(GZ-22-2021) |
► Interessengemeinschaft „Strom aus Wasserkraft“: |
Runder Tisch in Bayreuth |
Zunehmend sehen sich die Vertreter der Wasserkraft einem bürokratischen Druck ausgesetzt, der nach ihrer Meinung dazu führen wird, dass immer mehr Anlagenbetreiber in die Insolvenz getrieben werden. Vor diesem Hintergrund fand in Bayreuth ein von der Interessengemeinschaft „Strom aus Wasserkraft“ (IG SaW) organisierter Runder Tisch mit führenden Vertretern von Landratsamt, Wasserwirtschaftsamt Hof und der Fischereifachberatung des Regierungsbezirks Oberfranken statt.
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Die regionalen Wasserkraftbetreiber warnen davor, ihnen durch strengere gesetzliche Vorgaben sprichwörtlich das Wasser abzudrehen. Heftige Kritik übt die „Interessengemeinschaft Strom aus Wasserkraft“ deshalb am Entwurf des neuen Mindestwasserleitfadens des bayerischen Umweltministeriums. Aufgrund der Gesetzeslage sehen sich die Behörden im Recht. Insbesondere die Europäische Wasserrahmenrichtlinie sowie das Wasserhaushaltsgesetz geben aus ihrer Sicht Anlass zum Handeln. Ziel sei es, so Dr. Martin Mörtl vom Wasserwirtschaftsamt Hof, die Durchgängigkeit von Wasserstrecken zu erreichen und dort genügend Wasser in den Abschnitten zu gewährleisten, aus denen Wasser zu den Turbinen und Mühlrädern ausgeleitet wird. In seinem Kurzvortrag zeigte Dr. Wolfgang Häfner, Physikalische Chemie II (Universität Bayreuth), auf, wie die immer wiederkehrende Behauptung, dass die so genannte Kleine Wasserkraft unbedeutend sei, in die Irre führt. Besonders beeindruckend war, als er vorrechnete, dass die 4.000 Kleinwasserkraftwerke in Bayern zusammen ca. 10 Mio. LKW-Ladungen (Sattelauflieger) an CO2 einsparen. Darüber hinaus stellte Häfner die Vorteile der Kleinen Wasserkraft heraus. Dazu zählten u.a. Dezentralität, Grundlastfähigkeit, Bereitstellung von Energie für den Mittelstand zum Eigenverbrauch, sowie ein geringes Ausfallrisiko. Reinhard Moosdorf von der IG SaW wies darauf hin, dass an Gebirgsbächen früher nie Durchgängigkeit geherrscht habe, diese also auch nicht „wiederhergestellt“, sondern nur neu errichtet werden könne. Solche Eingriffe in die gefestigten ökologischen Zustände seien jedoch mit schwerwiegenden Folgen verbunden: Die Fragmentierung von Habitaten werde aufgehoben und damit einigen aggressiven Arten, wie insbesondere Neozoa (gebietsfremde Tierarten), ein künstlicher Überlebensvorteil verschafft. Andere Arten würden damit benachteiligt bis ausgerottet. Besonders negativ wird sich Moosdorf zufolge die beabsichtigte gleichmäßige Vertiefung und Strömungsbeschleunigung von Bachbetten auswirken. Er sprach in diesem Zusammenhang von einer drohenden irreversiblen „vertikalen Flurneuordnung“. Generell, so Moosdorf, sei die Wasserkraft vor dem Hintergrund der Energiewende ein wichtiger Beitrag dazu, die Klimaproblematik in den Griff zu bekommen. Diese sinnvolle Art der Energieerzeugung in dezentralen Anlagen werde als Ergänzung unbedingt gebraucht. Thema einer sich anschließenden Diskussion war die Einteilung der meisten Gewässer als „naturnah“ im Sinne von §28 WHG. Diese verschafft den Behörden erst die Handhabe zu strengen Auflagen gegenüber der Wasserkraft. Nach den eigenen Einteilungsrichtlinien hätte dagegen fast jeder Abschnitt, an dem eine Wasserkraftanlage steht, als „erheblich verändert“ eingestuft werden müssen. Dies hätte die Behörden nach Auffassung der IG SaW, die die Inhaber und Betreiber von etwa 30 Wasserkraftanlagen in der Region vertritt, von vornherein zu einer viel deutlicheren Berücksichtigung der Wasserkraft verpflichtet. Seitens der Behörden wurde darauf verwiesen, dass diese Einteilung nicht mehr änderbar sei, was die IG SaW freilich bezweifelte. Anhand einer Dia-Reihe machte Dr. Häfner zudem deutlich, wie widersinnig diese Einteilung ist: Augenscheinlich naturnahe Abschnitte gelten auf dem Papier als „erheblich verändert“, weil die dort angesiedelten Anlagen den Schutz des Wasserwirtschaftsamts genießen. Augenscheinlich völlig verbaute und einbetonierte Flussabschnitte würden auf dem Papier hingegen als „naturnah“ gelistet und die daran liegenden Wasserkraftanlagen mit ruinösen Restwasserauflagen und Stauabsenkungen überplant. Insgesamt zeichneten sich beim Runden Tisch zwei völlig verschiedene Herangehensweisen ab: Während auf behördlicher Seite immer wieder auf die Rechtslage verwiesen wurde, nahmen die Vertreter der IG SaW die Sachlage ins Visier und forderten, die Anordnungen wissenschaftlich zu unterfüttern. Moniert wurde auch, dass das Landratsamt als Entscheidungsbehörde seinen Ermessensspielraum nahezu unbegrenzt gegen die Wasserkraft, jedoch so gut wie nie für sie nutzt. Außerdem mahnte die Interessengemeinschaft an, Ökologie nicht nur durch die „Fischbrille“ zu interpretieren, sondern ebenso makroökologisch (Einfluss auf die Klimaproblematik) wie mikroökologisch (Makrozoobenthos und andere Kleinlebewesen) zu denken. Angesichts dieser offenbar unüberbrückbaren Differenzen ist es aus Sicht der Organisatoren als Erfolg zu verbuchen, dass die Veranstaltung von gegenseitigem Respekt und dem Wunsch auf eine Fortführung des Dialogs getragen war. |
DK
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