(GZ-11-2023) |
► Bayerische Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften: |
Herausforderungen überzeugend gemeistert |
Angespannte Lieferketten, Preisvolatilität und politische Unsicherheiten – die 1.004 bayerischen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften haben trotz eines fordernden Umfelds ihr Geschäft ausgebaut. Mit einem Umsatzplus von 15,5 Prozent auf 16 Milliarden Euro haben sie die Herausforderungen überzeugend gemeistert. „Das Genossenschaftsmodell beweist seine Stärke einmal mehr in schwierigen Marktsituationen“, sagte Gregor Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), anlässlich der Vorstellung der Jahresbilanz 2022 in München.
„Im vergangenen Jahr konnte der GVB 34 neue Genossenschaften als Mitglieder aufnehmen“, freute sich Scheller. Das ist der höchste Stand seit 2013. „Genossenschaften lösen dort pragmatisch Probleme von Bürgerinnen und Bürgern, wo der Staat oder andere Akteure keine Antworten finden“, sagte Scheller.
Energie
Das zeigt sich vor allem im Energiebereich. Bei den Gründungen setzt sich der Trend der vergangenen Jahre fort. „Im Energiebereich spielt die Musik“, sagte Scheller mit Blick auf die insgesamt 16 neu gegründeten Energiegenossenschaften. Allein zwölf davon sind Nahwärmegenossenschaften, bei den vier weiteren handelt es sich um Genossenschaften, die in Photovoltaikanlagen investieren wollen. Insgesamt gehören damit 289 Energiegenossenschaften dem GVB an. Diese konnten auch dank gestiegener Preise ihren Umsatz um 11,7 Prozent auf 378,7 Millionen Euro steigern.
„Bei der Gründung von Energiegenossenschaften lässt sich eine dritte Gründungswelle identifizieren“, sagte Scheller. In einer ersten Gründungswelle von Energiegenossenschaften zwischen 2007 und 2013 ging es den Initiatoren in erster Linie darum, die Energiewende voranzutreiben. In der zweiten Welle, die 2017 begann und bis 2020 andauerte, wurden vor allem Nahwärmegenossenschaften gegründet. Die derzeit laufende dritte Welle hat zusätzlich zum Ziel, sich unabhängig von Energielieferungen aus Drittstaaten zu machen.
Hinzu kommt beispielsweise die politisch verursachte Heizungsdebatte, die Planungssicherheit nimmt und zu Irritationen unter Verbraucherinnen und Verbrauchern, aber auch in der Wirtschaft führt. „Die Menschen, aber auch die vielen mittelständischen Unternehmen im Freistaat, brauchen bezahlbare Energie und Planungssicherheit. Niemand investiert gerne, wenn er nicht weiß, wie die Investition in Zukunft seitens der Politik bewertet wird“, sagte Scheller. Alle seien sich einig darin, Erneuerbare Energien ausbauen zu wollen.
Mit Energiegenossenschaften existiere ein Modell, das die Akzeptanz für entsprechende Anlagen erhöht, indem es die Wertschöpfung in der Region hält. „Allerdings wird die gute Absicht seitens der Politik mit viel Bürokratie und komplexen Verfahren für viele Akteure, die die Energiewende vorantreiben wollen, zu sehr verkompliziert. Die Politik verliert zunehmend ihre eigentliche Aufgabe aus dem Blick, nämlich das Vorgeben eines gesetzlichen Rahmens, innerhalb dessen es den Akteuren und dem Markt überlassen bleiben muss, welche regenerative Technologie und welche Modelle der Energieversorgung der Zukunft sich durchsetzen“, mahnte Scheller.
„Eine klimafreundliche Zukunft braucht mutige Unternehmer und engagierte Bürger. Zu glauben, sie ließe sich über Verwaltungsakte herbeibeschließen, führt völlig in die Irre und setzt den Wirtschaftsstandort Deutschland aufs Spiel.“
Raiffeisen-Warengeschäfte
Eine Umsatzsteigerung um mehr als 34,2 Prozent auf mehr als 1,6 Milliarden Euro verzeichneten die 78 Raiffeisen-Warengeschäfte. Die Versorgung mit Materialen konnten die Raiffeisen-Warenmärkte trotz problematischer Lieferketten und deutlich gestiegener Energiekosten stets sicherstellen. Die Unsicherheiten auf den Weltagrarmärkten und im Energiesektor trieben die Preise ebenso in die Höhe wie die Inflation. Bei Düngemitteln verdoppelte sich der Jahresdurchschnittspreis, bei Energie betrug der Anstieg mehr als 50 Prozent. Bei Futtermitteln, landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Baustoffen legten die Preise um etwa 30 Prozent zu. Die Getreideernte fiel deutlich besser aus als erwartet. Bedingt durch Exportstopps für Getreide aus der Ukraine schossen die Notierungen für Weizen zwischenzeitlich binnen weniger Tage von rund 270 Euro pro Tonne auf mehr als 400 Euro pro Tonne. Im laufenden Jahr hat bereits im Januar ein massiver Preisverfall bei Agrarprodukten wie Getreide und Dünger eingesetzt. Daher wird 2023 mit wieder deutlich niedrigeren Umsätzen gerechnet.
