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(GZ-17-2024 - 12. September)
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► Baustoff Recycling Forum in Ingolstadt:

 

Nachhaltiges Wirtschaften als Auftrag

 

Wo stehen wir nach zwölf Monaten Praxis Ersatzbaustoffverordnung? Wie müssen wir künftig mit Asbest bei Rückbaumaßnahmen und PFAS (Per- und polyfluorierte Chemikalien) in Böden umgehen? Wie setzen wir die neuen Vorschriften in der Praxis um? Mit diesen und weiteren Fragen befasste sich das Baustoff Recycling Forum 2024 in Ingolstadt. Vor über 200 Teilnehmern gaben Referenten aus dem bayerischen Bau- und Umweltministerium sowie der Recycling- und Entsorgungsbranche wieder wertvolle Hinweise und Anregungen für die betriebliche Praxis.

Nach der Begrüßung durch den wiedergewählten ersten Präsidenten des Baustoff Recycling Bayern e.V., Matthias Moosleitner, ging Ministerialdirigentin Dr. Monika Kratzer vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz in ihrem Vortrag zunächst auf aktuelle gesetzliche Initiativen und Entwicklungen der Branche mit besonderem Blick auf den Freistaat Bayern ein.

Umsetzung der EBV

Laut Kratzer, seit 1. September Präsidentin des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU), hat die über die Ersatzbaustoffverordnung (EBV) angestrebte Harmonisierung im Vollzug innerhalb eines Bundeslandes und auch zwischen den Bundesländern bislang nicht stattgefunden. Zum Verordnungstext der EBV gebe es häufig sehr unterschiedliche Auslegungen. Um einen möglichst einheitlichen, klaren und praktikablen Vollzug der Verordnung zu unterstützen, werde man in Bayern die bestehenden Auslegungsfragen (FAQ) zur EBV weiter fortschreiben.

Auch die auf Bundesebene umstrittene bayerische Lösung zum Abfallende habe sich als sehr pragmatisch herausgestellt und funktioniere, unterstrich Kratzer. Allerdings werde man in Bayern die Vollzugshilfe zur Entsorgung asbesthaltiger Abfälle in der derzeitigen Form nicht einführen, sondern Regelungen zum Thema Asbest in FAQ formulieren, die voraussichtlich schon im Herbst veröffentlicht werden. Zudem strebe man im Freistaat die Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren zur Genehmigung von BImSchV-Anlagen an. Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass die bestehenden Verordnungen zum Bundes-Immissionsschutzgesetz zunächst entschlackt werden, hob Kratzer hervor.

Mit Blick auf die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand zur Förderung des Einsatzes von Sekundärbaustoffen betonte die Referentin: „Nachhaltiges Wirtschaften ist für Bayern Auftrag.“ Es gebe bereits einige erfolgreich umgesetzte Beispiele, die zeigten, dass in Bayern langsam ein Umdenken in der Ausschreibungspraxis der Öffentlichen Hand beginne. Dies reiche aber noch nicht aus: „Alle Akteure müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen endlich anerkennen und ihr Handeln danach ausrichten“, so Kratzers Appell.

Dass in punkto nachhaltiger öffentlicher Ausschreibungsunterlagen noch viel Handlungsbedarf besteht, darauf verwies Thomas Hölzl vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bauen und Verkehr. Mit den bautechnischen Regelungen und den umwelttechnischen Anforderungen in der EBV seien zwar alle formalen Voraussetzungen für den Einsatz von Ersatzbaustoffen geschaffen. Jedoch müsse noch viel Informations- und Überzeugungsarbeit in den Beschaffungsämtern geleistet sowie organisatorische Strukturen und Verfahrensweisen angepasst werden, um die Umsetzung der EBV und die Sekundärbaustoff-freundliche öffentliche Ausschreibungspraxis weiter voranzutreiben.

Zusätzliches Wertungskriterium

In Bayern wolle man künftig mit dem zusätzlichen Wertungskriterium „Wiederverwertung von Baustoffen“ in Ausschreibungsunterlagen einen weiteren Impuls zur Förderung des Einsatzes von Sekundärbaustoffen setzen, erklärte Hölzl. Damit soll die Punktzahl und entsprechende Gewichtung für eine Angebotsbewertung steigen, je höher der prozentuale Anteil der eingesetzten Ersatzbaustoffe ist. Zudem sollen künftig Sanktionierungen möglich sein, wenn angebotene Leistungen bei der späteren Bauausführung hinsichtlich des Recyclinganteils aus Gründen, die der Auftragnehmer zu verantworten hat, nicht erfüllt werden. Auch sollen Nebenangebote zugelassen werden, um die Innovationskraft der Unternehmen zu stärken.

Um die ausschreibenden Stellen bei der Formulierung rechtssicherer Ausschreibungsunterlagen zu unterstützen, werden die Partnerverbände Baustoff Recycling Bayern und bvse Mustertexte zur Baubeschreibung und, orientiert am Standard-Leistungskatalog, für die einzelnen Leistungspositionen im Straßen- und Erdbau veröffentlichen, kündigte Stefan Schmidmeyer, Geschäftsführer der beiden Partnerverbände Baustoffrecycling Bayern und bvse, an.

Neues Nachhaltigkeitstool

Maxime Rehbock (bvse) stellte unter anderem das neue Nachhaltigkeitstool seines Verbandes vor, das den Mitgliedsunternehmen von bvse und Baustoff Recycling Bayern exklusiv zur Verfügung steht und ihnen bereits heute die Möglichkeit eröffnet, künftige gesetzliche Vorgaben und Anforderungen der CO2-Preismechanismen zu erfüllen.

