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(GZ-21-2020)
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► Digitalisierung der Verwaltung:

 

Normenkontrollrat beklagt geringe Fortschritte

 

Trotz des engagierten Umgangs aller Verwaltungsebenen bei der Umsetzung des Online-Zugangs-Gesetzes (OZG), konnte Deutschland bisher noch nicht an das Europäische Mittelfeld im Bereich der Digitalen Verwaltung anschließen. Darauf macht der Nationale  Normenkontrollrat (NKR) in seinem vierten Monitor „Digitale Verwaltung“ aufmerksam.

Zwar holte Deutschland im aktuellen Digitalranking der Europäischen Union (DESI) drei Plätze auf und liegt damit nun auf Platz 21 von 28 EU-Staaten. Dennoch bleibt es weiterhin deutlich hinter den eigenen Ansprüchen zurück.

„Allerdings werden sich die durch die Umsetzung des OZG zu erwartenden Fortschritte auch erst in den nächsten Monaten und Jahren zeigen“, heißt es in dem Bericht.

Der NKR lobt, dass durch die Corona-Pandemie ein digitaler Ideen- und Mentalitätsschub durch viele Verwaltungen gegangen sei. Zwar seien auch zahlreiche Schwachstellen zu Tage getreten, doch habe die Pandemie deutlich gezeigt, was digital alles in kürzester Zeit bewerkstelligt werden könnte. Der NKR verweist hier unter anderem auf den Hackathon #WirVSVirus, die Corona-Warn-App oder auch die OZG-Expresslabore für Verdienstausfallentschädigungen.

Kernbotschaften

Der Monitor des Normenkontrollrates formulierte folgende Kernbotschaften:

1. Benötigt wird Transparenz über den Umsetzungsstand des OZG und das Ziel darf nicht aus den Augen verloren werden.

Der NKR kritisiert, dass es aufgrund unterschiedlicher Informationsseiten für Kommunen nicht möglich ist, sich an einer Stelle zu informieren. Für die kommunale Ebene sei es derzeit nicht möglich abzuschätzen, welche Lösungen aus dem OZG-Digitalisierungslaboren wann und wie zur Verfügung stehen, wie sie sich am besten auf eine Übernahme dieser Services einstellen können oder in welchen Punkten es sich lohnt, eigene Angebote zu entwickeln. Gelobt wird, dass dieses Problem erkannt wurde und bis Ende des Jahres das Monitoring-Dashboard zur Verfügung stehen soll.

Besorgt reagiert der NKR auf Äußerungen, dass nicht einmal OZG-Leistungen der beiden höchsten Prioritäten eins und zwei bis 2023 flächendeckend zur Verfügung stehen könnten. Aus der Single-Digital-Gateway-Verordnung der EU, die eine Umsetzung von digitalen Leistungen bis Ende 2023 festlegt, wird befürchtet, dass Bürger ihre Rechte auf eine Onlineverwaltung womöglich gerichtlich einklagen könnten oder die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten könnte.

2. Die Milliarden des Konjunkturpaketes können helfen, lösen aber nicht alle Probleme. Komplexitäten müssen reduziert und wettbewerbsfreundlich standardisiert werden.

Die zusätzlichen Milliarden des Konjunkturpakets können Investitionsentscheidungen erleichtern und besonders finanzschwache OZG-Projekte unterstützen. Jedoch seien besondere Schwachpunkte im derzeitigen Prozess Ressourcenknappheit auf Verwaltungs- und Herstellerseite. Hier wäre es von Vorteil, die Komplexität des OZG-Prozesses zu reduzieren.

Besonders die Maßgabe des Koalitionsausschusses, die drei Milliarden nur dort einzusetzen, wo Lösungen gemeinschaftlich oder zentral entwickelt werden (Einer-für-Alle), ist zwar mit der Hoffnung nach mehr Schnelligkeit verbunden, jedoch bürgt dieser Ansatz auch einige Fallstricke. Derartige Lösungen sind nur überall einsetzbar, wenn sie mit der lokalen Systemlandschaft und den Fachverfahren kompatibel sind und sich auch dem wandelnden Bedarf vor Ort anpassen können. Den Ansatz Einige-für-Viele halten die Verfasser für zielführender.

Um einen besseren Wettbewerb bei Produkten und keine einseitigen Abhängigkeiten von großen IT-Firmen hervorzurufen, plädiert der NKR für ein stärkeres Maß an Standardisierungen, Modularisierungen und der Verwendung offener Schnittstellen. Der bereits veröffentlichte Servicestandard für die OZG-Umsetzung enthält bereits viele Empfehlungen für diesen Bereich. Der NKR spricht sich dafür aus, diesen weiter zu operationalisieren. Dies könnte den Mittelstand stärken und auch das Angebot durch Start-Ups erhöhen.

