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(GZ-21-2021)
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► Fritz Schweiger - 1. Vorsitzender der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern e. V.:

 

Kleine Wasserkraft – großer Nutzen

Mit der Abschaltung der letzten thermischen Grundlastkraftwerke in Bayern bleiben neben den Biogasanlagen nur noch die bayerischen Wasserkraftwerke als verlässliche Stromerzeugungsanlagen mit einem nennenswerten Anteil an der Grundversorgung im Freistaat erhalten. Dabei muss auch seitens der Politik vermieden werden, die Bedeutung der rund 4.000 Kleinwasserkraftwerke in Bayern für Klimaschutz und als nachhaltige Stütze für die Energiewende im wahrsten Sinn des Wortes kleinzureden.

Fritz Schweiger. Bild: Zeiler
Fritz Schweiger. Bild: Zeiler

Vielmehr ist eine ausgewogene Betrachtung und Abstimmung zwischen den ökologischen, ökonomischen und sozialen Anforderungen der Gesellschaft und dem Umweltschutz bei aller Sorge um dem Klimawandel unabdingbar. Für die (auch Kleine) Wasserkraft in Bayern heißt das, dass gewässerökologische Belange gleichrangig mit Klimaschutz- und Energiewendeaspekten betrachtet werden müssen.

Die Vorteile einer nachhaltigen und ökologischen Wasserkraftnutzung in Bayern liegen klar auf der Hand. Die Wasserkraftwerke liefern im langjährigen Jahresdurchschnitt zuverlässig und berechenbar rund 12 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom, davon etwa 1,2 Milliarden kWh die Kleine Wasserkraft. Der Strombedarf von knapp 390.000* Durchschnittshaushalten (ca. 3.100 Kilowattstunden pro Jahr) kann so gedeckt werden, verbunden mit einer Kohlendioxid-(CO2-)Vermeidung von gut 480.000* Tonnen (bei durchschnittlich 401 Gramm pro Kilowattstunde CO2-Ausstoß im bundesdeutschen Strommix in 2019; Tendenz seit 2021 wieder merklich steigend). Sie ist nicht nur die älteste Form der gesicherten Stromerzeugung, sondern immer noch die effizienteste Art, regenerative Energie kundennah und planbar, rund um die Uhr, wetter- und importunabhängig, flexibel in größerer Menge und weitgehend subventionsfrei zuverlässig bereit zu stellen. Damit leistet sie in der Grundlast einen unverzichtbaren Beitrag zur Umsetzung der Energiewende.

Wasserkraft ist anders als Wind und Sonne ständig verfügbar, lässt sich speichern und ist in Bayern reichlich vorhanden. Außerdem leistet sie Beiträge zur Sohlstabilisierung der Flüsse (Vermeidung von Grundwasserabsenkung), zum Hochwasserschutz sowie zur Reinigung der Gewässer von Wohlstandsmüll. Ökologisch ist Wasserkraft besonders klimafreundlich (kein CO2) und ressourcenschonend. Wollte man die Wasserkraft in vergleichbar hoher Qualität für die Versorgungssicherheit durch Photovoltaik ersetzen, ginge das nur in Kombination mit noch zu bauenden Stromspeichern, was die Stromkosten noch stärker in die Höhe treiben würde.

Für die Kleinwasserkraftanlagen spricht zusätzlich, dass sie durch ihre Grundlastfähigkeit stabilisierend und kostensparend meist in die regionalen Verteilungsnetze auf der Nieder und Mittelspannungsebene einspeisen. Laut einer Untersuchung der Bergischen Universität Wuppertal BUW vom Oktober 2018 würde der Ersatz aller Kleinwasserkraftwerke unter 1.000 Kilowatt Leistung in Deutschland durch Photovoltaikanlagen zu zusätzlichen Netzkosten von über einer Milliarde Euro führen. Allein durch die netzdienliche Wirkung der kleinen Wasserkraft wird somit ein hoher Betrag an Netzinfrastrukturkosten in der leitungsgebundenen Energieversorgung eingespart.

Energiewirtschaftlich gesehen kommen auch für die Kleinwasserkraft noch zahlreiche weitere, positiv zu bewertende Faktoren hinzu. Dazu zählen die Momentan- und Notstromreserve ebenso wie die Inselbetriebsfähigkeit oder der Einsatz in innovativen und zukunftsweisenden „Zellularen Energiesystemen“, in deren Bereich die Wasser- bzw. Kleinwasserkraft zum Teil heute schon wertvolle Beiträge zur Systemstabilität und zur Versorgungssicherheit liefert.

