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(GZ-17-2024 - 12. September)
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► Touristische Schilder entlang deutscher Autobahnen:

 

Teure Wahrzeichen

 

So direkt weiß es keiner, aber mehr als 3.400 „touristische Unterrichtstafeln“ stehen entlang deutscher Autobahnen. Bayern liegt bei diesen braunen Hinweistafeln auf regionale Sehenswürdigkeiten weit vor allen anderen Bundesländern. 836 Tafeln standen im Januar 2020 entlang der rund 2.800 bayerischen Autobahnkilometer. Zum Vergleich: Hessen zählte im gleichen Zeitraum 216 Schilder, das Saarland 60. Ein solches Schild kostet die Auftraggeber aktuell – abhängig von der Position und dem damit verbundenen Aufwand für die Verankerung – zwischen 20.000 und 40.000 Euro, wie die Pressestelle der Autobahn GmbH mitteilt. Und meistens steht jeweils ein Schild pro Fahrtrichtung für eine touristische Attraktion, was die Kosten schnell verdoppelt.

Angesichts der Tatsache, dass die Schilder vom Material her altern und auch optisch unansehnlich werden, sollten sie im Schnitt alle 15 Jahre überprüft und, wenn nötig, neu gesichert oder erneuert werden. Da kommt im Laufe der Zeit für die Auftraggeber doch ein beachtliches Sümmchen zusammen. Lohnt sich das?

Wirkung der Schilder

Sven Groß am Institut für Tourismusforschung (ITF) der Hochschule Harz, beschäftigt sich seit Jahren mit Wahrnehmung, Effekten und Entscheidungsverhalten der Verkehrsteilnehmer in Bezug auf touristische Beschilderungen. Und seine Studien tragen sicherlich dazu bei, dass die Schilder nicht weniger werden, denn laut seinen Untersuchungen ist „fast jeder sechste Befragte (17,1 Prozent) bereits mindestens einmal aufgrund einer touristischen Unterrichtungstafel spontan von einer Autobahn abgefahren, um die abgebildete Sehenswürdigkeit, Stadt oder Landschaft zu besuchen. Der Großteil der Befragten hat innerhalb des letzten Jahres einen spontanen Besuch durchgeführt (87,2 Prozent). Groß schließt dar-
aus, dass diese Schilder wirken und zwar sowohl kurzfristig als auch langfristig. (https://wissenschafts-thurm.de/touristische-unterrichtungstafeln-an-autobahnen-in-deutschland)

Es ist also eine Frage der Gewichtung, ob und wie lange solche „Unterrichtstafeln“ von der öffentlichen Hand finanziert werden. Als Auftraggeber fungieren fast ausschließlich Landkreise, Städte und Länder, oft auch Touristikvereine und -verbände, die mittelbar ebenfalls am Steuergeld hängen und ihre touristischen Attraktionen direkt sichtbar machen.

Aktuell sind die Kommunen und Gebietskörperschaften nicht mit finanziellen Überschüssen gesegnet. Im Februar musste sich der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen überlegen, ob er zwischen 20.000 und 30.000 Euro für eine Erneuerung eines Schildes zahlen wollte oder lieber 6.000 Euro für den Rückbau. Er entschied sich für den Rückbau. Die Stadt Straubing mit dem „Straubinger Zoo“-Schild und der „Naturpark Oberer Bayerischer Wald“ stellten ähnliche Überlegungen an, wie der Bayerische Rundfunk Ende Februar 2024 berichtete.

Warum sind die Schilder so teuer und wie setzen sich die Kosten zusammen? In den Unterlagen für Antragsteller (2011) heißt es: „Gem. § 51 StVO sind die Kosten für VZ 3856-52 StVO (touristische Unterrichtstafeln) von demjenigen zu tragen, der die Aufstellung beantragt hat.“ Neben den Erstellungskosten (Anfertigung, Fundament, Ständer und Montage) umfasst dies auch sämtliche weiteren Kosten, die im Laufe der Bestandszeit in Zusammenhang mit der Beschilderung ggf. entstehen können (Reparatur, Ersatz, Entfernung etc.). Für die durch
die Beschilderung erschwerten Unterhaltungsarbeiten entlang der Autobahn (Mäharbeiten am Randstreifen, Gehölzschnitt, Reinigungsarbeiten etc.) wird einmalig ein Ablösebetrag von 50 Prozent der Erstellungskosten + 10 Prozent Verwaltungskostenzuschlag erhoben.

