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(GZ-9-2024 - 3. Mai)
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► DWA-Politikmemorandum 2024:

 

Kommunalabwasserrichtlinie mit Augenmaß umsetzen

 

Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) hat ihre Positionen zur Umweltpolitik in dem neuen Politikmemorandum „Zukunft der Wasserwirtschaft gestalten“ formuliert. Zahlreiche Forderungen wiederholen sich aus den vergangenen Jahren, als besonders aktuell und spannend erweist sich allerdings der Part zur Kommunalabwasserrichtlinie. Mit der nunmehr novellierten EU-Kommunalabwasserrichtlinie aus dem Jahr 1991 werden wesentliche Bereiche der Siedlungswasserwirtschaft neu geordnet und zukunftsweisende Anforderungen gesetzt. Mit ihr kommen bedeutende Veränderungen und Herausforderungen auf die deutsche Wasserwirtschaft zu.

„Die Wasserwirtschaft ist sich ihrer Verantwortung und Aufgaben sehr bewusst. Die notwendigen Maßnahmen dürfen nicht länger aufgrund von Personalengpässen oder Finanzierungsfragen vertagt werden. Die Politik ist gefordert, den finanziellen und regulatorischen Rahmen für eine zeitnahe Umsetzung zu schaffen. Untätigkeit wird am Ende deutlich teurer“, betonte Dr. Lisa Broß, Sprecherin der DWA-Bundesgeschäftsführung, bei der Übergabe des Politikmemorandums an die umweltpolitischen Sprecher der im Bundestag vertretenen Parteien.

Mit der Novellierung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie verschärft die EU die Grenzwerte für Phosphor und Stickstoff und schreibt der Branche mittelfristig Energieneutralität vor.
Zudem fordert sie einen großflächigen Ausbau der Kläranlagen um eine sogenannte vierte Reinigungsstufe zum Abbau von Spurenstoffen, in erster Linie von Arzneimittelrückständen. Finanziert werden soll die weitergehende Abwasserbehandlung über eine Erweiterte Herstellerverantwortung, Hersteller und Inverkehrbringer von Humanarzneimitteln und Kosmetika sollen 80 Prozent der Investitions- und Betriebskosten der vierten Reinigungsstufe übernehmen.

Für angemessene Finanzierungskonzepte

Gewässerschutz ist Kernaufgabe der DWA. Die Ziele der EU, den Schutz der Gewässer vor Schadstoffeinträgen und den Schutz des Klimas durch Energieneutralität, unterstützt die Vereinigung voll umfänglich. Die Umsetzung der Kommunalabwasserrichtlinie löst aber auch erhebliche Investitionen aus, die zusätzlich zur Erneuerung und Sanierung der abwasserwirtschaftlichen Infrastruktur gestemmt werden müssen.

Hier braucht es laut Memorandum Finanzierungskonzepte, die den Her-
ausforderungen angemessen sind, wie Förderprogramme oder zinsverbilligte Darlehen. Die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht müsse zudem pragmatisch und mit Augenmaß erfolgen. Nationale Verschärfungen und Alleingänge, wie aktuell beispielsweise bei der Überwachungsmethodik für Phosphor und Stickstoff, seien unbedingt zu vermeiden.

Erweiterte Herstellerverantwortung

Von großer Bedeutung für die DWA ist die Umsetzung der Erweiterten Herstellerverantwortung in das deutsche Recht. Die EU macht diesbezüglich keine konkreten Vorgaben, sondern überlässt explizit den einzelnen Mitgliedsstaaten die rechtliche und ökonomische Ausgestaltung.

Aktuell verfügen in Deutschland gut 80 Abwasserbehandlungsanlagen über eine Reinigungsstufe zum signifikanten Abbau von Spurenstoffen. Fachleute schätzen, dass bis 2045 rund 1.700 der insgesamt gut 9.000 Kläranlagen in Deutschland um eine entsprechende Reinigungsstufe erweitert werden, um die Vorgaben der EU zu erfüllen. Die Erweiterte Herstellerverantwortung müsse national so ausgestaltet werden, dass die Finanzierung, wie von der EU vorgeschrieben, verursachungsgerecht über die Industrie erfolgt. Die Abwasserwirtschaft brauche für dieses milliardenschwere Investitionspaket Planungs-, Rechts- und Finanzierungssicherheit. Die Kosten dürften nicht über die Gebühren auf die Bürger abgewälzt werden.

