(GZ-24-2024 - 19. Dezember) |
► Argumente und Positionen der Sparkassen-Finanzgruppe: |
Mittelstand braucht Freiraum |
Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen und der europäischen Wirtschaft und unerlässlich für Innovation, Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt. Doch während mittelständische Unternehmen versuchen, sich in einer Welt des Wandels zu behaupten, treffen sie auf ein alles überwucherndes Netz aus Bürokratie und Regulierungen. Vorschläge, wie der Mittelstand von der Politik entlastet werden kann – von vereinfachten Berichtspflichten bis hin zu unterstützenden Finanzierungslösungen – liefert nun ein praxisnahes Argumentationspapier der Sparkassen-Finanzgruppe.
In Deutschland gibt es etwa 600 Großunternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten. Dem stehen 3,2 Millionen kleine und mittlere (KMU) sowie Kleinst-Unternehmen gegenüber. Doch dieser Mittelstand steht unter Druck. Als Hauptfinanzierer mittelständischer Strukturen in Deutschland sehen die Sparkassen und ihre Verbundpartner mit Sorge, dass EU-Kommission und -Parlament mit einer massiven Steigerung von detailliertesten Regularien für fast alle Lebensbereiche schlichtweg für Überforderung sorgen. Dies gilt insbesondere für die Wirtschaft: DSGVO, Lieferkettengesetz, Verbraucherschutz, sektorbezogene Verordnungen und Richtlinien, der Vollzug zuständiger Aufsichtsbehörden – die Anzahl mittelbar oder unmittelbar zu beachtende Vorschriften wächst ungebremst.
Wandel der Realwirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit: immenser Investitionsbedarf
Dabei muss die Wirtschaft auch die dringend erforderliche Transformation stemmen. Für den Wandel der Realwirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit prognostiziert der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) allein bis 2030 einen Investitionsbedarf von 1,1 Billionen Euro. Ungefähr die Hälfte werden die kleinen und mittleren Unternehmen tragen müssen. Während ein Teil aus Eigenmitteln erbracht werden kann, schätzt der Verband das Finanzierungsvolumen für KMU auf 290 Milliarden Euro, bei steigender Tendenz bis zur angestrebten Klimaneutralität.
Die Sparkassen appellieren an die Entscheidungsträger, mittelständische Strukturen nicht preiszugeben. „Anders als Großkonzerne oder wirtschaftliche Monostrukturen kann der Mittelstand keinen korporatistischen Interessendruck ausüben, mithin stehen ihm auch keine wirksamen Stellhebel zur Verfügung. Die Folge ist: KMU und Kleinstunternehmen treten schleichend und leise aus dem Markt aus.“
Lösungsansätze für wesentliche Zukunftsbereiche
Die Ziele der EU mögen nachvollziehbar sein, die für den Mittelstand unerfüllbaren bürokratischen Regulierungsaufwände seien es nicht. „Wenn aber gerade diejenigen auf der Strecke bleiben, die das Rückgrat von Wettbewerbs- und Innovationskraft bilden und zugleich Wirtschaft und Finanzsystem stabilisieren, kann die Politik am Ende nur noch feststellen: Operation gelungen, Patient tot.“ Damit es nicht so weit kommt, schlagen die Sparkassen Lösungsansätze für drei wesentliche Zukunftsbereiche vor: Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Finanzierung.
Beispiel Nachhaltigkeitsberichterstattung: Die verbindlichen und komplexen Berichtsinhalte stellen Mittelständler vor besonders große Herausforderungen. Um sie zu entlasten, seien nicht börsennotierte kleinste, kleine und mittlere Unternehmen zu Recht zwar von der Berichtspflicht ausgenommen, jedoch falle in der Praxis aber auch der Mittelstand unter eine indirekte Berichtspflicht, insofern er oftmals Teil der Lieferkette berichtspflichtiger Großunternehmen ist.
CSRD-berichtspflichtige Unternehmen fordern laut DSGV beispielsweise Informationen über den CO2-Fußabdruck ihrer mittelständischen Zulieferer, um ihre eigene Treibhausgasbilanz aufstellen zu können.