Die „Schneewittchenstadt Stadt Lohr am Main“ entschied sich im Jahr 2011 für zwei Schilder. Kostenpunkt: 7.000 Euro plus Ablösebetrag für die Unterhaltskosten von 50 Prozent der Erstellungskosten sowie einen Verwaltungskostenzuschlag. Insgesamt zahlte die Stadt Lohr vor 15 Jahren 12.000 Euro für zwei Schilder, die seit 2013 an der A3 zu finden sind. Ähnlich erging es der Stadt Straubing, die für zwei Zoo-Schilder im Jahr 2001 insgesamt 6.000 Euro zahlen musste. Das ist 23 Jahre her. Nun wird sich Straubing von seinen beiden Schildern trennen, denn 84.000 Euro für zwei neue Schilder – die nach einer neuen Norm aus dem Jahr 2008 größer als die vorherigen Schilder sein müssen – wollte der Stadtrat nicht ausgeben. Man vermutete die Kostensteigerung offenbar in den gestiegenen bürokratischen Vorgaben. Daher wandte sich Straubings OB Markus Pannermayr an Bundesverkehrsminister Volker Wissing und forderte einen Bürokratieabbau.

Mehr als einen Preistreiber

Doch liegen die Kosten für solche Schilder wirklich nur an einer überbordenden Bürokratie? „Die Ausgestaltung und Aufstellung der braunen Schilder erfolgt nach den Richtlinien für die touristische Beschilderung (RtB)“ so Maria Schraml Pressesprecherin der Autobahn GmbH Bayern Nord. Offenbar sind die der Norm von 2008 entsprechenden neuen Schilder aufgrund ihrer Größe teurer, als die älteren, kleineren Exemplare. Dazu kommen der Gabelständer für die Montage, die Montage vor Ort (inklusive der Fundamentsetzung). Die Kostensteigerungen für derartige Metalle sind abhängig von Rohmaterial- und Energiekosten zur Materialherstellung sowie Personal- und Transportkosten bei Herstellung und Versand. All dies ist in den vergangenen 10 Jahren kostenmäßig in schwindelnde Höhen gestiegen.

Der prozentuale Verwaltungskostenzuschlag ist im Vergleich zu 2011 gleich geblieben. Auch die zusätzlichen 50 Prozent Ablösebetrag, der für die Unterhaltsmehrkosten, wie mehrmalige Wartung der Schilder pro Jahr und das händische Rasenmähen rings um die Pfosten sind nach Angabe der Autobahn GmbH (prozentual) gleich geblieben – wobei gestiegene Grundkosten logischerweise auch steigende Anteilskosten zur Folge haben. Hinzu gekommen sind etwa 3.000 bis 4.000 Euro pro Schild für die Verkehrssicherung während der Montage und in den neuen Verträgen wird auch gleich die Demontage pro Schild mit ca. 5.000 Euro berechnet.

Es gibt also durchaus mehr als einen Preistreiber. Material und Dienstleistung geben die Grundausrichtung vor. Dann schlagen Personalkosten besonders bei den Sicherungsmaßnahmen während des Aufbaus zu Buche. „Für eine Montage müssen mehrere LKWs richtliniengemäß die Sicherheit der Arbeiter herstellen. Da sind mehrere Firmen im Einsatz. Und eine LKW-Stunde bedeutet, dass man das Fahrzeug und den Fahrer zahlen muss. Zusätzlich die Mitarbeiter der Erdbaufirmen und die Monteure“, sagt Josef Seebacher, der für die Autobahn GmbH Südbayern spricht. Für ihn steht die Sicherheit der Arbeiter an erster Stelle. Und er stellt klar: „Grundsätzlich verdienen wir nichts an den touristischen Hinweisschildern und organisieren nur die Aufstellung durch eine Fachfirma, die in einer öffentlichen Ausschreibung das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat.“

Kritik angekommen

Doch die Kritik der Kommunen ist angekommen: Die Autobahn GmbH unterzieht derzeit die Vergaben und Abläufe der touristischen Beschilderung einer kritischen Überprüfung mit dem Ziel, die Kosten im Sinne der Antragsteller zu optimieren. Was dabei herauskommt, ist abzuwarten.

Download "Streckenkarte Touristische Hinweisschilder"

ggb

 

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