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(GZ-18-2022)
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► Nicht in neue Abhängigkeiten stolpern:

 

Heimische Energiequellen konsequent nutzen

Die aktuellen Entwicklungen auf dem Energiesektor haben gravierende Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort und auf die regionalen Unternehmen. Das Wirtschaftsforum Oberland, die Industriegemeinschaft Geretsried und die Unternehmervereinigung Wirtschaftsraum Wolfratshausen luden im Krämmel-Forum in Wolfratshausen zu einer Podiumsdiskussion mit dem Thema „Energieversorgung in der Region Oberland“. Absicht solcher Gesprächsrunden sei es, so Reinhold Krämmel, Hausherr und Aufsichtsratsvorsitzender des Wirtschaftsforums, in der Bevölkerung Verständnis für die Tatsache zu wecken, dass Marktwirtschaft und Energieversorgung in enger Beziehung zueinander stehen.

V.l.: Organisator und Moderator Andreas Roß, Wirtschaftsforum Oberland, Reinhold Krämmel, Krämmel Unternehmensgruppe, Stefan Drexlmeier, Vorstandsvorsitzender der Energiewende Oberland, Walter Huber, Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Tölz, Constantin Popp, Technischer Projektleiter Erneuerbare Energien bei der ecobility GmbH, Jan Dühring, Vorstand der Stadtwerke Geretsried und Dr. Max Suter, Standortleiter von Pulcra Chemicals GmbH in Geretsried. Bild: CH
V.l.: Organisator und Moderator Andreas Roß, Wirtschaftsforum Oberland, Reinhold Krämmel, Krämmel Unternehmensgruppe, Stefan Drexlmeier, Vorstandsvorsitzender der Energiewende Oberland, Walter Huber, Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Tölz, Constantin Popp, Technischer Projektleiter Erneuerbare Energien bei der ecobility GmbH, Jan Dühring, Vorstand der Stadtwerke Geretsried und Dr. Max Suter, Standortleiter von Pulcra Chemicals GmbH in Geretsried. Bild: CH

Wie existenzbedrohend die derzeitige Situation für Unternehmer vor Ort ist, erläutert eindringlich Ludwig Schmid von der Bäckerei Schmid aus Geretsried. Seiner Aussage nach gibt es ca. 10.000 Bäckerbetriebe in Deutschland. Mit den derzeitigen hohen Energiekosten würden davon lediglich ein Drittel übrigbleiben. Für den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen bedeute dies, dass von zwölf Betrieben acht schließen werden. „Und diese Betriebe“, so der Bäckermeister, „haben sowieso Nachwuchsprobleme. Die werden nicht wieder aufmachen. Dann haben wir ein Problem in der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln sowie eine Konzentration von einigen wenigen großen Produzenten, die überleben werden.“ Für ihn käme erschwerend hinzu, dass das Thema Energiesparen nicht möglich sei: „Ich kann nicht kälter backen und ich kann nicht wärmer kühlen“. Natürlich habe er frühzeitig vorgesorgt und einen Elektroofen angeschafft, der sei aber bei den derzeitigen Strompreisen keine Alternative.

Für die chemische Industrie berichtet Dr. Max Suter, Standortleiter von Pulcra Chemicals GmbH in Geretsried, dass der Gaspreis von bisher 75 Euro/MWh auf 200 Euro/MWh gestiegen sei. Für Pulcra bedeute dies Mehrkosten von bis zu 2,3 Mio. Euro, die „uns kein Kunde bezahlt“. Er stelle sich die Frage, wie das Unternehmen so weiterhin wettbewerbsfähig bleiben und investieren kann.

Netzverschmutzer

Constantin Popp, Technischer Projektleiter Erneuerbare Energien bei der ecobility GmbH, einer Tochter der Krämmel Unternehmensgruppe, kümmert sich um Energieeinsparungen in der Industrie. Derzeit bekäme er viele Anfragen. Dabei sei es aber schwierig Ware zu bekommen und es gäbe Engpässe bei den Kapazitäten in der Montage. Außerdem, klagt er, bräuchten Zertifikate extrem lange: „Es gibt in Deutschland über 1.000 PV-Anlagen, die auf ihre Genehmigung warten und nicht angeschlossen sind.“ Er wünsche sich hier mehr Pragmatismus.