Bei einer notwendigen Novellierung der CSRD sollte für den Mittelstand eine Begrenzung der relevanten Lieferkette („Value Chain Cap“) festgelegt werden, um einen unkontrollierten Trickle-down-Effekt, der die Mittelständler überlasten würde, zu verhindern und um Rechtssicherheit für die berichtspflichtigen Unternehmen zu schaffen.
Beispiel Digitalisierung
Beispiel Digitalisierung: Mittlerweile gibt es 113 europäische Gesetze, die den digitalen Sektor regulieren sollen. Wer in dieser Vielfalt auch nur annähernd den Überblick behalten will, benötigt enorme personelle und finanzielle Ressourcen oder eine eigene Compliance-Abteilung. Gerade mittelständische Unternehmen verfügen in der Regel über beides nicht. Auch hier ist aus Sicht des DSGV „eine Anpassung der Vorgaben an das tatsächlich durch den Mittelstand Leistbare“ erforderlich.
KI-Verordnung im Visier
Was die KI-Verordnung anbelangt, würden Entwickler und Betreiber von KI-Systemen mit regulatorischen Anforderungen konfrontiert, die nur von großen Konzernen erfüllt werden können. Neben einer einheitlichen, innovationsfreundlichen und rechtssicheren Umsetzung der neuen Vorgaben in der gesamten EU sei sicherzustellen, dass die Erfüllung gesetzlicher Pflichten (z. B. Zertifizierung und Dokumentation) beim Betrieb von KI-Systemen keine derart hohen Kosten verursacht, dass der Mittelstand Wettbewerbsnachteile erleidet. So sei bei den Leitlinien künftig darauf zu achten, dass nicht jedwede Art von Software unter die KI-Definition fällt.
Für Mittelständler ist das Recht auf Datenzugang und auf die Anwendung nutzergenerierter Daten von großer Bedeutung. Viele Mittelständler verfügten allerdings nicht über die erforderliche Datenlogistik und stießen leicht an die Grenzen des Datenzugangsrechts. Die Anforderungen dürften nicht dazu führen, dass Geschäftsgeheimnisse preisgegeben werden, heißt es in dem Papier.
Als wesentliches Hindernis wird das fehlende Augenmaß des europäischen Gesetzgebers bei regulatorischen Tätigkeiten identifiziert. Die zunehmende Detailregulierung trage nur wenig dazu bei, die ambitionierten wirtschaftlichen Ziele der EU zu erreichen. Vielmehr fördere sie eine Überbürokratisierung, die den Handlungsspielraum des Mittelstands einschränkt.
Dringend nötig sei daher eine Ex-post-Überprüfung von Richtlinien und Vorgaben auf ihre Auswirkungen auf den Mittelstand. Dabei müssten Bagatellgrenzen und Schwellenwerte festgelegt werden, um zu verhindern, dass der Mittelstand unverhältnismäßig belastet wird. Zudem seien spezielle Vorgaben zu schaffen, um Mittelständlern mehr Rechtssicherheit zu bieten, etwa durch die Einführung von Regulierungs-Sandboxes, die Innovationen und neue Geschäftsmodelle unter gesicherten Rahmenbedingungen erproben lassen.
Beispiel Finanzen
Die Diversität der Unternehmenslandschaft sei eine zentrale Stärke der deutschen und europäischen Wirtschaft und mache sie krisenresistenter. Um diese Vielfalt zu bewahren, müsse der Fokus der Regulierung darauf liegen, Hindernisse abzubauen, anstatt neue zu schaffen. Insbesondere sei sicherzustellen, dass die Kreditfinanzierung, auf die der Mittelstand in besonderer Weise angewiesen ist, nicht durch regulatorische Vorgaben behindert wird. „Mehr Pragmatismus und weniger Vorschriften sind entscheidend, um die wirtschaftlichen Ziele der EU zu erreichen und den Mittelstand zu stärken“, fordert der DSGV.
DK
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