Milchgenossenschaften
Die 100 bayerischen Milchgenossenschaften steigerten aufgrund gestiegener Preise und einer regen Nachfrage auf den Weltmärkten ihren Umsatz um 26,8 Prozent auf fast vier Milliarden Euro. Ausgelöst durch eine unsichere Versorgungslage haben viele Länder, allen voran China, ihre Lagerbestände an Milchprodukten wie Milchpulver aufgestockt. Diese hohe Nachfrage brachte insbesondere bis in den Spätsommer hinein steigende Preise und Rekordhöhen beim Milchgeld. Hohe Preise und gefüllte Lager führten im letzten Quartal zu einem Nachfragerückgang bei Milchprodukten. Hinzu kamen hohe Preise für Energie, Personal, Verpackungen und Futtermittel, die Milcherzeuger wie Verarbeiter belasteten. Zusätzlichen Druck auf der Nachfrageseite löste die Inflation aus.
Zusätzlich unter Druck geraten die Milchbauern in Bayern durch immer stärkere Tierwohlauflagen. Die in Bayern noch verbreitete Anbindehaltung ist auch hier ein Auslaufmodell. Dabei tritt der GVB dafür ein, den Umbau so zu gestalten, dass er nicht zu radikalen Strukturbrüchen im ländlichen Raum führt. Eine Förderung der Kombinationshaltung wäre ein sinnvoller Schritt. Wünschenswert wären auch staatliche Hilfen, um den Stallumbau voranzutreiben. Ansonsten drohen ein Kahlschlag in der heimischen Milcherzeugung und neue Abhängigkeiten von Lieferanten aus dem Ausland.
Handelsgenossenschaften
Die 62 Handelsgenossenschaften steigerten ihre Umsätze um 18,4 Prozent auf knapp 6,3 Milliarden Euro (plus 980 Millionen Euro). Großer Beliebtheit erfreuen sich die 48 bayerischen Dorfläden (ein Plus von fünf im Vergleich zum Vorjahr). Einige davon sind sogenannte „Unverpackt-Läden“, die mit ihrem Geschäftsmodell den aktuellen Zeitgeist treffen. In der ersten Jahreshälfte konnten sie gute Geschäfte verzeichnen. Inflationsbedingt steigende Preise auf breiter Front sind für sie besonders herausfordernd – bedingt durch die Preissensibilität der Verbraucherinnen und Verbraucher. Angesichts dieser Entwicklung wenden sich viele Verbraucher wieder verstärkt Discountern zu.
Ländliche Genossenschaften
234 ländliche Genossenschaften gehören dem GVB an. Sie kamen auf einen Umsatz in Höhe von knapp 1,4 Milliarden Euro – ein Plus um 63,8 Millionen Euro beziehungsweise 4,9 Prozent. In dieser Gruppe finden sich unter anderem Unternehmen im Bereich Viehvermarktung und Tierzucht, Trocknung, Obst und Gemüse, Maschinen, Weinbau, Weide und Holzwirtschaft. In der Tierhaltung gab es einen erheblichen Rückgang bei den Schweinebeständen. Corona, Afrikanische Schweinepest und Ukraine-Krieg führten zu explodierenden Kosten und steigenden Preisen. Zu Jahresbeginn 2023 erholten sich bei geringem inländischem Angebot die Preise für Schlachtschweine zusehends.
Handwerksgenossenschaften
Auf ein erfolgreiches Jahr blicken die 46 Handwerksgenossenschaften zurück. Ihre Umsätze stiegen um 209,5 Millionen Euro auf 984,5 Millionen Euro – ein Plus von 27,0 Prozent. Zu dieser Gruppe zählen genossenschaftliche Brauereien sowie Unternehmen aus den Bereichen Bäcker, Metzger oder Schuhmacher. Bäcker haben beispielsweise das Jahr 2022 stabil gemeistert. Trotz gestiegener Preise bei Energie, Rohstoffen und Personal haben sie sich als stabilisierender Faktor erwiesen.
Gewerbliche Genossenschaften
Zu den 151 gewerblichen Genossenschaften zählen Unternehmen aus den Branchen Gesundheit, Marketing und Tourismus, Kultur, Verkehr, Gastronomie, Produktion, IT oder freie Berufsgruppen. Insgesamt wuchsen die Umsätze der in dieser Gruppe zusammengefassten genossenschaftlichen Unternehmen um 10,2 Prozent beziehungsweise 127,4 Millionen Euro auf mehr als 1,3 Milliarden Euro.
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