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(GZ-17-2021)
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► Halbjahresbilanz bayerischer Volks- und Raiffeisenbanken:

 

Wachsender Druck trotz solider Geschäftslage

 

Obwohl sie auf einen soliden Geschäftsverlauf in den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 verweisen können, macht den bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken weiterhin der steigende politische und regulatorische Druck auf die Banken und die Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zu schaffen. „Das Ergebnisniveau des Vorjahres wird wohl nicht erreicht“, erklärte der Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), Jürgen Gros, in München.

In den ersten sechs Monaten konnten laut Gros die 222 bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken die Kreditvergabe im Vergleich zum Vorjahr weiter ausbauen. Insgesamt haben sie Kredite in Höhe von 121,3 Milliarden Euro ausgereicht, 3,7 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Während im Privatkundenbereich die Kredite um 3,6 Prozent auf 53,5 Milliarden Euro stiegen, legten sie bei den Firmenkunden um 4,1 Prozent auf 64,4 Milliarden Euro zu. Gerade bei den Handwerkern und beim verarbeitenden Gewerbe, den wichtigsten Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken, liefen die Geschäfte gut, betonte der Präsident.

Förderkredite wurden an Firmenkunden im Gesamtvolumen von knapp 2,5 Milliarden Euro vergeben. 85 Prozent davon entfielen auf KfW-, 15 Prozent auf LfA-Angebote. Corona-Förderkredite machten 281 Millionen Euro vom Gesamtvolumen aus. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres betrug das Gesamtvolumen an Förderkrediten von KfW und LfA rund 3 Milliarden Euro, wobei 1,4 Milliarden Euro davon Corona-Förderkredite betrafen.

Weiter hoch im Kurs stehen die Immobilienkredite. Vor allem deren Steigerung sei für das Kreditwachstum verantwortlich, berichtete Jürgen Gros. An Privatpersonen vergaben die Banken 4,3 Prozent mehr an Immobilienkrediten. Das Volumen wuchs von 46,1 Milliarden Euro auf 48,1 Milliarden Euro. Die Immobilienkredite für Firmenkunden nahmen um 5,4 Prozent von 20,0 Milliarden Euro auf knapp über 21,1 Milliarden Euro zu. Die Kredite für den Wohnungsbau legten insgesamt um 4,6 Prozent zu und wuchsen von 66,1 Milliarden Euro auf 69,2 Milliarden Euro.

Immobilien als sicherer Hafen

Gros zufolge bleiben Immobilien ein sicherer Hafen für Geldanlage und Altersvorsorge. Die Pandemie samt Lockdowns habe den Trend verstärkt, dass zunehmend mehr Menschen aus der Stadt ins Umland ziehen und dort Wohnungseigentum erwerben. Weiter gewachsen sind die Kundengelder: Sie stiegen um 1,4 Prozent von 145,5 Milliarden Euro auf knapp 147,2 Milliarden Euro. Die Sparquote bleibt weiterhin hoch. Da die Konsummöglichkeiten durch Lockerungen der Pandemieauflagen in Gastronomie, Einzelhandel und bei Reisen wieder vielfältiger sind, nehmen die Einlagen allerdings weniger stark als noch 2020 zu.

Für Banken belastend bleibe das Wachstum der Einlagen, informierte Gros. Durch die anhaltende Negativzinspolitik der EZB gebe es für die Institute kaum rentierliche Anlagemöglichkeiten für die Kundengelder. „Die Negativzinspolitik der EZB zwingt die Banken dazu, Negativzinsen an ihre Kunden weiterzureichen, beziehungsweise Verwahrentgelte zu erheben.“

Verfassungswidrige EZB-Negativzinspolitik

Diesen Zusammenhang belege auch eine aktuelle Studie des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Paul Kirchhof, die dieser in Zusammenarbeit mit dem Verband der Sparda-Banken anfertigte. Kirchhof komme dabei zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Negativzinspolitik der EZB verfassungswidrig ist, weil sie Sparer
enteignet. Nach Auffassung des GVB-Präsidenten überschreitet die EZB klar ihr Mandat: „Wer Negativzinsen auf Einlagen verhindern will, der muss dafür sorgen, dass die EZB damit aufhört, außerhalb ihres Mandats zu agieren.“

Infolge der Negativzinspolitik der EZB erodiere die Zinsspanne der Kreditinstitute. „Für die Banken bedeutet das, dass sich mit jedem zusätzlichen Euro an Kundeneinlagen die Situation verschärft, rentierliche Anlagemöglichkeiten für die Kundengelder zu finden“, machte Gros deutlich. Die Banken fühlten sich zudem von Teilen der Politik im Stich gelassen. „Populistische Forderungen nach einem Verbot von Negativzinsen auf Guthaben, wie sie beispielsweise die Verbraucherschutzministerkonferenz der Länder bei ihrer Sitzung im Mai erhoben hat, setzen an der falschen Stelle an. Sie schieben den Banken den Schwarzen Peter für eine Entwicklung zu, die diese nicht zu verantworten haben.“

Unter steigenden Druck gerate auch das Provisionsgeschäft der Institute, fuhr Gros fort. Hier komme der Druck von politischer Seite. So schlügen beispielsweise die Grünen und die Linke in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl vor, die provisionsbasierte Beratung abzuschaffen. Auch im Wahlprogramm der SPD finde sich ein ähnlicher Ansatz.

„Überlegungen zum Verbot von abschlussbasierter Provisionierung sollen vermeintlich dem Verbraucherschutz dienen. Wer so einem Systemwechsel zur Honorarberatung das Wort redet, treibt jedoch in Wahrheit die Kunden von den beratenden Banken hin zu digitalen Anbietern, die keine Beratungsleistung erbringen. Nicht jeder kann sich, gerade bei niedrigen Anlagebeträgen, Honorarberatung leisten und ist in der Folge sich selbst und den Angeboten im Internet überlassen. Viele Kundengruppen werden dann von Beratungsleistungen abgehängt. Das schadet dem Verbraucherschutz“, stellte der GVB-Chef fest.

Hinzu kämen höchstrichterliche Entscheidungen wie das Urteil des Bundesgerichtshofs zu AGB-Änderungen und politische Überlegungen wie ein Deckel für Dispozinsen oder für Gebühren an Geldautomaten. Die Folge könnte sein, dass Banken manche Leistungen künftig nicht mehr anbieten, so Gros. „Ich bezweifle, dass sich manche, die derzeit einen Gebührendeckel nach dem anderen für Bankleistungen fordern, darüber im Klaren sind, was das bedeuten kann.“

Gros wies darauf hin, dass die Genossenschaftsbanken nun auch flächendeckend Negativzinsen einführen. Bei den Privatkunden, sofern sie als Bestandskunden gelten, seien in der Regel lediglich Guthaben in Höhe von über 20.000 Euro betroffen. Neukunden müssten allerdings damit rechnen, ab dem ersten Euro auf ihrem Konto „Verwahrgeld“ zu bezahlen.

Insgesamt ist die Einseitigkeit, mit der Banken ohne jede Differenzierung und ohne Berücksichtigung der möglichen Folgen zunehmend der Handlungsspielraum genommen werde, aus Gros‘ Sicht fatal. Verlässlichen und soliden Heimatbanken werde durch populistische Forderungen zunehmend das Leben schwer gemacht. „Es wird dringend Zeit, sich des Wertes von Regionalbanken wieder bewusst zu werden, deren Leistung für Gesellschaft und Verbraucher anzuerkennen und politisch entsprechend zu handeln“, unterstrich der GVB-Präsident.

DK

 

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