkten richtet, die jedoch sehr volatil ist. Im Klartext: Dass Handel und Hersteller nur dann Textilien, Papier oder Metalle zurücknehmen, wenn es sich wirtschaftlich lohnt und die Kommune einspringen muss, wenn es sich wirtschaftlich nicht lohnt. In guten Zeiten profitierten Hersteller und Handel, in schlechten Zeiten zahlten kommunale Unternehmen und die Bürgerinnen und Bürger als Gebührenzahler.

Mit der jetzt beschlossenen dreijährigen Bindungsfrist schiebe der Bundestag diesem Rosinenpicken einen Riegel vor und verhindere, dass das Risiko sinkender Rohstoffpreise einseitig auf die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger als Verbraucher und Gebührenzahler abgewälzt werden kann.

Standpunkt des bvse

Als „im Ergebnis enttäuschend“ wertet hingegen der bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung die verabschiedete Neufassung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes durch den Bundestag. Besonders ärgerlich und kontraproduktiv sei die Einführung einer kommunalen Klagebefugnis, die die Regierungsfraktionen in letzter Minute durchgesetzt hätten, kritisiert Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock. Damit würden die privaten Sammlungsstrukturen zugunsten der Kommunen weiter geschwächt, weil das gesetzlich vorgesehene Anzeigeverfahren „faktisch“ zu einem Genehmigungsverfahren umfunktioniert werden kann, das sich über etliche Monate oder gar Jahre hinziehen kann.

Berichtspflicht angemahnt

Nichts geändert habe sich hingegen an der „schwachen Regelung“ des § 45 „Pflichten der öffentlichen Hand“. Zwar werde hier eine Bevorzugungspflicht unter anderem für Rezyklate festgeschrieben, jedoch seien leider keinerlei Nachprüfungs- oder Sanktionsmöglichkeiten bei Nichtbeachtung dieser Regel vorgesehen. Noch nicht einmal zu einer jährlichen Berichtspflicht habe sich der Gesetzgeber durchringen können, kritisiert der bvse.

Rehbock zufolge hat der Bundestag hier versäumt, das öffentliche Beschaffungswesen effektiv auf Nachhaltigkeit auszurichten. Es stelle sich die Frage, warum es nicht gelungen ist, die eigenen Ansprüche in konkrete Taten zu übersetzen.

BDE: Unzureichende Novelle

Als „unzureichend“ kritisiert auch der BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. So bedauert der Verband, dass die Regierungskoalition in der Novellierung kein klares Statement für eine Rohstoffwende abgegeben habe. „Gerade im Hinblick auf die laufende Sitzungswoche des Bundestages ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit ist das eine verpasste Chance. Wenn Nachhaltigkeit nicht nur eine Worthülse sein soll, müssen Bekenntnissen zum Green Deal der EU-Kommission auch Taten folgen. Ein weit größerer Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft wäre mit dieser Novelle zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union (EU) möglich und auch nötig gewesen. Der von vielen Akteuren erwartete Paukenschlag für mehr Nachhaltigkeit ist ausge-
blieben“, stellt BDE-Präsident Peter Kurth fest.

Wichtiger Akteur

Kurth weiter: „Der Deutsche Bundestag hat mit der Novelle die Chance verpasst, die großen Überschriften der deutschen Ratspräsidentschaft zur Nachhaltigkeit mit Inhalten zu füllen. Es darf bei den Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft aber nicht dabeibleiben, die Backen aufzublasen, jedoch nichts an den Gesetzen zu ändern. Bisher bleibt es beim Thema Rohstoffwende leider nur bei Ankündigungen – so auch bei dieser Novelle. Dies ist auch deswegen kurzsichtig, da die Kreislaufwirtschaft mit dem großen Treiber Rezyklateinsatz ein wichtiger Akteur beim Klimaschutz sein kann. Diese Novelle hätte einen Nachhaltigkeitscheck allenfalls mit einem ‚befriedigend‘ bestanden.“

Unverzichtbares Instrument

Aus Sicht des BDE sind für einen funktionierenden Kreislauf gesetzliche Verpflichtungen zum Einsatz von Rezyklaten, also ein verpflichtender Rezyklatanteil in bestimmten Produkten, ein unverzichtbares Instrument des Gesetzgebers. Freiwillige Verpflichtungen der produzierenden Industrie seien keine Basis, um darauf millionenschwere Investitionen in neue Recyclinganlagen zu gründen. Dass der Bundestag sich nicht dazu durchringen konnte, das Instrument „Minimal Content“ gesetzlich zu verankern, sei ein Ärgernis.

Der BDE begrüßt, dass zumindest die Regelung zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung, also z. B. die Beschaffung von Produkten mit hohem Rezyklatanteil, mit dem Gesetzentwurf geschärft wird. Kurth: „Es ist richtig, dass sich derjenige Beschaffer, der ausschließlich aus Primärrohstoffen hergestellte Güter einkaufen will oder aus Rezyklaten hergestellte Güter ausschließen möchte, erklären muss.“

Grundsatz fairer Wettbewerb

Zu den vorgesehenen Klagemöglichkeiten für die kommunale Seite zur gewerblichen Sammlung meint der BDE-Präsident:

„Wir halten dies für das falsche Signal. Gleichzeitig wird das materielle Recht aber nicht zugunsten der kommunalen Seite geändert. Eine gewerbliche Sammlung wird nur angezeigt. Sie bedarf gerade keiner Zulassung beziehungsweise Genehmigung. Die Gerichte haben den ‚öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern‘ nun schon mehrfach deutlich gemacht, dass auch für sie der Grundsatz fairer Wettbewerb gilt.“

DK

 

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