(GZ-3-2022) |
► Versiegelung: |
Weil Eigentum verpflichtet |
Anne Weiß und Marina Klein helfen Gemeinden beim Flächensparen |
Noch zeichnet sich keine positive Tendenz ab: 2020 wurde in Bayern Tag für Tag im Schnitt 11,6 Hektar Fläche verbraucht – mehr als 2019. Dabei gäbe es überall gute Möglichkeiten, Flächen zu sparen: Statt neue Areale auszuweisen, könnte man Baulücken schließen. Doch so einfach ist die Sache nicht, sagt Anne Weiß, Flächensparmanagerin bei der Regierung von Unterfranken: „Die Eigentümer haben starke Rechte, entsprechend eng ist der Handlungsspielraum der Gemeinden.“
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Bürgermeister haben oft das Gefühl, dass sie nur im Schneckentempo vorankommen, was die Freigabe von Grundstücken in Baulücken betrifft. Das ist auch tatsächlich mühsam, so Weiß: „Mir sagte einmal ein Bürgermeister, dass es nichts nützt, Besitzer solcher Grundstücke einmal anzuschreiben, es nützt auch nichts, sie zweimal anzuschreiben.“ Immer wieder müsse man auf die Eigentümer zugehen, um ihnen den Grundsatz „Eigentum verpflichtet!“ bewusst zu machen. Kluge Bürgermeister, Weiß zufolge, wählen dabei auch nicht den offiziellen Weg, sondern setzen sich zum Beispiel mal bei einem Weinfest mit dem Eigentümer zusammen. Flächenkreislaufwirtschaft Es bedeutet oft eine ungeheure Anstrengung, bis man einen Eigentümer soweit hat, dass er eine Brachfläche freigibt. Doch nicht zuletzt mit Blick auf die Umwelt lohnen sich die Bemühungen. Zwar reduzierte sich der Flächenverbrauch in den vergangenen 20 Jahren in Bayern von 28 Hektar am Tag auf nun durchschnittlich „nur“ noch 11,6 Hektar. Doch auch das ist viel zu viel. Die Staatsregierung bekräftigte in der Bayerischen Nachhaltigkeitsstrategie 2017, dass sie den Verbrauch an Fläche langfristig deutlich reduzieren möchte. Als Ziel wird eine „Flächenkreislaufwirtschaft“ anvisiert. Zudem sollen nicht mehr als fünf Hektar pro Tag verbraucht werden. Von diesem Ziel ist man allerdings noch immer weit entfernt. Bürgermeistern bleibt nur zu hoffen, dass sich Baulandeigentümer einen Ruck geben. Dass sie ihren Grund veräußern, auch wenn sie im Moment das Geld nicht nötig haben. Viele Eigentümer sehen das nicht ein, denn sie wissen ganz genau, dass ihr Grundstück in fünf oder gar zehn Jahren noch sehr viel mehr wert sein wird als heute. „Hier wirkt das Prinzip der knappen Güter“, sagt Anna Weiß. Boden ist nun mal ein unvermehrbares Gut. Aus diesem Grund eignet er sich hervorragend als Wertanlage oder Spekulationsobjekt. Mit Grundstücken zu spekulieren, widerspricht allerdings eklatant dem Gemeinwohlgedanken. Weil sich die Ressource Boden immer weiter verknappt, startete der Freistaat im Juli 2019 eine Flächensparoffensive. Unterstützt wird die in jedem bayerischen Regierungsbezirk von Flächensparmanagerinnen und Flächensparmanagern. Mit Anne Weiß und ihrer Kollegin Marina Klein gibt es in Unterfranken zwei besonders aktive Fachfrauen. So geben die beiden, um für das Thema „Flächensparen“ zu sensibilisieren, seit April 2021 einen Newsletter heraus. Im November erschien die dritte Ausgabe. Darin wird konstatiert: „Die Ampel steht auf Rot!“ Denn nach wie vor wird viel zu viel Fläche zubetoniert. Neue Formen des Zusammenwohnens Der Aussage, dass Innenentwicklung der quantitativ bedeutendste Beitrag zu einer effizienteren Nutzung von Fläche ist, widerspricht kaum jemand mehr. Allerdings stellt sich die Frage, ob dadurch der wachsende Bedarf an Wohnraum gedeckt werden kann. Hier ist der Handlungsbedarf augenblicklich enorm, bestätigt Weiß. Für die Geografin stellt sich allerdings die Frage, welchen Wohnraum man baut. Mehrfamilienhäuser seien besser als Häuser für nur eine Familie: „Wir wünschen uns zudem mehr Offenheit, neue Formen des Zusammenwohnens auszuprobieren.“ Gemeinsam genutzte Gärten und Höfe sowie Gemeinschaftsräume helfen ebenfalls, Fläche zu sparen. In 20 Jahren 30.000 Bürger weniger Es gibt einen weiteren guten Grund, wieso das Thema „Wohnen“ nicht nur mit Blick auf den aktuellen Bedarf diskutiert werden sollte: Unterfranken wird schrumpfen. Der neue Newsletter der Flächensparmanagerinnen verweist auf die Bevölkerungsvorausberechnung, der zufolge es in knapp 20 Jahren in der Region fast 30.000 Bürger weniger geben wird. Was bedeutet, dass man um 2040 herum im Vergleich zu heute auf mindestens 14.000 Wohneinheiten verzichten kann. Die eine Patentlösung zum Flächensparen gibt es nicht. Allerdings existieren in Unterfranken inzwischen viele Beispiele, wie der Flächenverbrauch reduziert werden kann. Anne Weiß und Marina Klein sammeln diese Beispiele und veröffentlichen sie in ihrem Newsletter als „Best Practice-Tipps“. Zu den besonders gelungen Vorzeigeprojekten zählt etwa die Nachverdichtung des ehemaligen Keltereiviertels Stenger in Goldbach (Kreis Aschaffenburg). In Weikersheim (Main-Tauber-Kreis) wurde eine brachfallende Hofstelle neu genutzt: Ihr Beruf bringt Weiß mit vielen Menschen zusammen, die sich in Unterfranken dafür engagieren, dass der Flächenverbrauch minimiert wird. Einige dieser Vorbilder stellt die Flächensparmanagerin in ihren Newslettern vor. In der aktuellen Ausgabe erläutert der Würzburger Architekt Roland Breunig unter anderem, warum Tiny Häuser auf Rollen oder auf Industriehallendächern sinnvoll sind. Im Juli-Newsletter verwies Elisabeth Freytag, Kreisbaumeisterin am Landratsamt Aschaffenburg, auf das „Großostheimer Modell“ als neue Form der Umlegung sowie die aus ihrer Sicht notwendige Besteuerung von Leerstand und nicht genutzten Baugrundstücken. |
Pat Christ
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