Fachthemazurück

(GZ-15/16-2021)
gz fachthema

► Kurzgutachten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE:

 

Vorfahrt für innovative Energietechnologien

 

Die Energiewende benötigt den Einsatz bekannter klimafreundlicher Technologien genauso wie Innovationen. Jede Verschärfung der Klimaziele und Beschleunigung der Transformation verstärkt die Notwendigkeit für Innovationen. Das im Rahmen der dena-Leitstudie „Aufbruch Klimaneutralität“ beauftragte Kurzgutachten „Innovative Technologien“ des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE identifiziert eine Reihe von Technologien, die bis zum Jahr 2030 imstande sind, einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Treibhausgasminderungsziele zu leisten. Sie können bis dahin den Sprung in den Massenmarkt schaffen und sich zur Standardtechnologie entwickeln.

Bild: PublicDomainPictures auf Pixabay
Bild: PublicDomainPictures auf Pixabay

Wie aus dem Kurzgutachten hervorgeht, sind Innovationen in der Lage, sich im Rahmen von bereits Bekanntem zu bewegen und etwa die Effizienz von PV-Modulen zu steigern. Gleichzeitig bedürfe es weiterer Innovationen oder innovativer Anwendungsfelder bestehender Technologien, um Klimaneutralität bis 2045 oder früher zu erreichen.

Das Fraunhofer-Institut legt dar, dass Technologien wie die fahrzeugintegrierte oder die Verkehrsflächen-Photovoltaik hinsichtlich ihres Reifegrades wie auch der Kostenentwicklung der Zelltechnologien so weit fortgeschritten sind, dass sie bis 2030 eingesetzt werden können. Andere wie die sogenannte Agri-Photovoltaik (Kombination von Photovoltaik und landwirtschaftliche Nutzung der Flächen) hätten ihre Anwendungstauglichkeit bewiesen, näherten sich der Wirtschaftlichkeit in großen Schritten und könnten bei passenden Rahmenbedingungen schnell skaliert werden. So schätzt das Gutachten das technische Potenzial der Agri-Photovoltaik im Jahr 2030 auf den spürbaren Beitrag von ca. 2 GW.

„Für alle untersuchten Technologien lässt sich die massentaugliche Marktreife bis zur Mitte, spätestens Ende der 2020er Jahre erreichen“, heißt es. Unsicherheiten lägen in ihren Einsatzgebieten und der Kostenentwicklung. „So unterliegen etwa die Photovoltaik oder die Tiefengeothermie geographischen Beschränkungen des Anwendungspotenzials, wohingegen andere Technologien wie die Großwärmepumpe stärker durch die Nachfrageseite begrenzt werden.“

Das „IEA Heat Pump Programm“ bestätige den Einsatz von Wärmepumpen auf industriellem Niveau als Schlüsseltechnologie mit guter Marktdurchdringung, aber niedrigem Marktanteil. Besonders in der Industrie mit hohem Prozess-, Kälte- und Dampfbedarf, aber auch mit hohem Wärmerückgewinnungspotenzial, sei ein starker Anstieg des Einsatzes von Wärmepumpen zu erwarten. Als größte Einsatzgebiete in Deutschland werden das metallverarbeitende Gewerbe, die Lebensmittelindustrie sowie die Quartiers-
wärmeversorgung genannt. Dabei sei für eine CO2-neu-trale Fernwärmeversorgung der Übergang zu Großwärmepumpen unverzichtbar.

Das Potenzial für den Einsatz von Wärmepumpen in Industrieprozessen liegt laut Gutachten in der höheren Gesamtenergieeffizienz (mit bis zu 80 Prozent Energiebedarfsrückgang) und dem damit verbundenen Rückgang der CO2-Emissionen. Der bisher niedrige Einsatz von Großwärmepumpen in Deutschland im Vergleich zu seinen Nachbarländern sei vor allem mit dem hohen Preisunterschied von Strom zu Gas zu erklären. Die Wirtschaftlichkeit gegenüber Gaskesseln sei eher bei niedrigeren Preisverhältnissen und niedrigem Temperaturhub zwischen Wärmequelle und -senken gegeben, so verstärke sich auch der Einsatz von hybriden Wärmepumpen mit Gas- oder Stromboilern in Deutschland.

Stichwort Tiefengeothermie: Derzeit sind in Deutschland 38 Tiefengeothermie-Anlagen in Betrieb. Die installierte Wärmeleistung entspricht rund 350 MW und die elektrische Leistung rund 47 MW. Geplant werden aktuell weitere 30 Anlagen. Laut Bundesverband Geothermie ist die oberflächennahe Geothermie, die vor allem zum Heizen einzelner Gebäude eingesetzt wird, mit einer installierten thermischen Leistung von 4,4 GW bereits deutlich weiter verbreitet.

