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(GZ-6-2022)
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► Wohnungsbautag 2022:

 

Fahrplan für zeitgemäßes Wohnen

Studie: 4,3 Mio. neue Wohnungen durch Umbau möglich

Das Ziel ist ambitioniert: 400.000 Wohnungen, davon 100.000 Sozialwohnungen, sollen in diesem und in den kommenden drei Jahren bundesweit neu geschaffen werden. Dass bei diesem Mammutprogramm das Augenmerk auf einen Mix aus Neubau und deutlich mehr Umbau im Bestand gerichtet werden muss, ist das Fazit des 13. Wohnungsbautags in Berlin. Den Fahrplan hierzu liefert eine Studie des Kieler Bauforschungsinstituts „ARGE für zeitgemäßes Wohnen“, präsentiert von führenden Organisationen und Verbänden der Bau- und Immobilienbranche.

Laut ARGE-Institutsleiter Dietmar Walberg liegt das Potenzial, das allein der Umbau bestehender Gebäude bietet, bei über 4,3 Millionen neuen Wohnungen. Genug, um in Kombination mit dem Bau komplett neuer Wohnhäuser das Ziel der Bundesregierung zu erreichen. Der Vorteil der Umbau-Offensive: „Es gibt eine enorm hohe Anzahl neuer Wohnungen, ohne dafür auch nur einen einzigen Quadratmeter Bauland zusätzlich zu benötigen“, so Walberg.

Eine große Chance sieht er dabei im Umbau von Büros, die auch nach der Corona- Phase durch das Etablieren vom Homeoffice nicht mehr benötigt werden. Rund 1,9 Millionen neue Wohnungen könnten auf diese Weise relativ kostengünstig entstehen. Pro Quadratmeter Wohnfläche beläuft sich der Umbau von Büros auf knapp 1.300 Euro, während ein Neubau mehr als 3.400 Euro kostet.

Enormes Potenzial bietet laut Studie auch die Dachaufstockung bei Wohnhäusern, die in der Nachkriegszeit bis zum Ende der 1990er Jahre gebaut wurden: Rund 1,5 Millionen neue Wohnungen sind hier durch On-Top-Etagen möglich. Und das zu Kosten von weniger als 2.500 Euro pro Quadratmeter. Dazu kommen noch einmal rund 560.000 Wohnungen, die durch das Aufstocken von Verwaltungsgebäuden und Bürokomplexen entstehen könnten. Zusätzlich bieten On-Top-Etagen auf Supermärkten, Discountern, Einkaufspassagen und Parkhäusern die Chance auf rund 420.000 neue Wohnungen – meistens in attraktiven Citylagen.

Klimaneutrales Wohnen

Die Wohnungsbau-Studie liefert auch einen Fahrplan dafür, wie das Wohnen klimaneutral werden kann: Die Wissenschaftler setzen auf mehr Energiespar-Sanierungen bei den knapp 19,3 Millionen Wohngebäuden in Deutschland. Hier fordern sie, einen „Turbo-Gang“ einzulegen: Rein rechnerisch sollte künftig jeder 55. Altbau pro Jahr energetisch komplett modernisiert werden. Bislang ist es nur jedes 100. Wohnhaus. Damit würde die jährliche Sanierungsrate von derzeit einem auf 1,8 Prozent steigen.

Bei der Klimaschutz-Modernisierung fordern die Wissenschaftler der ARGE allerdings, Kosten und Nutzen gründlich abzuwägen, um das Wohnen nicht unverhältnismäßig teuer zu machen. Deshalb favorisieren sie bei energetischen Sanierungen von Gebäuden das Effizienzhaus 115 als Standard. Ein voll sanierter Altbau würde dann beim Energieverbrauch sogar bis auf 15 Prozent an einen Neubau mit seinen heute im Gebäudeenergiegesetz GEG vorgeschriebenen Standards heranreichen.

Beim künftigen Neubau empfiehlt die Untersuchung das Effizienzhaus 70. Schließlich sei es beim Neubau genauso wie beim Modernisieren notwendig, die Ressourcen im Blick zu haben – vor allem auch Fachkräfte und staatliches Fördergeld. Beides sei knapp. Und hier bieten die Effizienzstufen 115 (Altbau) und 70 (Neubau) laut ARGE einen „machbaren Mittelweg“.

