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(GZ-6-2023)
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► Bayerische Volks- und Raiffeisenbanken:

 

Bestandener Stresstest in schwierigem Umfeld

Trotz widriger Umstände wie den Verunsicherungen im Zuge des Ukraine-Kriegs, hoher Inflation und schwieriger Prognosen zeigte sich Gregor Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), bei der Bilanzpressekonferenz in München mit dem abgelaufenen Jahr aus operativer Sicht sehr zufrieden. Der Marktanteil im Firmenkundengeschäft und in der privaten Wohnbaufinanzierung sei deutlich ausgebaut worden. „Somit haben sich die 197 Volks- und Raiffeisenbanken im Freistaat erneut als Stabilitätsanker erwiesen“, unterstrich Scheller.

Das operative Ergebnis kletterte auf 1,8 Mrd. Euro, dies entspricht 0,88 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme. Zu dem Plus trugen insbesondere der um 9,5 Prozent auf 3,1 Mrd. Euro gestiegene Zinsüberschuss sowie der leicht um 2,1 Prozent auf 1,4 Mrd. Euro gestiegene Provisionsüberschuss bei. Belastet wird das positive Ergebnis allerdings von zinsanstiegsbedingten Abschreibungen auf Wertpapiere. Hier mussten die Institute angesichts der im vergangenen Jahr gesunkenen Kurse Wertberichtigungen in Höhe von 1,6 Mrd. Euro vornehmen. Da es sich bei einem Großteil der Wertpapiere um Anleihen handelt, erhalten die Banken die Anlagesumme bei Fälligkeit zum Nennwert plus vereinbarter Zinszahlung zurück. Der Jahresüberschuss sinkt damit leicht von 410 Millionen Euro auf 391 Millionen Euro im Jahr 2022.

Auf einen Bestand von nun 136,8 Mrd. Euro legten die Volks- und Raiffeisenbanken bei der Kreditvergabe zu. Kredite an Firmenkunden stiegen um 8,2 Prozent auf 72,8 Mrd. Euro, während Kredite an Privatkunden 60,4 Mrd. Euro betragen, ein Plus von 7,3 Prozent. Auch die Einlagen verzeichneten noch einmal ein kräftiges Wachstum: um 4,2 Prozent auf 157,9 Mrd. Euro. Im Einzelnen legten Firmenkunden im vergangenen Jahr 44,4 Mrd. Euro bei bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken an. Das entspricht einem Zuwachs um 6,6 Prozent. 102 Mrd. Euro entfielen auf Einlagen von Privatkunden – ein Plus von 3 Prozent gegenüber 2021. Die Bilanzsumme der Institute stieg um 3,9 Prozent auf nunmehr 208,9 Mrd. Euro.

Starkes Wohnbaukreditgeschäft

Erneut stark entwickelte sich das private Wohnbaukreditgeschäft mit einem Plus von 8,3 Prozent auf 55 Mrd. Euro. Allerdings zeichnet sich für das laufende Jahr ein deutlicher Rückgang ab, bedingt vor allem durch eine sinkende Zahl von Immobilienkreditanträgen aufgrund hoher Baukosten und gestiegenen Kreditzinsen. Mit Blick auf die Wohnungsknappheit in vielen Regionen Bayerns betrachtet Scheller diese Entwicklung „mit großer Sorge“.

Von der Politik wünscht sich der GVB-Präsident deshalb Erleichterungen für den Wohnungsbau, wie etwa die Senkung der Grunderwerbssteuer, die Wiedereinführung steuerlicher Abschreibungen auf selbstgenutzte Immobilien und die Zurücknahme des sektoralen Kapitalpuffers für Wohnimmobilien. Auch regte Scheller an, wieder verstärkt über alternative Wohnprojekte wie Mehrgenerationenhäuser nachzudenken, bei denen vorhandener Wohnraum besser genutzt werden könnte.

Mit der Entscheidung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin), den sektoralen Kapitalpuffer in Höhe von 2 Prozent für Wohnimmobilienfinanzierung anzuordnen, müssten Banken zusätzliches Eigenkapital zur Risikovorsorge bilden, das dann bei der Kreditvergabe fehlt. „Die Risiken haben sich aber nicht erhöht“, stellte Scheller klar. „Die Banken prüfen ihre Kreditbücher fortlaufend auf Risiken. Eine Veränderung der Risikolage lässt sich nicht erkennen“, betonte der GVB-Präsident.

