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(GZ-15/16-2022)
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Klimaneutrales Bayern 2040 - Nur mit Hilfe aller Gemeinden

Detlef Fischer, VBEW

Der VBEW – Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e. V. unter der Leitung von Hauptgeschäftsführer Dipl.-Ing. Detlef Fischer wird von den meisten insbesondere für seine pointierten Aussagen und klaren Ansagen zur bayerischen Energiewirtschaft geschätzt.

Bilder: Mario Dobelmann und Patrick Hendry auf Unsplash
Bilder: Mario Dobelmann und Patrick Hendry auf Unsplash

So lässt auch der Titel von Fischers Vortrag an Klarheit nichts offen: Wer außer der Bayerischen Staatsregierung Klimaneutralität für Bayern 2040 will oder fordert, der muss auch seinen entsprechenden Beitrag dafür leisten – heißt: Jede Gemeinde muss liefern!

Sich weiterhin hinter vermeintlich unabänderlichen Vorschriften zu verstecken und wie beim Schwarzen-Peter-Spiel die Veränderungsverantwortung in Richtung höhere Stellen, wie der bayerischen Staatsregierung oder den Bezirksregierungen, zu verweisen, ist Wein predigen, aber nur abgestandenes Wasser liefern. Die Transformation zu einer klimaneutralen Lebens- und Arbeitsweise in der Gesellschaft ist nur gemeinsam zu schaffen und fordert von allen ein hohes Maß an Veränderungsbereitschaft.

Die Position für den VBEW ist eindeutig: An der Bayerischen Energiewirtschaft werden die Klimaschutzziele 2040 für Bayern nicht scheitern. Das klimaneutrale Bayern 2040 ist Ziel und Arbeitsauftrag zugleich. Daher beschäftigt sich der VBEW sehr ernsthaft damit, welche geeigneten Wege zum klimaneutralen Bayern 2040 führen und wie die notwendigen Maßnahmen dazu umgesetzt werden können. Ein angestrebtes Ziel ist, dass Ökonomie und Ökologie gleichermaßen Gerechtigkeit widerfahren und der Industriestandort Bayern nicht beeinträchtigt werden soll – klingt nach der berühmten eierlegenden Wollmilchsau, die bekanntlich in Bayern beheimatet ist. Immerhin liegt der aktuelle klimaschädigende Kohlendioxidausstoß jedes Einwohners von Bayern bei pandemiebedingten nur sieben Tonnen CO2 pro Jahr – und der soll sich in knapp zwei Jahrzehnten auf Null verflüchtigen: ein wahrlich hehres Ziel, denn der CO2-Ausstoß wird mit mehr Reisefreiheit und wegen der Folgen des verheerenden Ukraine-Kriegs wieder spürbar steigen.

Klar ist schon jetzt, dass sich Bayern an das angestrebte Klimaschutzziel nur mit einem massiven Ausbau der Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien annähern kann. Dafür muss gerade den Gemeinden wirklich bewusst werden, vor welcher Herkulesaufgabe sie als die Energieproduzenten der Zukunft stehen. Das „flache“ Land wird mit seinen verfügbaren freien Flächen in Zukunft die Bewohner in den Städten mit klimaneutraler Energie versorgen müssen, denn die Städte und industriellen Zentren werden aufgrund ihrer hohen Energieverbrauchsdichte mehr Energie nachfragen, als sie selbst bereitstellen können.

Daher sind die Gemeinden aufgefordert, zügig ihr Baurecht zu nutzen und bei entsprechender Standorteignung für Solar- und Windkraftwerke Freiflächen auszuweisen. Jede Region und jede Gemeinde in Bayern müssen sich entsprechend ihrer spezifischen Möglichkeiten am Umbau der Energieversorgung in Bayern beteiligen.

Allerdings ist der Ausbau der Erneuerbaren nur eine Stellschraube, um die Elektrifizierung auf allen Ebenen voranzutreiben. Eine zweite ist eine deutliche Reduzierung des Energieverbrauchs, also Energie sparen privat ebenso wie in der Produktion. Und schließlich einen weitgehend klimaneutralen Ersatzstoff bereitstellen, das heißt fossiles Gas durch GRÜNEN Wasserstoff ersetzen. Denn was heißt die staatlich angestrebte bayerische Klimaneutralität?

Im Jahr 2040 soll es zur Deckung des Primär- und Endenergiebedarfs in Bayern weder fossiles Gas noch Öl und Kohle geben (Kernenergie schon ab Ende 2022 nicht mehr), sondern nur noch erneuerbare Energie inklusive Wasserstoff, der allerdings nicht um die halbe Welt herbeigeschafft werden sollte. Bayerns Klimaneutralität in den nächsten 18 Jahren zu erreichen, klingt nach der Quadratur des Kreises und ist mindestens so anspruchsvoll wie die richtige Lösung für den Zauberwürfel des ungarischen Architekten Ernö Rubik. Denn schon jetzt ist die heimische Stromerzeugung in Bayern rückläufig trotz des Anstiegs der erneuerbaren Erzeugung.

Als hochindustrialisiertes Bundesland verbraucht Bayern mehr Energie, als es selbst bereitstellen kann. Bayern ist also auf Energieimporte angewiesen insbesondere auch im Winter, wenn die Sonne widererwarten nicht ausreichend lange scheint oder Schnee und Eis die Solarpanele bedeckt. Möglicherweise weht in der sogenannten Dunkelflaute auch kein Wind. Die Gretchenfrage bleibt: Wie soll dann der Energiehunger gestillt werden. Trotz des erklärten Willens des VBEW, den postulierten energiewirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Weg zur Klimaneutralität zum Ausbau der erneuerbaren Energien in Bayern nach Kräften zu unterstützen, kann derzeit nach Aktenlage eine belastbar seriöse Antwort darauf nicht gegeben werden.

Das wird sehr deutlich, wenn man sich vorstellt, was ab gleich und sofort bis 2040 Woche für Woche in Bayern in Sachen Energiebedarfsdeckung installiert bzw. in Betrieb genommen werden müsste:

Ausbau Pro Woche

  • Solarkollektoren/-module auf der Fläche von 160 Fußballplätzen (= 26 Fußballfelder pro Tag)
  • Solarkollektoren/-module auf rund 1.000 Wohnhäusern.
  • Zwei Windkraftwerke mit jeweils 5.000 Kilowatt Leistung
  • Errichtung von einem Umspannwerk für den Netzausbau
  • Inbetriebnahme von drei Elektrolyseuren mit einer Leistung von 5.000 Kilowatt
  • Inbetriebnahme von drei Großbatteriespeichern mit einer Kapazität von insgesamt 15.000 Kilowattstunden
  • Ersatz von 2.300 fossilen Heizungsanlagen durch regenerative Anlagen (plus notwendigem Wärmenetzausbau)
  • Energetische Sanierung von 1.250 Wohngebäuden
  • Ersatz von 8.600 PKW mit Verbrennermotoren durch Elektro- oder Wasserstofffahrzeuge

Sollte dieser Ausbautraum in Bayern Wirklichkeit werden heißt das allein für Bayern im Jahr 2040:

  • Solarkraftwerke mit einer installierten Leistung von 80 Millionen Kilowatt
  • Windkraftwerke mit einer installierten Leistung von 13 Millionen Kilowatt
  • 1.000 neue Umspannwerke
  • Großbatteriespeicher mit einer Kapazität von 15 Milliarden Kilowattstunden
  • Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff mit einer Leistung von rund 5.000 Megawatt
  • 2,4 Millionen umgerüstete Heizungsanlagen (ab 2021)
  • 1,2 Millionen energetisch sanierte Wohngebäude (ab 2021)
  • Null fossil angetriebene Fahrzeuge

Umsetzungsskepsis ist angesichts der Dimensionen angebracht. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, so dass der VBEW den Schlüssel zum Erfolg in einen ausgewogenen Mix unterschiedlicher Technologien bei einer Energieversorgung mit erneuerbaren Energien sieht. Die einzelnen erneuerbaren Energieträger, allen voran die in Bayern stark vorhandene Wasserkraft, dürfen dabei nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern sollten sich gegenseitig ergänzen. Sonnenenergie wird neben der Wasserkraft und der Windkraft der neue Lastenesel der Energiewende in Bayern. Mit den Stärken des einen Energieträgers lassen sich Schwächen des anderen ausgleichen. Nur in Kombination mit gut ausgebauten Netzen und Speichern (kurz-, mittel- und langfristig) wird daraus ein bedarfsorientiertes und sicheres Energieversorgungssystem.

Ein wahrliches Wort in Gottes Ohr, angesichts der visionären Energieversorgungsszenarien und der widerstreitenden Interessen in Bevölkerung, Politik und bei Klima-, Natur- und Umweltschutzverbände und -gruppierungen.

Weitere Informationen unter: www.vbew.de

JK

 

Detlef Fischer, VBEW
Detlef Fischer, VBEW

 

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