Der Klimawandel hat erhebliche Auswirkungen auf das Wasserdargebot. Wasser ist schon immer eine zentrale Ressource, die phasenweise und örtlich im Übermaß vorhanden ist, mit der entsprechenden Gefahr von auch großflächigen Überflutungen, dann aber auch über längere Zeiträume knapp wird. Die sichere Wasserversorgung von Industrie, Gewerbe, Land-, Forst- und Energiewirtschaft sowie Natur könne auch in Deutschland nicht jederzeit und überall gewährleistet werden. Der Klimawandel verstärke diese Tendenzen durch vermehrt stationäre Wetterlagen.

Laut DWA muss die Wasserwirtschaft die Überflutungsvorsorge weiter nachdrücklich verfolgen und sich gleichzeitig auf Dürre, Trockenheit und Niedrigwasser vorbereiten. Dazu seien ein naturnaher Landschaftswasserhaushalt und ein Ende der massiven Bodenversiegelung geboten. Zudem werde der Ausbau- und Neubau von Wasserspeichern und eine gezielte Wasserwiederverwendung benötigt. Auch müsse die wasserbewusste Stadtentwicklung nachdrücklich betrieben und in der Fläche forciert werden. Die DWA fordert die Bundespolitik auf, die grundsätzlich richtige bauliche Nachverdichtung im urbanen Raum unbedingt in Konzepte zur wasserbewussten Stadtentwicklung einzubinden und Bau- und Wasserrecht entsprechend zu gestalten. Die Vereinigung macht hier konkrete Vorschläge.

„Einen vollständigen technischen Schutz gegen Überflutungen wird es nicht geben können“, heißt es weiter. Für eine notwendige Risikominderung sei es besonders wichtig, die Vorsorge bereits mit dem Rückhalt in der Fläche zu beginnen. Ein naturnaher Landschaftswasserhaushalt mit speicherfähigen Böden und renaturierten oder reaktivierten Auen sollte geschaffen werden, weil damit nicht nur die Überflutungsvorsorge, sondern auch die Vorsorge gegen Trockenheit und Dürre und der Biodiversitätsschutz gestärkt wird.

Der technische Überflutungsschutz in Form von Hochwasser-, Regenrückhaltebecken oder Deichen und Mauern sei flächendeckend auf den Stand der Technik zu bringen und auszubauen. Die dazu nötigen Genehmigungsverfahren seien zu vereinfachen und zu beschleunigen. Ein Starkregenrisikomanagement (SRRM) vergleichbar mit dem europarechtlich vorgegebenen Hochwasserrisikomanagement müsse jetzt verbindlich im Wasserrecht geregelt und als zwingender Bestandteil in die Bauleitplanung eingebunden werden.

Nach Auffassung der DWA braucht es zudem mehr Anreize zur Eigenvorsorge der Bürger und weitere Verbesserungen der Risikokommunikation gegenüber der Bevölkerung. Der Bau in überschwemmungsgefährdeten Gebieten sollte grundsätzlich vermieden werden. Mindestens sollte der Nachweis einer Elementarschadenversicherung für den Bau von Gebäuden in gefährdeten Gebieten verpflichtend werden.

„Die Anpassung an den Klimawandel und die Erhöhung der Resilienz ist jetzt unsere Pflichtaufgabe und darf nicht länger aufgrund von Personalengpässen oder von Finanzierungsfragen vertagt werden. Untätigkeit wird am Ende teurer. Die Politik muss den entsprechenden Rahmen für zeitnahe Umsetzungen schaffen. Auch hier ist Planungs- und Finanzierungssicherheit zu schaffen“, stellt die Vereinigung fest. Die Finanzierung der wasserbewussten Stadtentwicklung dürfe nicht auf Projektförderung basieren. Die DWA plädiert dafür, einen Teil der Einnahmen aus der CO2-Abgabe verursachungsgerecht dafür bereitzustellen und Finanzierungsmöglichkeiten über Abwasserentgelte vorzusehen.

DK

 

 

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