Klimaschutz und Wohnungsbau

Die NPL-Quote (notleidende Kredite) ist zwischen 2020 und 2022 rückläufig und steht aktuell bei 1,02 Prozent. „Wenn es das erklärte Ziel der Politik ist, Wohnungsbau voranzutreiben, ist die Einführung zusätzlicher Kapitalpuffer kontraproduktiv“, mahnte Scheller. Auch immer neue Vorgaben beim energetischen Standard trieben die Baukosten. „Wenn die Politik gleichzeitig Klimaschutz und Wohnungsbau will, muss sie entsprechend fördern, sonst bekommt sie beides nicht hin“, mahnte der Präsident.

Beim Eigenkapital konnten die genossenschaftlichen Kreditinstitute dagegen um 3,7 Prozent auf 20,5 Mrd. Euro zulegen. Die Gesamtkapitalquote liegt mit 16,9 Prozent nahezu auf Vorjahresniveau. Darüber hinaus sind die Kosten der Volks- und Raiffeisenbanken nur moderat gestiegen. Laut Scheller „investieren die Institute nach wie vor viel in die Digitalisierung und damit in ihre Zukunftsfähigkeit“. Damit wollen sie durch Standardisierungen zur weiteren Kostensenkung beitragen, aber auch für die Kunden attraktiv bleiben. „Die Banken bieten bei Service und Beratung alle Wege an, ob telefonisch, als Videocall, im Chat oder persönlich in der Filiale“, ergänzte der Präsident. Erfreulich ist aus einer Sicht auch, dass sich die Aufwand-Ertrags-Relation (CIR) um 1,9 Prozentpunkte auf 61,2 Prozent verbessert habe. Dies beweise, dass das Genossenschaftsmodell Zukunft hat.

Gefragte Wertpapiere

Wie schon in den vergangenen Jahren bleiben Wertpapiere gefragt. Zwar ging der Nettoabsatz im Wertpapiergeschäft zurück, jedoch lag er weiter auf einem hohen Niveau. Dennoch bleibt es beim Trend der Vorjahre: „Wertpapiere wie Aktien und Fonds gehören für viele Sparerinnen und Sparer inzwischen zum normalen Anlageportfolio beim Vermögensaufbau“, erklärte Scheller. Zudem hätten viele Anleger dazugelernt und hielten auch Phasen sinkender Kurse durch. Dies zeige sich auch an der Anzahl der Ansparpläne, die seit 2019 um 38 Prozent auf einen Gesamtbestand von jetzt 870.319 Stück zugenommen hätten.

„Nach wie vor stellen Wertpapiere eine renditestarke Alternative dar, was in Zeiten hoher Inflation umso wichtiger ist“, machte Scheller deutlich. Das um 3,9 Prozent auf 105,7 Mrd. Euro gesunkene Anlagevolumen in Depots und auf Investmentkonten der Volks- und Raiffeisenbanken lasse sich auf den Rückgang der Kurse von Fonds und Aktien im vergangenen Jahr zurückführen.

Ein Thema, das die Banken belastet, ist ein mögliches Provisionsverbot bei Bankgeschäften, wie es derzeit in der Europäischen Kommission diskutiert wird. „Ein solches Verbot würde eine große Gruppe von Sparerinnen und Sparern von Beratungsleistungen ausschließen und sie in beratungsfreie Angebote im Internet beziehungsweise im Schattenmarkt drängen. Anstatt staatlicher Reglementierung sollte es jedem freigestellt bleiben, ob er eine abschlussbasierte Beratung in Anspruch nimmt oder im Vorfeld für Beratungsleistungen zahlen möchte“, hob Scheller hervor.

Als verlässlicher Partner auf solidem Erfolgskurs

Für die kommenden Jahre zeigte er sich optimistisch, dass die Volks- und Raiffeisenbanken mit ihren mehr als 1.800 Filialen und über 3.000 Automaten ihren soliden Erfolgskurs des vergangenen Jahrzehnts weitergehen werden. Die Wirtschaft insgesamt und insbesondere der Mittelstand hätten bewiesen, dass sie sich neuen Herausforderungen schnell anpassen können.

Dennoch brauche der Mittelstand positive Rahmenbedingungen. Die Unternehmen müssten dringend von überbordender Bürokratie entlastet werden. Stattdessen seien Innovationen stärker zu fördern, damit Deutschland insgesamt bei Produktivität und im internationalen Wettbewerb nicht zurückfällt. „Die regionale Wirtschaft braucht auch in Zukunft verlässliche Finanzierungspartner“, so Gregor Scheller. Privatpersonen verließen sich wie eh und je auf die kompetente Beratung der Volks- und Raiffeisenbanken. „Mit ihren genossenschaftlichen Grundtugenden zeigen sie, dass man erfolgreich sein kann.“

DK

 

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