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(GZ-13-2024 - 4. Juli)
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► Internationaler bvse-Alttextiltag in Dresden:

 

Eigentumsfrage hat höchste Priorität

 

Beim 11. Internationalen bvse-Alttextiltag in Dresden wurde neben den anhaltend aktuellen Themen, wie sinkenden Qualitäten bei gesammelten Alttextilien und der durch Fast-Fashion Konsum hervorgerufenen Probleme für das hochwertige Textilrecycling, das Augenmerk auch auf die Recyclingverfahren gelegt, die künftig einen Teil der textilen Kreislaufwirtschaft bilden werden.

Aus Sicht von bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock wird die Eigentumsfrage, die sich bereits wie ein roter Faden durch die Verpackungsgesetzgebung zieht, auch im Zusammenhang mit der geplanten Errichtung eines Systems der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) für Textilien höchste Priorität für die Branche haben. Vor rund 100 Teilnehmern bezeichnete er die Einführung eines geeigneten EPR-Systems als ein äußerst komplexes Thema, das der bvse mit seinem Fachverband Textilrecycling und über seinen europäischen Branchendachverband EuRIC nach Kräften begleiten werde.

Gute und nachhaltige Qualität generieren

Ein zentrales Kriterium sei die Festlegung des Eigentums an den Textilien, machte Rehbock deutlich. Das Interesse, gute und nachhaltige Qualität zu generieren, sei entscheidend daran gekoppelt, dass die Unternehmen eigene Verantwortung tragen und den Output selbst vermarkten können. Dies habe man klar aus den Erfahrungen mit dem Verpackungsbereich lernen können: „Wenn nur nach Tonnage bezahlt wird, ist die Qualität, die hinten herauskommt, egal“, so der Verbandschef.

In Deutschland seien bereits über Jahre gut funktionierende Strukturen in der textilen Sammlung, Sortierung und Verwertung aufgebaut worden, erklärte Rehbock: „Wir haben in Deutschland ein Sammel- und Verwertungssystem für Alttextilien, das in Europa seinesgleichen sucht. Im Hinblick auf die EU-weite Diskussion um die verpflichtende Getrenntsammlung von Textilien ab Januar 2025 können wir sagen: In Deutschland ist bereits alles da!“

Plädoyer für EPR-System

Laut dem bvse-Vizepräsidenten und Vorsitzenden des Fachverbandes Textilrecycling, Stefan Voigt, muss am bestehenden Gemeinwerk von gewerblichen, caritativen und kommunalen Sammlern, Sortierern und Verwertern auch nichts verändert werden. Allerdings komme man nicht mehr umhin, ein EPR-System zu errichten, das die Branche bei der Gewinnung von Finanzmitteln für die Aufrechterhaltung ihres bewährten Systems unterstützt, habe diese doch mittlerweile ein immer größer werdendes Finanzproblem:

„Unsere Branche verrichtet eine Dienstleistung an der Bevölkerung und muss im Gegensatz zu anderen Stoffströmen dafür bezahlen – und das sofort oder sogar vorab. Die Finanzmittel für die Aufrechterhaltung des Systems durch den Verkauf der Alttextilien erhalten die Unternehmen der Alttextilbranche oft jedoch Monate, im Exportgeschäft sogar teilweise erst ein ganzes Jahr später“, erläuterte Voigt. „Die Alttextilbranche benötigt dringend ein EPR-System, das frische Gelder in das System bringt und deren Wirken im Sinne der Kreislaufwirtschaft unterstützt.“

Bei der Implementierung eines geeigneten Systems gehe es allerdings nicht ohne eine Organisation, in der alle Daten zusammenfließen, hob Hauptgeschäftsführer Rehbock hervor. Nur so könne man das Problem mit nicht registrierten Trittbrettfahrern vermeiden, die Produkte auf den Markt werfen, ohne sich an der Finanzierung für Sammlung, Sortierung und Recycling zu beteiligen.

„Der bvse wird weiterhin alles dafür tun, den Textilmarkt zu erhalten und dafür zu sorgen, dass unsere privatwirtschaftlichen Unternehmen weiterhin in der Wertschöpfungskette vertreten sein werden“, so Rehbock.

