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(GZ-17-2023 - 14. September)
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► Difu-Analyse zur Verkehrsberuhigung:

 

Entlastung statt Kollaps!

Maßnahmen und ihre Wirkungen in deutschen und europäischen Städten

 

Aktuell umgesetzte Verkehrsberuhigungsmaßnahmen sind heftig umstritten. Oft wird argumentiert, dass der Verkehr durch die Maßnahmen nicht abnimmt, sondern das benachbarte Straßennetz nur zusätzlich belastet. Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) hat daher empirisch belegte Befunde aus zahlreichen nationalen und internationalen Projekten ausgewertet und seine Analyse nun veröffentlicht.

Die Difu-Analyse zeigt, dass die durch Verkehrsberuhigung befürchteten Auswirkungen in der Regel nicht eintreten, ganz im Gegenteil: Wer Straßen für den Pkw-Verkehr (aus)baut, erntet Verkehr, wer Straßen in verkehrsberuhigte Zonen umbaut, erntet Lebensqualität und zugleich Mobilität. Fast alle Erhebungen bestätigen das Phänomen der „traffic evaporation“, das besagt, dass das Verkehrsaufkommen nicht wie Flüssigkeit eins zu eins an anderer Stelle abfließt, sondern sich insgesamt im Anschluss an die Intervention und Straßenumgestaltung verringert.

Die Größenordnung der Verringerung liegt in den analysierten Verkehrsberuhigungsprojekten in der Fläche zwischen 15 und 28 Prozent, bei Innenstädten zwischen 25 und 69 Prozent und im Umfeld einzelner umgestalteter Straßen zwischen 4 und 52 Prozent. Die Zahlen variieren je nach Projekt und Bezugsrahmen. Und obgleich die Messungen durchaus Verlagerungseffekte in angrenzende Straßen zeigen, so sind diese meist moderat, der befürchtete Verkehrskollaps bleibt fast immer aus. Dies liegt daran, dass nachweisbar mehr zu Fuß gegangen oder Fahrrad gefahren wird. Sind weniger Autos unterwegs, so wird der verbleibende Verkehr flüssiger und führt damit zu einem Gewinn für alle Verkehrsträger, wie das Beispiel Sendlinger Straße in München zeigt.

Im Rahmen eines von Juni 2016 bis Juni 2017 durchgeführten Verkehrsversuchs wandelte die bayerische Landeshauptstadt die zentral in der Altstadt gelegene Sendlinger Straße abschnittsweise in eine Fußgängerzone um. Poller und Sitzmöbel wurden installiert, Grünflächen angelegt, 81 Parkstände sowie ein Fahrstreifen zurück-, der Fußweg barrierefrei ausgebaut. Die Auswertung der Maßnahmen erfolgte mittels Verkehrszählungen im ruhenden und fließenden Verkehr sowie Befragungen und Raumbeobachtungen vor und während des Verkehrsversuchs.

Zwischen Juni 2016 und März 2017 nahm der Fußverkehr werktags um 2 bis 7 Prozent und samstags um 59 bis 67 Prozent zu. Auch der Anteil der Anwohner, die die Sendlinger Straße zum Verweilen und Treffen von Bekannten nutzten, stieg in diesem Zeitraum an.

Aufgrund der 81 rückgebauten Parkstände gab es eine Verlagerung von parkenden Autos auf andere öffentliche Parkstände nahe der Sendlinger Straße, die allerdings vorher nicht ausgelastet waren. Durch die Einschränkung des fließenden Kfz-Verkehrs in der Sendlinger Straße nahm der Parksuchverkehr zu, wodurch kleinere Staus entstanden. Diese traten allerdings auch vor dem Verkehrsversuch auf, so dass sich die Verkehrssituation nicht erheblich verschlechterte.

Die Verkehrsverlagerungen des fließenden Kfz-Verkehrs konnten durch vorher nicht ausgenutzte Kapazitäten des Straßennetzes von den anliegenden Straßen aufgenommen werden. Die Verkehrsteilnehmer, größtenteils Anwohner, die aufgrund der Umgestaltung das eigene Auto stehen ließen, gingen stattdessen hauptsächlich zu Fuß oder nutzten den ÖPNV.

Von den befragten Gewerbetreibenden gaben 78 Prozent einen gleich gebliebenen oder gestiegenen Umsatz an. Aufgrund der erfolgreichen Umsetzung hat die Landeshauptstadt die Sendlinger Straße 2019 dauerhaft in eine Fußgängerzone umgewidmet.

Mehr Lebensqualität

Laut Difu-Projektleiterin Uta Bauer zeigt die Untersuchung, dass Maßnahmen, die den Autoverkehr in den Kommunen zähmen, im erwünschten Sinne wirken: Mehr Lebensqualität und zugleich Mobilität. Daher gelte es, diese Ergebnisse auch in Kommunalpolitik und -verwaltung stärker zu berücksichtigen. Insbesondere in der Modellierung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen sollten die beschriebenen Effekte berücksichtigt werden.

DK

 

 

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