(GZ-13-2022) |
► Mutigere Schritte wünschenswert: |
EZB leitet Kurswende ein |
Ende der Anleihekäufe und erste Zinserhöhung seit elf Jahren |
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Einstellung des milliardenschweren Anleihen-Ankauf-Programms zum 1. Juli und eine erste Anhebung der Leitzinsen beschlossen. Diese sollen im Euroraum um jeweils 25 Basispunkte angehoben werden. Mit der ersten Zinserhöhung seit elf Jahren reagieren Europas Währungshüter auf die stark gestiegene Inflation, die seit Monaten vor allem von steigenden Energiepreisen getrieben wird. Für höhere Preise sorgen aber auch Probleme in den Lieferketten.
Zunächst aber bleibt der Leitzins aber auf dem Rekordtief von null Prozent, Banken müssen für geparkte Gelder bei der EZB weiterhin 0,5 Prozent Zinsen zahlen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte in Aussicht gestellt, die Negativzinsen bis Ende September zu beenden. Mittelfristig strebt der EZB für den Währungsraum der 19 Länder mittelfristig stabile Preise bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an.
Im laufenden Jahr rechnen Volkswirte mit einer Serie von EZB-Zinsschritten nach oben. Bis zum Ende des Jahres könnte der Einlagensatz demnach auf plus 0,5 Prozent steigen und der Hauptrefinanzierungssatz ein Niveau von 0,75 Prozent erreichen.
Überfälliges Signal
Aus Sicht von Bayerns Finanzminister Albert Füracker „nimmt die EZB mit ihren Beschlüssen endlich den Fuß etwas vom Gas und nimmt Kurs auf die erste Zinserhöhung seit über zehn Jahren“. Angesichts der Rekordinflation sei dies zwar viel zu spät, aber endlich das lang geforderte und überfällige Signal. Auch wenn die EZB im Juli die Nettoanleihekäufe stoppt und wieder die Zinsen anhebt, blieben die Geldschleusen weit offen. Der EZB-Rat werde daher kaum darum herumkommen, bald nachzulegen. Die Rückkehr zu stabilen Preisen müsse für die Geldpolitik oberste Priorität haben. Auch nach der angestrebten Erhöhung von 0,25 Prozent verbleibe ein negativer Einlagezins – die Inflation galoppiere weiter auf mittlerweile über 8 Prozent, so Füracker.
Verpasste Chance
Die EZB werde den Ausstieg aus der langjährigen Negativzins-Situation nur teilweise einläuten, denn die Einlagezinsen für Kreditinstitute von minus 0,5 Prozent blieben unverändert, teilte Prof. Dr. Ulrich Reuter, Präsident des Sparkassenverbands Bayern, mit. Reuter zufolge „wurde hier abermals eine Chance verpasst, dabei wäre eine weitergehende Kurskorrektur bereits überfällig – nicht nur zur Inflationsbekämpfung, sondern auch zur Behebung von Fehlentwicklungen, die mit der jahrelangen Negativzinspolitik entstanden sind. Hier sitzen die Sparkassen mit den Sparerinnen und Sparern im gleichen Boot, denn ohne Zinsen läuft ihr Modell nicht rund. Der kumulierte Schaden aus den vergangenen Jahren könnte auch mit einer schrittweisen Normalisierung der Zinswelt erst allmählich wieder reguliert werden, doch so verschärft sich die Lage sogar weiter.“
Reuter warnte gleichzeitig davor, jetzt in der Inflationsbekämpfung zu zögerlich vorzugehen. Nach mehr als zehn Jahren anormaler Zinsen und der Ablehnung der Geldpolitik, ihren fehlerhaften Kurs früher behutsam zu berichtigen, blicke Deutschland heute auf die höchste Inflationsrate der Nachkriegszeit. Es solle nun alles unternommen werden, damit nicht die nächste Dekade von der Inflation geprägt wird. „Die Inflation muss jetzt unter Kontrolle gebracht werden. Die Zinsschritte dürfen nicht zu zögerlich sein, um Vertrauen zu bilden“, forderte der SVB-Präsident. Erst eine konsequente Anhebung aller Zinsinstrumente deutlich über Null hinaus würden auch die Geschäftspolitik der Sparkassen in einen Normalmodus zugunsten ihrer Einleger zurückführen. Dann wären sie voraussichtlich in der Lage, auch die notwendigen Verwahrentgelte für hohe Einlagen bei den Sparkassen sukzessive zurückzufahren.
„Die EZB hat sich offenbar endlich entschieden, den Kampf gegen die Inflation im Euroraum aufzunehmen. Das Ende der Anleihekäufe ist ein längst überfälliges, gutes und wichtiges Signal für die Menschen in Europa. Die EZB erfüllt damit die selbstgesetzte Vorbedingung für eine Zinswende. Für die Zinssitzung im Juli sollte sich der EZB-Rat aber zu einem deutlicheren Schritt durchringen und den Leitzins gleich um 0,5 Prozentpunkte anheben. Die heute als wahrscheinlichere Dimension angekündigten 25 Basispunkte sind zu zögerlich. Mit einem entschlosseneren Schritt um 50 Punkte wäre das leidige Thema der Negativzinsen endlich erledigt“, stellte Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), fest.
Aus seiner Sicht dürfen Europas Währungshüter keine Zweifel zulassen an ihrem Ziel der Geldwertstabilität und am Inflationsziel von zwei Prozent. Jetzt sei nicht die Zeit für zögerliche Trippelschritte, „denn je höher die Inflationserwartungen wachsen, desto größer wird die Gefahr, in eine Spirale von steigenden Preisen und entsprechend höheren Lohnforderungen zu geraten“, erläuterte Schleweis.
Mutigere Schritte wünschenswert
„Es ist sehr zu begrüßen, dass die EZB die Kehrtwende aus den Negativzinsen einleitet“, unterstrich GVB-Präsident Gregor Scheller gegenüber der Augsburger Allgemeinen. Dies sei auch dringend nötig, um der weiter galoppierenden Inflation Einhalt zu gebieten. „Wir hätten uns allerdings mutigere Schritte gewünscht“, räumte Scheller ein.
Laut Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, „war die Entscheidung der EZB, die Nettoanleihekäufe einzustellen, überfällig“. Inflationsraten von derzeit über acht Prozent verunsicherten Verbraucher und Unternehmen. Sie schöben die Inflationserwartungen weiter an. Das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale sei deutlich gestiegen.
Als „immer noch zu zögerlich“ bezeichnete der Hauptgeschäftsführer den EZB-Zeitplan. Das fundamental geänderte Preisumfeld rechtfertige einen negativen Leitzins bis in den Herbst hinein nicht mehr. Die EZB sollte deshalb im Juli – noch vor der Sommerpause – ihre Negativzinspolitik mit einer Leitzinserhöhung um 50 Basispunkte in einem Schritt beenden. „Das wäre ein deutliches und dringend notwendiges Signal an Verbraucher, Unternehmen und Tarifparteien. Es würde den Anstieg der Inflationserwartungen auf jeden Fall bremsen.“
DK
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