(GZ-6-2023) |
► Finanzpolitische „Zeitenwende“: |
Leitlinien für einen Aufbruch Deutschlands |
Positionspapier des Wirtschaftsbeirats Bayern |
Unter dem Titel „Auf das Angebot kommt es an! Mehr Soziale Marktwirtschaft für eine Welt im Umbruch“ hat der Wirtschaftsbeirat Bayern ein Positionspapier veröffentlicht, das sich unter anderem mit der finanzpolitischen „Zeitenwende“ befasst. Die Bundesregierung hat laut wbu eine breite Palette von Maßnahmen auf den Weg gebracht und hegt viele Pläne, den Herausforderungen zu begegnen. Um die Entlastungspakete vom Fließband zu finanzieren, würden immer neue „Sondervermögen“ ins Spiel gebracht, was nichts anderes als immer mehr Schulden bedeute. Die Schuldenbremse werde mehr oder weniger offen umgangen bzw. grundsätzlich zur Debatte gestellt. „Die finanzpolitische Nachhaltigkeit schwindet dahin“, heißt es.
Da nur solide Finanzen nachhaltiges Wirtschaften ermöglichten, müssten kostspielige Programme wie etwa das großzügige Bürgergeld sowie kostenlose Nahverkehrstickets ersetzt werden durch klare finanzpolitische Prioritäten für militärische Sicherheit, Energiesicherheit und Infrastruktur. Sollten auf europäischer Ebene finanzielle Hilfen für die Mitgliedstaaten zur Sicherung der Energieversorgung notwendig werden, so sei das bestehende Instrument des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) mit klarer Konditionalität zu nutzen, betont der Wirtschaftsbeirat Bayern.
„Finanzkrise, europäische Schuldenkrise, Migrationskrise, Coronakrise, Ukrainekrise, Energiekrise: Von Krise zu Krise reagieren wir mit neuen Fonds und neuen Entlastungspaketen in großem Stil, vorwiegend über Schulden finanziert. Die Schuldenquote Deutschlands ist von 59,7 Prozent 2019 wieder auf 69,3 Prozent im Jahr 2021 gestiegen (Höchststand 2010 bei 82,5 Prozent). Dabei sind allerdings die impliziten Schulden aus den Sozialsystemen und hier vor allem der Rentenversicherung nicht enthalten“, betont der wbu.
Ein Problem für die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen stelle zudem die Neigung der Bundesregierung dar, Ausgabenprogramme wie für die Bundeswehr oder zur Entlastung von Energiekosten als „Sondervermögen“ zu behandeln. Der Bundesrechnungshof habe dies mehrfach kritisiert. Diese Schattenhaushalte verschleierten die tatsächliche Verschuldung und seien verfassungsrechtlich fragwürdig. „Nur ein finanzstarker Staat kann sich einen ‚Doppel-Wumms‘ leisten. In Europa können dies nur wenige. Deutschland konnte es, da die Staatsfinanzen einigermaßen in Ordnung waren. Dies ist nun verbraucht worden“, macht der Beirat deutlich.
Schuldendynamik stoppen
Vor diesem Hintergrund müsse die Schuldendynamik jetzt gestoppt werden. Neue Schulden gefährdeten langfristig die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte, nicht zuletzt wegen steigender Zinsen. Sie verschöben weitere Lasten auf künftige Generationen. Neue Schulden brächten bei Engpässen und Knappheiten auf der Angebotsseite aber auch kurzfristig keine Lösung, weil sie keine zusätzlichen realen Ressourcen generieren können. Was der Staat über Schulden für sich beansprucht, fehle der privaten Wirtschaft für Investitionen. Soweit der Staat die Mittel für Transfers einsetzt, treibe dies bei Angebotsengpässen nur die Inflation weiter hoch. Die Folge: wirtschaftliche Stagnation oder Rezession und gleichzeitig hohe Inflation.
Auch der Staat komme nicht umhin, seine Ausgabenschwerpunkte neu zu setzen, unterstreicht der wbu. Entlastungspakete und direkte Hilfen müssten auf jene konzentriert werden, die wirklich Hilfe brauchen. Breite Teile der Bürger von Belastungen der Krise freihalten sei nicht möglich. Dies widerspreche auch dem Prinzip der Eigenverantwortung, der Subsidiarität, das dem Bürger auch einen Beitrag abverlangt.
Die Unterstützung für Unternehmen müsse nach strengen Kriterien darauf konzentriert werden, wo es gilt, wettbewerbsfähige Betriebe über die Krise zu retten und systemkritische Risiken bestehen. Aber der Staat könne und dürfe den Strukturwandel nicht aufhalten. „Insofern muss der Staat sich bei Transferausgaben und Subventionen zurückhalten, Zukunftsinvestitionen wie Sicherheit und Verteidigung, Innovationen und Digitalisierung, Infrastruktur, Bildung etc. hochhalten. Wirksam entlasten kann er Wirtschaft und Bürger dadurch, dass er Steuern senkt und damit gleichzeitig Leistungsanreize erhöht“, heißt es in dem Papier.
Investitionen seien die notwendige Voraussetzung für die Transformation der Wirtschaft zur Bewältigung der Herausforderungen. Dabei würden in Deutschland 90 Prozent der Investitionen von der privaten Wirtschaft getragen. Dies könne der Staat niemals ersetzen. Um die notwendigen Investitionen schultern zu können, benötigten die Unternehmen ausreichende Finanzierungsspielräume. Höhere Spitzensteuersätze und „Übergewinn-“ oder „Zufallsgewinnsteuern“ bewirkten das Gegenteil und schafften Verunsicherung über zu erwartende Erträge. Dies führe zur Zurückhaltung bei Investitionen.
„Werden die Unternehmenssteuern auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau gesenkt und wird das Vertrauen der Unternehmen in die Verlässlichkeit steuerlicher Rahmenbedingungen gestärkt“, könne eine neue Investitionsdynamik entstehen. Dafür sei ein leistungsfähiger Kapitalmarkt zentrale Voraussetzung. Auch hier habe Deutschland noch viel Potenzial: Beträgt die Marktkapitalisierung börsennotierter Aktien in Deutschland 50 Prozent des BIP, so macht sie in den USA wie in UK 120 Prozent des BIP aus.
Aus Sicht des Wirtschaftsbeirats Bayern gilt es, den gemeinsamen europäischen Kapitalmarkt voranzutreiben und die Geldpolitik wieder stabilitätsorientiert auszurichten: „Der riesige Geldüberhang, der seit Jahren durch die lockere Geldpolitik der EZB geschaffen worden ist, nährt jetzt die starke Inflation. Viel zu spät hat die EZB darauf mit Zinssteigerungen reagiert. Es gilt jetzt diesen Weg fortzuführen. Die EZB muss sich aber davor hüten, den Weg in die Staatsfinanzierung weiterzugehen.“
Das Instrument des Transmissionsschutzes (TPI) berge enorme Risiken. Die EZB gerate dadurch zunehmend unter politischen Einfluss. Die Zinsdifferenz zwischen den Mitgliedstaaten, die fundamental begründet ist, dürfe die EZB nicht angleichen. Diese sei notwendig als Anreiz für eine stabilitätsorientierte Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten. Benötigten sie Hilfe, gebe es den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). „Hier werden Hilfen mit Reformauflagen verknüpft. Darauf müssen wir weiter bestehen. Eine Vergemeinschaftung von Schulden durch die Hintertüre muss unbedingt vermieden werden“, stellt der wbu klar.
DK
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