Auf die Frage, wie die operative Umsetzung eines EPR-Systems aussehen könnte, ging André Rückert vom Unternehmen Ecologicon ein, das sich auf die Beratung für Unternehmen der Kreislauf- und Abfallwirtschaft spezialisiert hat. „Die Regierung und der Gesetzgeber müssen die bestehende Struktur miteinbeziehen, um auch Arbeitsplätze und Geschäftsmodelle zu schützen“, bestätigte Rückert.

Wichtige Eckpunkte

Allerdings werde mit den kommenden gesetzlichen Regelungen der Alttextilmarkt komplexer und insbesondere der bürokratische Umsetzungsaufwand steigen, prophezeite der Projektingenieur. Er machte deutlich, dass unter Einbeziehung der Interessen und Rollen aller Akteure in der zukünftigen Umsetzungskette Qualitätssicherung und Standards sowie Kostenmodelle und Incentivierung in Abhängigkeit von Materialzusammensetzung und Verwertungswegen wichtige Eckpunkte darstellen. Zudem müsse es eine international klar abgestimmte Intention für ein End of Waste und auch für die Materialströme der Rezyklate geben. Auch sei eine Unterstützung des Einsatzes von Rezyklaten sinnvoll. Dazu müssten auch ein Markt für Rezyklate erarbeitet sowie vorhandene Verwaltungs- und Vollzugsstrukturen genutzt werden, um weitere Bürokratisierung zu vermeiden.

Das Thema EPR für Textilien ist für einige Inverkehrbringer noch recht abstrakt, erklärte Jonas Stracke vom Gesamtverband Textil und Mode. „Es stehen noch viele Fragen im Raum. Beispielsweise, wie die künftigen Anforderungen für eine Produktverantwortung nach der Konsumeigenschaft für Hersteller aussehen könnten und vor allem, wie eine gleichberechtigte Teilnahme in einem künftigen EPR-System von der Herstellerindustrie aussehen kann. Hersteller wollen über ein mögliches Dokumentieren und Bezahlen hinaus aktiv werden, das zeichnet sich auch im Verband deutlich ab“, unterstrich Stracke.

Neue innovative Recyclingverfahren

Welche Rolle die angewandten Wissenschaften in den Prozessen des Textilsektors spielen, der durch aktuelle politische Regulierungen auf nationaler und europäischer Ebene immer weiter vorangetrieben wird, und wie sich Unternehmen daran beteiligen können, erläuterte die wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Produkte und Stoffströme des Öko-Instituts, Clara Löw. Wie wichtig verlässliche Qualitätssicherungsmaßnahmen für die Sicherstellung von Inputqualitäten bei Recyclingunternehmen sind, davon wusste der Gründer der SRE GmbH und langjährige Branchenexperte Thomas Staudt zu berichten. Sein Vortrag drehte sich um ein Modell zur Faserqualitätsbestimmung.

„Chemische Verfahren – Neuer Stoffstrom“ waren die Schlagworte, die am ersten Veranstaltungstag neue innovative Textilrecyclingverfahren angekündigt hatten. Einblicke zur Frage, ob der Weg zu einer zirkulären Textil- und Kreislaufwirtschaft durch ein neues chemisches Verfahren zum Monomer-Recycling von PET-Kunststoffen und Polyesterabfällen gelingen kann, gewährte Ben Rump, Geschäftsführer von matterr. Wie der Entwicklungsprozess bei der chemischen Verwandlung alter Textilien in Zellulose- und Polyesterkomponenten vom Labor bis zum Markt aussieht, darüber informierte der Mitbegründer des Startup-Unternehmens eeden GmbH, Steffen Gerlach.

Textilrevolution aus Franken

Bringt vielleicht ein neues Faser-zu-Faser-Verfahren, das ganz ohne Chemie auskommt, den Durchbruch? Über den Turns®-Faserkreislauf als Textilrevolution aus Franken berichtete die Mitbegründerin des Startups Turns GmbH, Katja Wagner, während Klaus Wohnig(Atmedio GmbH) sein langjähriges Expertenwissen bezüglich Alttextilien und dem Chemischen Kunststoffrecycling mit den anwesenden Teilnehmern und Branchenexperten teilte.

Ein abschließendes Podium bot die Gelegenheit, die vorgetragenen Impulse der Referentinnen und Referenten im Gespräch mit den Teilnehmern noch einmal gemeinsam zu vertiefen und weitere relevante und aktuelle Themen der Branche zu diskutieren.

DK

 

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