Die Wasserkraft – ob groß oder klein – ist auch langfristig in Bayern unverzichtbar. Gerade auch die dezentral strukturierten Kleinwasserkraftwerke weisen noch außerordentlich hohe Innovations- und Transformationspotenziale auf, die mit der zunehmenden Digitalisierung und Netzautomatisierung realisiert werden können. Ihre besonderen technischen und energiewirtschaftlichen Eigenschaften stehen für wichtige Zukunftsaufgaben zur Verfügung. Dies wird umso klarer, wenn nach der Abschaltung der großen Kern- und Kohlekraftwerke die Verantwortung für die Netzstabilität und die Versorgungssicherheit von den dezentralen Erneuerbaren Energien übernommen werden muss.

Die Kleinwasserkraft steht bereit, die Transformation in ein völlig neues Energiezeitalter mit einem Höchstmaß an Engagement, Kompetenz, Knowhow und Erfahrung zu unterstützen. Vor dem Hintergrund des dringlichen Themas Klimaschutz plädieren die bayerischen Wasserkraftverbände Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern (VWB) und der Landesverband Bayerischer Wasserkraftwerke (LVBW) deshalb dafür, den erneuerbaren Energien inklusive der Wasserkraft in der nächsten Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und in den Klimaschutzprogrammen der Bundesländer ein übergeordnetes öffentliches Interesse einzuräumen.

Es geht dabei in erster Linie darum, dass zum Beispiel bestehende Querbauwerke, die zur Sohlstabilisierung oder für den Hochwasserschutz erforderlich sind, auch für eine erneuerbare und ökologisch verträgliche Stromerzeugung nutzbar gemacht werden dürfen. Entsprechend könnten so der Bau und Unterhalt solcher Sicherungseinrichtungen durch die Erzeugung klima- und ressourcenschonender Energie dauerhaft finanziert und damit der Staat entlastet werden. Davon betroffen sind ebenso die Genehmigungsverfahren für die Modernisierung und den Weiterbetrieb von Wasserkraftanlagen, deren Genehmigung für den Weiterbetrieb regelmäßig, zum Beispiel alle 30 Jahre, erneut eingeholt werden muss. Die Wasserkraft inklusive der Kleinwasserkraft liegt daher uneingeschränkt im öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit. Sie ist de facto systemrelevant.

Das Bild zeigt die Francisturbine der Weihermühle am Blautopf in Essing. Die Maschine wurde von der Fa. B+F Maschinenbau 2018-2019 vollständig generalüberholt und die gesamte Wasserkraftanlage von der Fa. Goppold ab der Wehranlage neu aufgebaut. Sie versorgt ein danebenliegendes Mietshaus direkt mit der erzeugten elektrischen Energie und Wärme. Die Wärmeerzeugung läuft über mit Wasserkraftstrom betriebene Wärmepumpen mit verschiedenen Wärmetauschern im Turbinenablauf, im Erdreich und an der Druckrohrleitung. Eine Besonderheit stellt außerdem der drehzahlvariable Betrieb der Turbine dar, der den Teillastwirkungsgrad in den langen Trockenphasen verbessert. Bild: IB PFEFFER, Regen 2019
Das Bild zeigt die Francisturbine der Weihermühle am Blautopf in Essing. Die Maschine wurde von der Fa. B+F Maschinenbau 2018-2019 vollständig generalüberholt und die gesamte Wasserkraftanlage von der Fa. Goppold ab der Wehranlage neu aufgebaut. Sie versorgt ein danebenliegendes Mietshaus direkt mit der erzeugten elektrischen Energie und Wärme. Die Wärmeerzeugung läuft über mit Wasserkraftstrom betriebene Wärmepumpen mit verschiedenen Wärmetauschern im Turbinenablauf, im Erdreich und an der Druckrohrleitung. Eine Besonderheit stellt außerdem der drehzahlvariable Betrieb der Turbine dar, der den Teillastwirkungsgrad in den langen Trockenphasen verbessert. Bild: IB PFEFFER, Regen 2019


Buchtenkraftwerk in Calbe / Saale, Inbetriebnahme 2005, Ausbauleistung 2.000 kW (entspricht etwa dem Strombedarf von 10.000 Personen). Die 120 m lange Fischtreppe hat 26 Becken. 22 Fischarten wurden bisher in der Treppe nachgewiesen. Bild: Josef Aigner
Buchtenkraftwerk in Calbe / Saale, Inbetriebnahme 2005, Ausbauleistung 2.000 kW (entspricht etwa dem Strombedarf von 10.000 Personen). Die 120 m lange Fischtreppe hat 26 Becken. 22 Fischarten wurden bisher in der Treppe nachgewiesen. Bild: Josef Aigner

 

Dieser Artikel ist im Sonderdruck „Heimische Energie aus Wasserkraft“ erschienen, der am 05.11.2021 der Ausgabe 21/2021 der Bayerischen GemeindeZeitung beilag.

Der Sonderdruck kann hier komplett heruntergeladen werden.

 * In einer früheren Version war von 3,9 Millionen Durchschnitthaushalten und einer Kohlendioxid-(CO2-)Vermeidung von gut 4,8 Millionen Tonnen die Rede. Wir haben diesen Rechenfehler korrigiert.

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