Langsame Genehmigungsbehörden

Hier erwidert Walter Huber, Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Tölz, dass es nun mal Regeln gäbe, die alle Einspeiser und Kraftwerksbetreiber einzuhalten haben. Diese lauten „50 Hz und 230 +/- 1,5 % Netzspannung“. Normen und Regeln müssen eingehalten werden, daher sei die sorgfältige Prüfungszeit der Netzbetreiber durchaus gerechtfertigt: „Wir haben bereits eine Netzverschmutzung. Dezentrale Anlagen verschärfen das Netzproblem. Das Netz fördert nicht die Autarkie, sondern es ermöglicht diese. Denn es bringt immer und sicher den Rest der benötigten Energie.“ Daher fordert er einen massiven Netzausbau.

Eindeutig zu lange dauere ihm aber die Bearbeitungszeit der Behörden bzgl. dem Bau eines Wasserkraftwerks an der Loisach. „Der Landkreis Bad Tölz – Wolfratshausen verliert jährlich 500.000 Euro, beim jetzigen Strompreis sogar 800.000 Euro, weil die Genehmigung nicht erteilt wird. Wir warten seit sieben Jahren.“ Dabei würde Wasserkraft grundlastfähigen Strom liefern. Die Stadtwerke Bad Tölz sind auch an vier Windrädern am Starnberger See beteiligt und wären auch beim Pumpspeicher Jochberg mit im Boot gewesen, der nicht gebaut wird.

Nicht in neue Abhängigkeiten stolpern

Den Blick auf das, was möglich wäre, liefert Stefan Drexlmeier, Vorstandsvorsitzender der Energiewende Oberland: „Wir haben aus der Forschung die Bestätigung, dass wir uns eine Energiewende leisten könnten. Wir hätten wirtschaftlich etwas davon und auch unserem Klima würde es guttun. Würden wir nur 1/12 der Möglichkeiten, die wir haben, umsetzen, könnten wir mit heimischer Energieerzeugung unseren Bedarf decken.“ Nun gelte es die Krise als Krise ernst zu nehmen und, auf der Suche nach günstigen Energielieferanten, nicht in neue Abhängigkeiten zu stolpern.

Jan Dühring, Vorstand der Stadtwerke Geretsried, spricht für ein relativ neues Unternehmen am Markt. Erst vor kurzem wurden Strom- und Gasnetze übernommen. Geretsried hat schon zweimal vergeblich Geothermiebohrungen vorgenommen. Aufgeben wolle man aber nicht, so der Stadtwerkechef, man arbeite an einem dritten Versuch. Er sieht die Krise als Chance einen großen Schritt in die Richtung zu machen, in die man sowieso wolle. Hinderlich seien aber die komplizierten Förderprogramme.

Für Reinhold Krämmel sind die nicht vorhandenen Speicher sowie die Absage an den Weiterbetrieb der AKWs das drängendste Problem: „Erneuerbare Energie ist nicht grundlastfähig und wir haben einen permanenten Strombedarf. Ohne Strom läuft im Winter keine Heizung.“ Die Ursache für das Dilemma, so der Firmenchef, sei die sukzessive Abwendung von der sozialen Marktwirtschaft: „Man muss die Technologie im Wettbewerb lassen! Dann kommen die Innovationen! Not macht erfinderisch.“ Es könne auch nicht sein, dass 20 Jahre die Elektromobilität gefördert würde, während die Wasserstofftechnologie vor sich hin darbe.

Mehr Pumpspeicher möglich

Drexlmeier entgegnet, dass für den grünen Wasserstoff aber wieder die Erneuerbaren vor Ort fehlen würden. Überhaupt müsse man sich zukünftig vor Ort versorgen, ob mit Nahrungsmitteln, Kleidung oder eben Energie. „Ja, die fehlenden Speicher sind ein Problem, aber der Speicherbedarf reduziert sich, wenn es einen Mix an Erneuerbaren Energien gibt.“ Laut ihm gäbe es im Oberland, neben dem Jochberg, noch drei weitere Standorte für Pumpspeicherwerke: „Wir müssen das, was wir vor Ort haben, konsequent nutzen.“

CH

 

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