Die jährlichen Kosten für die empfohlenen Energiespar-Sanierungen beziffert die Studie auf bis zu 150 Milliarden Euro pro Jahr – 3,6 Billionen Euro bis 2045. Dann nämlich soll Deutschland klimaneutral wohnen. Ohne zusätzliche grüne Energie fürs Heizen und für Strom werde dies allerdings nicht möglich sein, betont die ARGE. Und um die Energiespar-Offensive bei Altbauwohnungen überhaupt erst einmal anzustoßen, müsse der Staat Anreize für die Modernisierung setzen: Mindestens 30 Milliarden Euro seien hierfür pro Jahr an Förderung notwendig.

Würde die Politik die Energiespar-Messlatte noch höher legen, wären auch die Kosten und notwendige Förderungen weitaus höher: Um ein bestehendes Ein- oder Zweifamilienhaus auf das Niveau vom KfW-Effizienzhaus 115 zu bringen, nennt die Studie Kosten zwischen 660 und 1.070 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Dagegen koste das Effizienzhaus 40 mindestens 50 Prozent mehr – in der Spitze sogar knapp 1.600 Euro pro Quadratmeter. Grundsätzlich gelte: Im Neubau seien höhere Standards leichter zu erreichen als bei Altbauten.

Erheblichen Nachholbedarf gebe es auch beim altersgerechten Umbau: Nur jeder zwölfte Senioren-Haushalt lebe in einer Wohnung mit keinen oder nur wenigen Barrieren. Um mehr Wohnhäuser altengerecht zu modernisieren, müsse der Staat eine Förderung von 3 Milliarden Euro jährlich bieten – gegen eine wachsende „Graue Wohnungsnot“. Denn die werde spätestens dann zu einem drängenden Problem, wenn die Baby-Boomer-Generation in Rente gehe.

„Die Ampelkoalition muss jetzt den Weg frei machen für klimaschonendes Bauen und Modernisieren, das für alle bezahlbar ist. Das gelingt nur, wenn bei der Gebäudeeffizienz Kosten und Nutzen gründlich abgewogen werden“, erläuterte Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW. Aus seiner Sicht darf nicht mit Scheuklappen nur auf die Gebäudehülle geachtet werden, sondern es sei ein Mix aus maßvoller und bezahlbarer Verbesserung der Gebäudehülle, CO2-freier Wärmeversorgung und robuster Technik zur verbrauchssenkenden Nutzerunterstützung notwendig. Immer höhere Standards überforderten sowohl Bauherren als auch Mieter finanziell und brächten nicht den gewünschten Klima-Effekt. Erneuerbare Energien, Mieterstrom, kommunale Wärmeplanung sowie Flotten- und Quartierslösungen müssten nach vorne gebracht werden, „denn was für eine neue Fördersystematik zählt, ist der CO2-Ausstoß pro Quadratmeter Wohnfläche“.

Die richtigen Wohnungen an den richtigen Standorten

Nach den Worten von Prof. Dr. Eckart Würzner, Erster Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister der Stadt Heidelberg, könne das Ziel, jährlich 400.000 Wohnungen und davon 100.000 Sozialwohnungen zu bauen, gegen steigende Mieten und Kaufpreise helfen, wenn an den richtigen Standorten für die richtigen Zielgruppen die richtigen Wohnungen gebaut werden. Angesichts gleichzeitig steigender Bau- und Bodenpreise für Neubauten seien die Herausforderungen aber enorm.

„Die Städte sehen deshalb große Chancen, Fördermittel auch in die Modernisierung von bestehenden Gebäuden zu lenken und so neue preisgünstige Wohnungen zu schaffen. Wenn Häuser und Quartiere sowohl energetisch saniert als auch mit neuen Sozialbindungen versehen werden, werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. So könnten Klimaschutzziele und der Wunsch nach mehr bezahlbarem Wohnraum in Einklang gebracht werden. Neubauziele sollten also nicht nur rein quantitativ verfolgt werden, sondern stärker vorhandene Ressourcen berücksichtigen“, erklärte Würzner.

Für die geplanten 100.000 neuen Sozialwohnungen jährlich, d.h. vier Mal so viele wie bislang, müssten Bund und Länder in jedem Fall ihre Finanzierung massiv ausweiten. Außerdem seien innovative Modelle hilfreich. Zum Beispiel könnten befristete Sozialbindungen für Wohnungen vorzeitig verlängert oder Belegungsrechte für Mieterinnen und Mieter mit geringen Einkommen mit Vermietern vereinbart werden, stellte der Städtetags-Vize fest.

DK

 

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