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(GZ-5-2021)
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► TKG-Reform:

 

Erschließen zukünftig wieder die TK-Unternehmen die Neubaugebiete?

 

Wegen des europäischen Kodexes für die elektronische Kommunikation (Richtlinie (EU) 2018/1972) muss das Telekommunikationsgesetz (TKG) umfassend novelliert werden. Gemäß dem derzeitigen Stand des Gesetzgebungsverfahrens wächst das TKG von 152 Paragraphen auf 229. Aber anders als das Diginetzgesetz von 2016, das für die Gemeinden mehrere Zumutungen – insbesondere kommunale Glasfaserverlegepflichten – enthielt, sind diesmal die Kommunen eher am Rande betroffen.

Stefan Graf. Foto: Jessica Kassner
Stefan Graf. Foto: Jessica Kassner

Neubaugebietserschließung über die Universaldienstverpflichtung?

Die spannendste Frage ist daher, ob es vielleicht gelingt, die von den Kommunen heftig kritisierte kommunale Erschließungspflicht von Neubaugebieten, die bei kleineren Neubaugebieten zu einem Rückzug der Telekom geführt hat, wieder rückgängig zu machen. Die Bayerische Staatsregierung hat sich dankenswerterweise dieses Anliegen auf die Fahnen geschrieben und dazu einen Änderungsantrag in den Bundesrat eingebracht.

Die Initiative ist auch insofern Aufsehen erregend, da sie den fehlenden Erschließungswillen der TK-Unternehmen über ein Regelungsinstrument brechen will, das bislang im Dornröschenschlaf lag: Die Universaldienstverpflichtung. Diese wird nämlich durch die Novelle geschärft und effizienter gemacht. Die TK-Unternehmen können dadurch im Gegenzug zum Ausgleich ihrer Wirtschaftlichkeitslücke zur Erschließung verpflichtet und die gewährte Ausgleichssumme auf alle anderen TK-Unternehmen umgelegt werden. Wenn Neubaugebiete nicht „freiwillig“ erschlossen werden, soll die Bundesnetzagentur grundsätzlich diese Waffe zücken.

Quo vadis Universaldienstverpflichtung?

Zu beobachten bleibt, ob die reformierten Universaldienstverpflichtungsregelungen zur „dritten Säule“ beim Bau eines flächendeckenden Glasfasernetzes, neben dem eigenwirtschaftlichen und geförderten Ausbau werden. Für Bayern gehen wir derzeit davon aus, dass es diese (außer für die Neubaugebiete) glücklicherweise nicht braucht: Die Förderhöchstbeträge sind nach Einschätzung des Finanzministeriums so ausreichend, dass sie eine flächendeckende Erschließung ermöglichen.

Zustimmungsverfahren wird gestrafft

Das für die Gemeinden wichtige Zustimmungsverfahren für Telekommunikationslinien in öffentlichen Straßen soll von den §§ 68 ff. nach §§ 124 ff. umziehen – für die Praxis wird damit ein nicht unerheblicher Anpassungsbedarf ausgelöst. Das eigene Zustimmungsverfahren für Trenchingvorhaben soll wegfallen – eher kein Schaden, da es in der Praxis sowieso zumeist nicht so gehandhabt wurde und bei den Voraussetzungen für die Verlegung in Mindertiefe alles beim Alten bleibt. Neu ist, dass man die schon bestehende Zustimmungsfiktion nach 3 Monaten verschärfen will: Voraussetzung für den Lauf der Frist ist ein vollständiger Antrag und der soll zukünftig unterstellt werden, wenn die Gemeinde nicht innerhalb eines Monats Unterlagen nachfordert. Zusätzlich ist eine weitere Fiktion für geringfügige Baumaßnahmen geplant: Wenn das TK-Unternehmen eine nach den Vorgaben der Gemeinde kleinere Baumaßnahme anzeigt, gilt diese als genehmigt, wenn die Gemeinde nicht innerhalb eines Monats einen Genehmigungsantrag fordert. So neu ist das freilich nicht: Teilweise haben TK-Netzbetreiber Rahmenvereinbarungen mit Kommunen geschlossen, in denen just dies vereinbart wurde.

Kommunenaktion 2020 und kein Ende?

Ein Thema, das den Kommunen im vergangenen Jahr viel zusätzliche Arbeit gemacht hat, könnte durch die Novelle eine ärgerliche Fortsetzung finden: Die Kommunenaktion 2020, in der alle deutschen Kommunen von der Bundesnetzagentur verpflichtet wurden ihr georeferenzierte Daten zu Infrastruktureinrichtungen zu übermitteln, die für eine Mitnutzung durch TK-Unternehmen geeignet sind. Der Gesetzentwurf erweitert diese Verpflichtung auf sonstige Liegenschaften und Anlagen, die insbesondere als Aufstandsfläche für Mobilfunksendeanlagen geeignet sind. Für den Fall, dass die Bundesnetzagentur dies in Kürze mit einem der Kommunenaktion 2020 vergleichbaren Rollout durchsetzen will: Ein Aufstand der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ist vorprogrammiert!

Alles in allem:

Die große TKG-Reform lässt für die Kommunen weniger Änderungen erwarten als das damalige Diginetzgesetz. Der Bundesrat nutzt diese aber, um die durch Bundesgesetz den Kommunen übertragene Erschließung von Neubaugebieten zu kippen. Nun kommt es darauf an, den Bundestag davon zu überzeugen, die verfassungsrechtlich fragwürdige Regelung zu reformieren!

Stefan Graf, Bayerischer Gemeindetag

 

Dieser Beitrag ist aus dem Sonderdruck „Breitbandausbau in Bayern – Jetzt! – Corona-Spezial“, der am 4.3.2021 als Beilage zu Ausgabe 5/2021 erschienen ist.

 

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