Vielfalt und Wettbewerb sind laut Normenkontrollrat die notwendigen Garanten dafür, dass eine möglichst mittelständisch geprägte und durch Start-Ups bereicherte Anbieterlandschaft dauerhaft wirtschaftliche, bedarfsorientierte und innovative IT-Lösungen anbieten kann. Um Vielfalt „ertragen“ zu können und eine Übertrag- und Kombinierbarkeit von Lösungen sicherzustellen, bedürfe es allerdings eines viel stärkeren Maßes an Standardisierung, Modularisierung und der Verwendung offener Schnittstellen.

Steigern ließe sich dieser Ansatz noch durch eine stärkere Verwendung offener Software und die systematische Förderung von Entwicklungsgemeinschaften, die Open-Source-Code gemeinschaftlich pflegen und weiterentwickeln. Der jüngst veröffentlichte Servicestandard für die OZG-Umsetzung enthält bereits verschiedene Empfehlungen in diese Richtung. Er sollte weiter operationalisiert und zum verbindlichen Rahmen und Qualitätssicherungsmaßstab öffentlicher Softwareentwicklung werden.

3. Die Vollzugs- und Digitaltauglichkeit von Gesetzen muss verbessert und mit einem Digital-TÜV systematisch kontrolliert werden.

Eine Ausnahmeregelung des bayerischen Verkehrsministeriums zeigt dem NKR zufolge „sehr schön, was viel häufiger erwogen werden sollte:

Um in Zeiten von Corona KFZ im Internet einfacher als bisher an-, ab- oder ummelden zu können, wurde geregelt, dass die Eingabe von Benutzername und Passwort genügt. Bisher waren KFZ-Onlineverfahren nur mit elektronischem Personalausweis und Lesegerät (oder passendem Smartphone) möglich. Im Ergebnis stieg die Nutzung der KFZ-Onlineservices in Bayern um das Neunzehnfache.“

Die Ausnahme sollte zur bundesweiten Regel werden, sowohl in Bezug auf KFZ-Online (das BMVI sollte die Ausnahmeregel bundesweit verstetigen) als auch in Bezug auf die zügige und breite Umsetzung von rechtlichen Änderungsvorschlägen aus den OZG-Laboren. Gleiches gilt für das weiterhin ausstehende Registermodernisierungsgesetz.

Die Kompromissentscheidung des Koalitionsausschusses muss jetzt zügig umgesetzt werden, sonst endet die Legislaturperiode ohne Ergebnis. Das wären vier weitere verlorene Jahre!

Gesetze sollten auf ihre Praktikabilität und digitale Umsetzbarkeit viel stärker geprüft und danach angepasst werden. Ein Digital-TÜV nach dänischem Vorbild sollte zur Lösung dieses Problems zeitnah eingeführt werden.

Massiver Nachholbedarf

Nach Auffassung des Deutschen Städte- und Gemeindebunds zeigt auch die vierte Auflage des Berichts des Normenkontrollrates zur digitalen Verwaltung, dass in Deutschland massiver Nachholbedarf besteht. Die aufgezeigten Defizite bei der Umsetzung des OZG seien besonders im Bereich der Kommunikation über die Vorhaben und den Stand der Fortschritte signifikant. Mehr Transparenz und bessere Kommunikation gegenüber den Kommunen, die den Löwenanteil der Leistungen umsetzen sollen, seien dringend erforderlich.

Das Ausmaß des durch das OZG ausgelösten Umbaus der Prozesse und Abläufe sei immens, besonders wenn nicht nur die Schnittstellen im „Front-End“ in den Blick genommen werden, sondern durchgehend digitale Prozesse angestrebt werden. Dies erfordere aktives Veränderungsmanagement und eine gute Prozessbegleitung und setze eine nachvollziehbare und transparente Vorgehensweise zwingend voraus. Hier seien der Bund und die für die Umsetzung verantwortliche FITKO dringend gefordert.

Laut DStGB bleibt abzuwarten, ob die nun durch das Konjunkturpaket zusätzlich verfügbaren Finanzmittel zu einer Verbesserung der Situation und zu einer Beschleunigung der Verwaltungsdigitalisierung beitragen werden. „Dazu müssen die Gelder vor allem dort eingesetzt werden, wo auch die Umsetzung des OZG erfolgt – auf der kommunalen Ebene.“

DK

 

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