(GZ-6-2024 - 14. März) |
► Neufassung der Kommunalabwasserrichtlinie: |
Überfälliger Paradigmenwechsel |
Nach monatelangen Verhandlungen haben sich die EU-Institutionen Ende Januar 2024 auf die Neufassung der Kommunalabwasserrichtlinie geeinigt. Haben Rat und Parlament die vorläufige Einigung formell angenommen, wird die novellierte Richtlinie voraussichtlich bis Ende April dieses Jahres veröffentlicht und in Kraft treten. Bereits 2026 müssen dann die EU-Mitgliedstaaten der EU-Kommission nationale Umsetzungsprogramme übermitteln.
Die neuen Anforderungen zielen darauf ab, die Qualität der Abwasserbehandlung zu verbessern und die Umwelt zu schützen. Die Kommission möchte die vierte Reinigungsstufe bis 31.12.2035 verpflichtend für alle Kläranlagen größer oder gleich 100.000 EW einführen. Gleichzeitig soll bis zum 31.12.2040 die vierte Reinigungsstufe ebenfalls für Siedlungsgebiete zwischen 10.000 und 100.000 EW überall dort eingeführt werden, wo höhere Mikroschadstoffkonzentrationen ein Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellen.
Zudem sollen Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, die erweiterte Herstellerverantwortung auf nationaler Ebene für Arzneimittel für den menschlichen Gebrauch sowie für Kosmetikprodukte anzuwenden. Die individuellen Beiträge der Hersteller ergeben sich aus der Quantität und der Toxizität der in den Umlauf gebrachten Stoffe.
Darüber hinaus legt die Richtlinie Vorgaben fest, um den Abwassersektor energieneutral zu gestalten. Vorgesehen sind vierjährige Energie-Audits für Kläranlagen ab 100.000 EW bis Ende 2025 sowie für Kläranlagen ab 10.000 EW bis Ende 2030. Überdies soll die gesamte jährlich produzierte Energiemenge aus Erneuerbaren Energien, die auf Kläranlagen (≥ 10.000 EW) erzeugt wird, bis Ende 2030 50 Prozent des Energiebedarfs dieser Kläranlagen decken. Bis Ende 2040 soll sich dieser Anteil auf 100 Prozent erhöhen.
Auch sieht die überarbeitete Richtlinie vor, die EU-Länder dazu zu verpflichten, im kommunalen Abwasser Gesundheitsparameter in Bezug auf das SARS-CoV-2-Virus und seine Varianten, aber auch in Bezug auf das Poliovirus und Grippeviren neue Krankheitserreger, zunehmend besorgniserregende Schadstoffe und andere Parameter der öffentlichen Gesundheit zu überwachen, die von den zuständigen nationalen Behörden als relevant erachtet werden.
Zufriedene Verbände
Überwiegend zufrieden mit der Einigung zur Kommunalabwasserrichtlinie zeigten sich der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA), und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Laut VKU-Vizepräsident Karsten Specht „wird mit der Überarbeitung der Kommunalabwasserrichtlinie ein längst überfälliger Paradigmenwechsel Wirklichkeit: Künftig müssen sich Kosmetik- und Pharmaindustrie, deren Produkte Gewässer belasten, an den dadurch verursachten Kosten der Abwasserbehandlung beteiligen. Abwasserentsorger und Bürger zahlen nicht mehr allein dafür, Gewässerbelastungen zu vermindern. Dafür sorgt die EU mit der Einführung einer erweiterten Herstellerverantwortung, durch die auch die Umsetzung neuer Vorgaben und Anforderungen an Kläranlagen finanziert werden soll. Richtig umgesetzt wird diese Herstellerverantwortung den Geldbeutel der Abwasserkundinnen und -kunden entlasten und dafür sorgen, dass Hersteller vermehrt auf Produkte setzen, die weniger gewässerbelastend sind.“
Ambitionierte Überarbeitung der Richtlinie
Zwar bleibe die Trilog-Verständigung zur Finanzierung hinter den Erwartungen des VKU zurück – „wir hätten uns einen 100-Prozent-Ansatz gewünscht und keine 80/20-Regelung, bei der die Länder 20 Prozent der Kosten selbst tragen müssen“ –, aber dennoch sei das Erreichte ein Meilenstein, betonte Specht.
Die Überarbeitung der Richtlinie sei aber auch für die kommunalen Abwasserentsorger selbst ambitioniert, fuhr der Vizepräsident fort. Das Hausaufgabenheft werde voller. Beispielsweise bedeute der geforderte Ausbau der Kläranlagen mehr Technik und dadurch einen höheren Energieeinsatz. Den, so sagt die Richtlinie, müsse die Abwasserwirtschaft selbst erneuerbar erzeugen oder von Dritten erwerben. Weil es bei vielen Betrieben aufgrund der begrenzten Flächen und Anlagentechnik schlichtweg nicht möglich sei, auf - wie es ursprünglich angedacht war - 100 Prozent eigene Energieerzeugung zu setzen, sei die nun vorliegende Entscheidung praktikabler. Betriebe könnten ihre Energieneutralität auch durch einen bis zu 35-prozentigen Zukauf aus nichtfossilen Quellen erreichen.
Erweiterte Herstellerverantwortung
Aus Sicht von Dr. Lisa Broß, Sprecherin der DWA-Bundesgeschäftsführung „ist die Novellierung der Kommunalabwasserrichtlinie ein wichtiger Schritt für einen nachhaltigen Gewässerschutz und den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen“. Die Ziele und Vorgaben seien zum Teil äußerst ambitioniert, insbesondere im Bereich Nährstoffe und der geforderten Energieneutralität des Sektors. „Absolut zu begrüßen“ sei die jetzt feststehende Verankerung der erweiterten Herstellerverantwortung. Das bereits 1987 in die Umweltpolitik der EU eingeführte Verursacherprinzip finde damit endlich auch in der Wasser-
wirtschaft Anwendung, unterstrich Broß.
Auch nach Auffassung des BDEW werden mit dem neuen Rechtsakt wichtige Vorgaben und Maßnahmen für die Abwasserreinigung der kommenden Jahre getroffen. „Mit der erzielten Trilog-Einigung finalisieren die EU-Institutionen die Überarbeitung der über 30 Jahre alten kommunalen Abwasserrichtlinie und passen diese an aktuelle Herausforderungen sowie den technologischen Fortschritt an“, erklärte Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser. Insbesondere die verbindliche Einführung der erweiterten Herstellerverantwortung stelle einen umweltökonomischen Meilenstein dar. Dadurch, dass zukünftig die Hersteller von Arzneimitteln und Kosmetikprodukten dazu verpflichtet werden, die Kosten der Einführung und des Betriebs der Vierten Reinigungsstufe aufzukommen, werde das Verursacherprinzip nun auch in der Abwasserwirtschaft rechtskräftig umgesetzt, hob Weyand hervor.
DK
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