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(GZ-18-2022)
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► Kostenexplosion, Corona-Herbst und eine ungewisse Krankenhausreform:

 

Bayerns Kliniken im Sturmgewitter

Die Bayerische Krankenhausgesellschaft bittet Anfang August eindringlich darum „nicht mit Bagatellen in die Klinik-Notaufnahmen zu kommen“. Personen mit nur leichten medizinischen Problemen sollen sich an eine niedergelassene Arztpraxis wenden. Die Notaufnahmen bayerischer Krankenhäuser seien wegen Personalmangels derzeit doppelt belastet. Denn zum einen steigen Patientenzahlen durch Coronainfektionen wieder deutlich an; zum anderen gibt es coronabedingt hohe Ausfallzeiten beim Personal in den Krankenhäusern. Damit ist auch der Rettungsdienst zunehmend eingeschränkt. Längere Fahrtzeiten in aufnahmebereite Kliniken sind die Folge. Planbare, nicht lebensnotwenige Operationen werden in einigen Kliniken wieder verschoben.

Diese Situation ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Die bayerischen Krankenhäuser stehen vor großen strukturellen Problemen in jeder Hinsicht. Das drängendste scheint – neben dem Bürokratieabbau – der sich immer weiter verschärfende Personalmangel zu sein, der aber nicht behoben werden kann, da sich das ganze System nach wie vor im Krisenmodus befindet. Dieser Personalmangel durchdringt den gesamten Kosmos Krankenhaus. Er betrifft die pflegenden Berufe und die Ärzteschaft ebenso wie die IT oder das Putz- bzw. Laborpersonal. Die Gründe hierfür sind vielfältig und hängen doch in dramatischer Weise zusammen.

Zukunftswerkstatt

Sana Kliniken AG luden im Juli zum Thema „Chancen nutzen“ zur Zukunftswerkstatt ins Schloss Hohenkammer. Der Untertitel „Klinken nach Corona“ wurde fallengelassen. Diese Veranstaltung hat sich als Plattform für einen offenen, informativen und konstruktiven Dialog etabliert.

Herwig Heide vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, referierte über „die bayerische Krankenhauslandschaft nach Corona“. Nach seiner Auffassung kann die Bezahlung nicht der zentrale Punkt sein. Arbeitsbelastung und Arbeitsbedingungen seien schlecht und böten wenig Anreiz neue Arbeitskräfte zu generieren. Was eine sich selbst verstärkende Spirale in Gang setze. Pflegepersonalbemessungsgrenzen können nicht eingehalten werden.

„An Normen hängen Interessen“

Dr. Klaus Schulenburg vom Bayerischen Landkreistag, ebenfalls Referent bei der Zukunftswerkstatt, sieht schwarz für den lautstark geforderten Bürokratieabbau im Gesundheitswesen, denn „er funktioniert nur über eine Streichung von Normen und an Normen hängen Interessen“.

Diese Äußerung erfuhr Zustimmung. Ein Teilnehmer der Veranstaltung berichtete über jüngst selbst gemachte Erfahrungen „aus erster Hand“ in einem Uniklinikum. Erschüttert über die Herausforderungen, denen das Personal tagtäglich gegenübersteht, meinte er: „Schauen Sie bloß, dass Sie derzeit nicht ins Krankenhaus müssen.“

Heftige Kritik am Bund

Thomas Lemke, Vorstandsvorsitzender der Sana Kliniken AG und stellv. Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft, kritisiert klar und deutlich die nicht vorhandene Kommunikationsfähigkeit des Bundesgesundheitsministeriums, es fehle an „Transparenz und Ehrlichkeit und es gibt keine Antwort auf zu viele Fragen.“ Krankenhäuser stünden an der Versorgungsfront, haben aber keine Gestaltungsmöglichkeit. Peter Krase, der über die bayerische Krankenhauslandschaft aus Sicht der AOK Bayern sprach, bemängelte, dass im Koalitionsvertrag die Qualität der Patientenversorgung nicht im Mittelpunkt steht.

An Lösungen wird gearbeitet

Trotz allem, „an Lösungen einer verbesserten, integrierten ambulanten und stationären Notfallversorgung wird bereits längere Zeit gearbeitet“, so die BKG in einer Pressemitteilung, nur um gleich zu relativieren, dass „die Entscheidung über ein gemeinsames ambulant-stationäres Ersteinschätzungsverfahren, wenn sich Patient:innen eigenständig mit Krankheitsbeschwerden hilfesuchend an die Notaufnahme eines Krankenhauses wenden, ist allerdings von der Bundesregierung aktuell um ein Jahr verschoben worden.“ Ziel dieses Verfahren ist es, je nach Schwere der Erkrankung oder Verletzung den medizinischen Bedarf in den Notaufnahmen bestmöglich zu koordinieren. Das heißt, es soll unterschieden werden, wer sofort stationär oder ambulant im Krankenhaus behandelt werden muss und wer, aufgrund nur leichter medizinischer Probleme, einen Termin bei einer niedergelassenen Arztpraxis erhält. Dazu meint Roland Engehausen, Geschäftsführer der BKG: „Wir bedauern aus bayerischer Sicht die Verzögerung dieser Entscheidung zur besseren Koordination der Versorgung.“

CH

 

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