Das Tool ermöglicht Unternehmen, individuelle CO2-Berichte für ihre entsorgten und verwerteten Abfälle zu generieren. Diese Berichte bieten nicht nur eine Messung der eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen, sondern auch eine transparente Darstellung gegenüber Kunden. Rehbock zufolge können Unternehmen bereits bei der Angebotsabgabe auf die CO2-Ersparnisse ihrer Sekundärbaustoffe aufmerksam machen. Damit setzen sie frühzeitig einen wettbewerbsrelevanten Impuls, der potenzielle Auftraggeber von den ökologischen und ökonomischen Vorteilen überzeugt - noch bevor diese explizit danach fragen.“

Best Practice-Beispiele

Auf großes Interesse beim diesjährigen Baustoff Recycling Forum stießen Best Practice-Beispiele aus dem Bereich des Recyclings, des nachhaltigen Einsatzes von Sekundärbaustoffen und des regelkonformen Umgangs mit schadstoffbelasteten Böden, Bau- und Abbruchmaterialien. Deren Aufbereitung stellt hohe gesetzliche und technische Anforderungen an die Mineralik-Recyclingbranche, wie Sandra Giern, Geschäftsführerin des Gesamtverbandes Schadstoffsanierung deutlich machte:

„Von den jährlich anfallenden, rund 60 Millionen Tonnen Bauschutt und rund 0,6 Millionen Tonnen Bauabfällen auf Gipsbasis ist ein nennenswerter Teil durch entsprechende Anhaftungen oder Bestandteile potenziell asbestbelastet“, betonte Giern.

Entsprechend groß sei das Interesse der Abfall- und Recyclingwirtschaft in Bezug auf eine einheitliche Vorgehensweise für den umweltfreundlichen und regelkonformen Umgang mit asbesthaltigen Bau- und Abbruchabfällen. Denn nur durch eine anlassbezogene Erkundung, beispielsweise durch Probenahmen und Analysen, die schon vor der Baumaßnahme durchgeführt werden, könne sichergestellt werden, dass ausschließlich Materialien in das Recycling und die Verwertung gehen, die den in der neuen Vollzugshilfe LAGA M 23 für die Beurteilung als „Asbestfrei“ festgelegten relevanten Wert nicht überschreiten.

LAGA M23

Den Rahmen für ein bundeseinheitliches Vorgehen nach dem Stand der Technik soll eben dieses neue LAGA Merkblatt M23 schaffen. Mit Ausnahme von Bayern, das eine eigene Regelung dazu plant, wurde dieses Technische Regelwerk bereits in einigen Bundesländern eingeführt oder befindet sich in der Umsetzung.

Mit einigen praxisorientierten Anpassungen, beispielsweise zum Umgang mit Containern/Kleinmengen und in Verbindung mit einer novellierten Gefahrstoffverordnung sei die LAGA M23 für die Recycling- und Entsorgungsbranche grundsätzlich umsetzbar, stellte Giern fest. Allerdings sei für die Branche existenziell, dass bei der Novellierung der Gefahrstoffverordnung eine Verpflichtung für den Bauherren bzw. Veranlasser zur Vorerkundung bzw. Untersuchung seiner baulichen Anlage auf Gefahrstoffe hin fest verankert wird.

Dass die Herausforderungen zum Umgang mit schadstoffbelastetem Material mit hoher Innovationsbereitschaft von der Branche angenommen werden, zeigten auch die weiteren Vorträge des Baustoff Recycling Forums. So demonstrierte der Betriebsleiter der Schlösser Grund- und Tiefbau GmbH, Thomas Schlösser, anhand unterschiedlicher Beispiele die technischen Möglichkeiten der praktischen Erkundung und Separierung von asbesthaltigen Kleinbestandteilen (z.B. Abstandshalter) im Beton. „Sämtliche asbesthaltigen Kleinteile in Betonbauteilen müssen vor dem Abbruch detektiert werden, damit diese entfernt werden können und die restliche Mineralik einer Wiederverwertung zugeführt werden kann“, erklärte Schlösser. In der Zukunft werde dies auch robotergestützt möglich sein.

Sulfat bzw. Gips gilt als weiterer kritischer Schadstoff bei der Herstellung von Ersatzbaustoffen und verhindert die uneingeschränkte Verwendung im Straßen-, Erd- und Hochbau. Andererseits wird die Rückgewinnung dieses für die Bauindustrie unverzichtbaren Rohstoffs bei gleichzeitig schwindenden natürlichen Vorkommen für eine künftige ausreichende Rohstoffversorgung immer wichtiger.

Ensuba-Verfahren

Eine Lösung hierfür könnte das im Fraunhofer IBP entwickelte Ensuba-Verfahren sein. Es ermöglicht, dass das Sulfat aus dem Materialstrom feinkörniger Recycling-Brechsande extruiert und somit neuer Gips als Rohstoff zurückgewonnen werden kann, veranschaulichte Dr. Sebastian Dittrich. Erste Schritte zur industriellen Anwendung wurden bereits angestoßen. Um das Verfahren weiterzuentwickeln, befürwortete Dittrich eine weitere intensive Zusammenarbeit und den Austausch mit Recyclingunternehmen, gerne auch als Projektpartner.

DK

 

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