In Deutschland seien zwar geothermische Lagerstätten vorhanden, die auch die Stromerzeugung ermöglichen, allerdings sei die direkte Wärmenutzung die wichtigere Anwendung von Geothermie. Besonders in den Ballungsgebieten entlang des Rheingrabens biete sich diese Nutzung an und werde aktiv angestrebt. Im Molassebecken in Südbayern sei ein derartiger Trend für die Region München bereits deutlich zu erkennen. Derzeit könnten sich Geothermie-Heizkraftwerke vor allem über die vergleichsweise hohe EEG-Förderung für Strom aus Geothermie finanzieren. Die Einspeisevergütung liege derzeit bei 25,2 ct/kWh (Bundestag 2021).

Die hohen Explorations- und Bohrkosten sind nach Angaben der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien der Hauptgrund für die stockende Entwicklung der Geothermie. An den Gesamtinvestitionskosten hätten sie mit 50 bis 70 Prozent einen sehr hohen fixen Anteil. Auch die Abhängigkeit vom Bohr- und Stahlmarkt wird als Risiko eingeschätzt. Weitere Probleme stellten sich durch das Fündigkeitsrisiko bei Exploration sowie Bohrungen und die starke Standortabhängigkeit. Eine fehlende einheitliche europäische wie deutsche Regulierung erschwerten die technische Marktreife und auch der Abbau von Wärmenetzen sowie das Sinken des Wärmebedarfs durch Sanierung seien als Risiko benannt.

„Konkurrierende Technologien liegen in allen zentralen und dezentralen Wärmebereitstellungsanwendungen“, heißt es weiter. „So zählen in Reihenfolge der steigenden spezifischen Investitionskosten Erdgas- und Biomassekessel, Solarthermie, Kraft-Wärme-Kopplung und Großwärmepumpen zu den Alternativen.“

Das theoretische Potenzial der Stromerzeugung in Deutschland durch Tiefengeothermie könnte, so das Gutachten, bei voller Potenzialauslastung ein Maximum von 300 TWh/a erreichen, für die Deckung der Grundlast ergebe sich ein vergleichbar hohes Potenzial von 260 TWh/a. Dafür müssten Kapazitäten über 30 GW aller Tiefengeothermie-System
varianten ausgebaut werden. Das technische Potenzial in Deutschland sei jedoch eingeschränkt durch die Struktur des Gesamtenergiesystems und abhängig von der Infrastruktur, da für die Wärmeversorgung aus Tiefengeothermie geeignete Wärmenetze und Abnehmer erforderlich sind.

Als eine vielversprechende Technologie für den Einsatz in Elektrofahrzeugen werden Festkörperbatterien angesehen. Es wird erwartet, dass bis 2040 fast 80 Prozent aller Anwendungen von Festkörperbatterien in Elektrofahrzeugen zu finden sein werden. Der Rest werde auf stationäre Speicher, mobile elektronische Anwendungen und Flugzeuge entfallen. Daher ist laut ISE davon auszugehen, dass der Einsatz von Festkörperbatterien in stationären Anwendungen nur aufgrund der deutlich niedrigeren Batteriekosten zustande kommen wird, die durch den Einsatz in Elektrofahrzeugen vorangetrieben werden.

Obwohl eine hohe Energiedichte (kg/kWh) keine wichtige Anforderung für stationäre Batterien ist, mache die kompakte Bauweise von Lithium-Ionen-Batterien sie künftig zur ersten Wahl für stationäre Batterien. Es sei damit zu rechnen, dass nach erfolgreicher Implementierung von Festkörperbatterien in EVs und starker Kostensenkung diese auch als stationäre Speicher eingesetzt werden.

Dieser Artikel ist im Sonderdruck Energie und kommunaler Klimaschutz erschienen, der am 29.7.2021 der Ausgabe 15-16/2021 der Bayerischen GemeindeZeitung beilag.

Der Sonderdruck kann hier komplett heruntergeladen werden. Dieser Sonderdruck ist unser zweites Corona-Spezial zum Thema, da 2020 und 2021 das Bayerische EnergieForum der Bayerischen GemeindeZeitung ausfallen musste. Am 2.6.2022 findet dann hoffentlich das 13. Bayerische EnergieForum im Bürgerhaus der Stadt Garching bei München statt. Infos unter www.bayerisches-energieforum.de.

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

GemeindeZeitung

Fachthema

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung