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(GZ-17-2022)
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► 121. Verbandstag der bayerischen Genossenschaften in München:

 

Genossenschaften stehen für werteorientiertes Wirtschaften

VR-Banken legen bei Pressegespräch Halbjahreszahlen vor

Anlässlich ihres 121. Verbandstags in München haben die Genossenschaften im Freistaat ihre zentrale Rolle in der bayerischen Wirtschaft betont. Allerdings machten politische Entscheidungen Genossenschaften eher das Leben schwer, anstatt sie zu fördern, beklagte Gregor Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Zwar mangle es nicht an Unterstützungsbekundungen für werte-orientiertes Wirtschaften, jedoch hielten die politischen Ankündigungen der Realität leider nicht stand.

Anstelle Genossenschaften in ihrem Wirken zu unterstützen, schaffe die Politik neue Bürokratie, um Werte in der Wirtschaft zu verankern. Als Beispiele nannte der GVB-Präsident die grüne Taxonomie, zahlreiche Berichts- und Offenlegungspflichten sowie das europäische Lieferkettengesetz. „Das ist der vollkommen falsche Weg“, kritisierte Scheller. Die Bürokratie nehme sowohl den mittelständischen Unternehmen als auch den Genossenschaften die Luft zum Atmen.

Genossenschaften seien als „Vorbild für werte-orientiertes Wirtschaften und Handeln“ aktuell relevanter denn je. „Diese Verbindung aus Wirtschaftlichkeit einerseits und Werten andererseits macht die Genossenschaft zur idealen Unternehmensform für die Zukunft“, so der Verbandspräsident. Da Genossenschaften Eigenverantwortung und Solidarität vor Eigennutz stellten, könnten sie nachhaltig und langfristig handeln. Scheller nannte dafür folgende Beispiele:

  • In der Corona-Pandemie haben Genossenschaften schnell und unkompliziert geholfen, wo andere Unternehmen erstmal nach der Hilfe des Staats gerufen haben.
  • In der Ukraine-Krise haben die bayerischen Genossenschaften über 1,5 Millionen Euro an Flüchtlinge gespendet, wo andere noch Geschäfte mit Russland machten.
  • Wo andere Unternehmen Gewinne in Steueroasen verlagern, zahlen die Genossenschaften ihre Steuern vor Ort und tragen so zum Gemeinwesen bei.
  • In Krisenzeiten bieten die Molkereigenossenschaften ihren Mitgliedern eine sichere Abnahme der Milch und ein faires Milchgeld, wo andere Molkereien ihre Tore verschließen.
  • Die Energiegenossenschaften ermöglichen Bürgern die Teilhabe an der Energiewende, wo sonst nur private Investoren Reibach machen.
  • Die Volksbanken und Raiffeisenbanken haben trotz Negativzinsen weiterhin Einlagen ihrer Kunden angenommen und zum allergrößten Teil auf Verwahrentgelte verzichtet. Sie sind nicht wie andere Banken einfach auf den Kapitalmarkt umgeschwenkt, um sich billiger zu refinanzieren. Diese Leistung war für die Volksbanken und Raiffeisenbanken eine erhebliche Belastung.

Laut Ehrengast Hubert Aiwanger, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, leisten Genossenschaften einen wichtigen Beitrag zur dezentralen Energieversorgung, Nahrungsmittelversorgung und bei der Finanzierung des Mittelstands. „Wichtiger denn je sind die rund 250 Energiegenossenschaften in Bayern, die aktiv an der kommunalen Energiewende und zur Erreichung der Klimaziele mitwirken“, fuhr Aiwanger fort. „Sie können die Bürger einbinden und so dafür sorgen, dass die Bevölkerung hinter lokalen Projekten steht.“ Unser Windkümmerer-Projekt ist ein erfolgreiches Beispiel, das von Genossenschaften mitgetragen wird“, sagte der Minister.

Bürgerbeteiligung erhalte den sozialen Zusammenhalt. Dafür müssten Brüssel und Berlin den Energiegenossenschaften den nötigen Freiraum geben, etwa durch die Entbürokratisierung von Vorschriften.

Da die Genossenschaften aufgrund ihrer vielfältigen Aufgaben ein wertvoller Partner bei der Finanzierung und Beratung seien, setzte sich Bayern nachdrücklich für gute Rahmenbedingungen für Genossenschaften ein, zum Beispiel bei zentralen Fragen rund um Sustainable Finance. Des Weiteren werden wir uns für den Erhalt der bewährten Institutssicherungssysteme von Genossenschaftsbanken im Rahmen der Diskussionen um eine europäische Einlagensicherung auf europäischer Ebene stark machen,“ versprach Aiwanger.

Die genossenschaftlichen Werte geben auch Antworten auf die derzeit drängenden gesellschaftlichen Debatten, bemerkte Wolfgang Altmüller, Vorsitzender des GVB-Verbandsrats und ehrenamtlicher Verbandspräsident. „Die Menschen, die diese Werte verkörpern, sind keine angestaubten Denkmäler aus vergangenen Zeiten, sondern stehen mitten im Leben und sind auf der Höhe der Zeit.“ Der Ehrenamtliche Verbandspräsident machte das an der genossenschaftlichen Nähe fest. Diese sei für das Geschäftsmodell der Genossenschaften unabdingbar. „Wir kennen unsere Kunden, wir kennen unsere Region, wir wissen um die Chancen und Entwicklungspotenziale.“ Die starken, stabilen und wirtschaftlich erfolgreichen Genossenschaften böten beste Voraussetzungen für „sinnerfülltes Arbeiten“ – ein Faktor, der besonders für junge Menschen bei ihrer Entscheidung für einen Arbeitgeber eine immer größere Rolle spiele.

In einer sich anschließenden Podiumsdiskussion erörterten Roland Petzke, Geschäftsführer der Raiffeisen Waren GmbH Oberbayern Südost, Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment, Robert Mayr, Vorstandsvorsitzender der DATEV eG, Ruth Houbertz, 1. Vorständin der Society 6.0 – Bewegung für Menschen und Umwelt eG, Bernhard Schmidt, Geschäftsführer der NEW – Neue Energien West eG, und GVB-Präsident Gregor Scheller aktuelle Herausforderungen für Genossenschaften.

Dabei plädierte Bernhard Schmidt, Geschäftsführer der NEW – Energiegenossenschaft Neue Energien West eG aus Grafenwöhr, für eine stärkere Zusammenarbeit der Genossenschaften bei der Energiewende. Der Kampf um Flächen für Photovoltaik-Anlagen oder Windräder sei voll entbrannt. In zahlreichen Gemeinden würden sich die Projektierer die Klinke in die Hand geben, die Lage sei dramatisch. Schmidt zufolge ist es jetzt wichtiger denn je, vor Ort mit den Flächenbesitzern zu reden. „Sind die Grundstücke erst einmal verpachtet, sind die Genossenschaften raus aus dem Spiel.“ In diesem Zusammenhang bat Schmidt die Volksbanken und Raiffeisenbanken um Unterstützung bei der Akquise von Flächen für die Energiewende, indem sie ihre Kunden ansprechen. Jetzt gelte es, die Chancen zu nutzen, bevor es andere tun.

Roland Petzke, Geschäftsführer der Raiffeisen Waren GmbH Oberbayern Südost, berichtete von Engpässen bei vielen Energieträgern. „In der Praxis ist es eng. Die Raffinerien geben zum Beispiel keine Preise für Mineralöl mehr heraus“, berichtete Petzke. Die Raiffeisen-Warengesellschaften müssten deshalb für ihre Kunden und Mitglieder mitdenken. Das sei jedoch selbstverständlich. „Mitdenken ist für uns Tagesgeschäft. Das ist unser Job.“

Zu den 1.167 genossenschaftlichen Unternehmen zählen neben Firmen aus 35 Branchen – von Molkereien, über Energie- und Handwerksbetrieben bis zu Unternehmen im sozialen und kulturellen Bereich – auch 208 Volks- und Raiffeisenbanken. die Genossenschaften ein wertvoller Partner bei der Finanzierung und Beratung. Diese blickten auf ein von Wachstum geprägtes erstes Halbjahr 2022 zurück, wie GVB-Präsident Scheller bei einer Pressekonferenz in München mitteilte.

Sowohl im Kreditgeschäft als auch bei den Einlagen konnten die Banken zulegen. Scheller zufolge sind die Volks- und Raiffeisenbanken im Freistaat stabil und erfolgreich. Für eine Phase der Unsicherheiten sehen sie sich gut gewappnet. Die Bilanzsumme der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken wuchs um 1,9 Prozent auf 204,8 Milliarden Euro.

Von Januar bis Juni 2022 verzeichneten die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken ein Kreditwachstum in Höhe von 4,4 Prozent auf 132,5 Milliarden Euro. Auf Privatkunden entfielen davon 58,4 Milliarden Euro, auf Firmenkunden 70,6 Milliarden Euro.

Die Kundeneinlagen wuchsen im ersten Halbjahr um 0,8 Prozent auf 152,7 Milliarden Euro. Vor allem Einlagen der öffentlichen Haushalte legten um 12,6 Prozent auf 10,1 Milliarden Euro zu. Bei den Privatkunden belief sich die Steigerung auf 0,2 Prozent auf 99,3 Milliarden Euro. Die Einlagen von Firmenkunden waren mit einem Minus von 0,5 Prozent auf 41,4 Milliarden Euro leicht rückläufig.

Aufgrund von Kursrückgängen an den Kapitalmärkten hat sich das außerbilanzielle Kundenanlagevolumen in Wertpapiere und Depots um 5,7 Prozent seit Jahresbeginn reduziert. „Viele Anleger haben mehr Erfahrung in Wertpapieranlagen gesammelt und sind auch bereit, bei Kursrückgängen durchzuhalten, denn auf lange Sicht bieten Wertpapiere weiterhin gute Renditeaussichten“, erklärte Scheller.

Der GVB-Präsident verhehlte nicht, dass die kommenden Monate von zahlreichen Unwägbarkeiten geprägt sein werden. Dazu zählten die Volatilität im Wertpapierbereich, Belastungen im Zinsbuch aufgrund der Zinswende sowie Unsicherheiten auf dem Immobilienmarkt aufgrund von steigenden Preisen und Lieferengpässen. Die Nachfrage nach Immobilienkrediten schwäche sich bereits ab, denn manche Bauprojekte oder auch private Bauvorhaben werden angesichts steigender Preise und Zinsen schwerer zu finanzieren sein. Dies legten auch Zahlen einer GVB-Umfrage unter den GVB-Mitgliedsbanken nahe.

Für das Gesamtjahr 2022 gehen die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Bayern weiter von einem erfreulich stabilen operativen Ergebnis aus. Die rückläufigen Zinsspannen konnten durch eine hohe Kostendisziplin ausgeglichen werden. Verwahrentgelte auf Einlagen werden kaum noch eine Rolle spielen. Bis auf wenige Einzelfälle haben laut GVB-Umfrage alle bayerischen Institute entweder gar keine Verwahrentgelte erhoben oder planen auf absehbare Zeit eine Abschaffung oder deutliche Senkung.

Vonseiten der Politik erhoffen sich die Banken mehr Engagement, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Dies sei nötig, um Wirtschaft und Immobilienmarkt zu unterstützen. „Der erst kürzlich angehobene antizyklische Kapitalpuffer und die Einführung eines sektoralen Kapitalpuffers für den Immobilienmarkt sind in der jetzigen Situation kontraproduktiv“, kritisierte Scheller. Der Mehrbedarf an hartem Kernkapital allein für die genossenschaftliche Bankengruppe in Bayern belaufe sich auf rund 1,2 Milliarden Euro. „Das wird dafür sorgen, dass Institute weniger Kredite zur Verfügung stellen, oder es wird Kredite zusätzlich verteuern. Das ist genau das Gegenteil dessen, was aktuell notwendig wäre“, erläuterte Scheller. Eine solche Entwicklung hätte negative Auswirkungen auf den weiter dringend nötigen Wohnungsbau sowie die nachhaltige Transformation der Wirtschaft, die ebenfalls von Bankkrediten getragen wird.

Schellers Fazit: „Kreditgenossenschaften haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stets als widerstandsfähig erwiesen. Das wird auch in dieser Phase des Umbruchs so sein. Volks- und Raiffeisenbanken bleiben eng an der Seite des Mittelstands sowie der Menschen vor Ort und begleiten sie in allen finanziellen Fragen – auch und vor allem in unruhigen Zeiten.“

DK

 

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