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(GZ-9-2017)
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► Clemens Graf von Wiser, Youssef Fahd und Thomas Fuchs / UniCredit Bank AG:   
 
Finanzierungsmöglichkeiten für Netzinfrastruktur
 

FuchsWiser

v.l. Youssef Fahd und Clemens Graf von Wiser UniCredit Bank AG

In nicht allzu ferner Zukunft steht das Konzessionsende für Strom- und Gasnetze an und kommunale Gebietskörperschaften planen, diese Netze in ihr Eigentum überzuführen – Stichwort Rekommunalisierung. Zahlreiche Kommunen bevorzugen hierbei die Finanzierung über Kommunaldarlehen. „Gleichwohl gibt es immer wieder Strukturen und wirtschaftliche Zwänge, die unter Umständen andere Instrumente oder Finanzierungsstrukturen erfordern“, hob Clemens Graf von Wiser, Leiter Public Sector Bayern Süd der HypoVereinsbank in München hervor.

Wie Youssef Fahd, zuständig für die Projektfinanzierung, erläuterte, müssten Kommunen als Konzessionsgeber alles transparent ausschreiben. Gleichzeitig aber seien sie Bewerber. „Das heißt: Es gibt immer inhärente Interessenkonflikte, verbunden mit hohen Kosten. Deshalb haben wir stets Kooperationen mit strategischen Partnern im Blick.“

Der Netzbetrieb als natürliches Monopol ist laut Fahd Gegenstand staatlicher Eingriffe und Regulierungen. Anreizregulierung bedeutet, dass eine festgelegte Erlösobergrenze von fünf Jahren Anreize zu Kostensenkungen für Betreiber geben soll. Der Grundgedanke hierbei ist, den Kapitaleinsatz marktüblich zu verzinsen und operative Kosten bei effizientem Netzbetrieb zu erstatten.

Durch die Entkopplung der tatsächlichen Kosten sind höhere oder niedrigere tatsächliche Renditen möglich. Die Erlösobergrenze sinkt über die Laufzeit leicht, da sie einem Effizienzpfad unterliegt. Netzkosten für kommende Regulierungsperiode werden von den Kosten des Basisjahrs maßgeblich bestimmt.

Schuldscheindarlehen als Option

Nach den Worten von Thomas Fuchs, Director Public Sector Origination im Bereich Corporate & Investment Banking der HypoVereinsbank, ist die Fremdfinanzierung von Kommunen bislang in der Regel durch Kommunaldarlehen im investiven Bereich sowie durch Kassenkredite für den kurzfristigen Liquiditätsbedarf geprägt. Angesichts verschärfter Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen für Banken im Zuge von Basel III täten Kämmerer allerdings gut daran, ihre Investorenbasis zu verbreitern. Für mittelund langfristige Finanzierungsbedürfnisse könne dabei die Aufnahme eines Schuldscheindarlehens (SSD) eine Option sein. Hierbei handle es sich um eine für den Kreditnehmer relativ einfache, schnelle und diskrete Finanzierungsform.

Bei diesem neuen Trend im Bereich Langfristfinanzierungen unterscheidet man zwischen Kommunalen Schuldscheindarlehen (bei kommunalem Emittent oder 100 % kommunale Bürgschaft) und Unternehmensschuldscheindarlehen (ohne bzw. mit kommunalen Bürgschaften < 100%). Bei Kommunalen Schuldscheindarlehen sind in der Regel Laufzeiten zwischen 2 und 30 Jahren (> 15 Jahre inkl. Tilgungskomponente) gängige Praxis und das Mindestvolumen beträgt ca. 5 bis 10 Mio. Euro.

Investoren sind insbesondere bei langen Laufzeiten Versicherungen, Pensionskassen und Versorgungswerke, da für diese die öffentliche Hand aufgrund ihrer Bonität eine interessante Anlageklasse darstellt. Die Preisfindung orientiert sich an der Kreditanalyse des Emittenten aufgrund aktueller Haushalts- und Finanzkennzahlen, aber auch an der künftig zu erwartenden Entwicklung der Kommune bzw. Region (z. B. demografische Entwicklung) und der Stärke des jeweiligen Bundeslandes. Die Dokumentation erstreckt sich über ca. 2 bis 5 Seiten, der Transaktionsprozess dauert 4 bis 6 Wochen.

Unternehmensschuldscheindarlehen haben dagegen Laufzeiten zwischen 5 und 15 Jahren, das Mindestvolumen beläuft sich auf 10 Mio. Euro. Die Investoren kommen hauptsächlich aus dem Sparkassen-, Genossenschafts- und Geschäftsbankensegment; zudem gibt es Institutionelle Investoren (vor allem Versicherungen). Die Preisfindung orientiert sich an der Kredit- und Strukturanalyse des Emittenten und des Bürgen bzw. des kommunalen Hintergrunds. Investoren beurteilen die historische Geschäftsentwicklung des Emittenten mit besonderem Fokus auf das Risikoprofil des Unternehmens. Die Dokumentation umfasst ca. 15 Seiten, der Transaktionsprozess erstreckt sich über 8 bis 10 Wochen.

Zunehmende Nachfrage nach attraktivem Produkt

Das Schuldscheindarlehen ist Fuchs zufolge „ein attraktives Produkt, das man in der Ausschreibung parallel zu Kommunaldarlehen anbietet“. Fakt sei, dass die Nachfrage nach dem Produkt zunehme. „Wir sehen hier einen großen Anteil von Versicherern und vergleichbaren Investoren, die diesem Produkt, aber auch dem Kapitalmarkt insgesamt mehr Fülle und Leben geben.“

Gerade für Kommunen biete sich mit dem Schuldscheindarlehen im Vergleich zum bislang vorherrschenden Kommunaldarlehen die Möglichkeit, den Investorenkreis über die Banken hinaus zu erweitern und damit eine Diversifizierung der Gläubiger zu erreichen.

Wenn allerdings die Kommune das Eigenkapital nicht aufbringen, sondern einen anderen Eigenkapitalinvestor in die Netzgesellschaft miteinbringen will, dann werden nach Darstellung von Youssef Fahd Projektfinanzierungen interessant.

Die strukturellen Vorteile dieses weiteren Trends im Bereich Langfristfinanzierungen liegen auf der Hand:

  • Finanzierung außerhalb der eigenen Bilanz der Kommune
  • Kein/begrenzter Rückgriff auf Gesellschafter und Sponsoren (non-recourse Finanzierung)
  • Verkauf des SPV (Special Purpose Vehicle/Einzweckgesellschaft) unabhängig vom sonstigen Geschäft des Versorgungsunternehmens grundsätzlich möglich
  • Begrenzung der Risikoverteilung unter den Projektbeteiligten auf die Risiken aus dem Projekt
  • Befreiung von Kapital für andere kommunale Vorhaben
  • Mehrere Eigenkapitalgeber mit Altkonzessionär einfach strukturierbar.  

Die ökonomischen Vorteile einer Projektfinanzierung bestehen in den sehr langen Kreditlaufzeiten von bis zu 30 Jahren, einem Asset-based Ansatz mit erprobter Regulierung und der Finanzierung des Eigenkapitals über Kommunaldarlehen mit der Folge eines „Zinsüberschusses“ zwischen regulierten Eigenkapitalkosten und kommunalen Zinskosten. Im derzeitigen Zinsumfeld kann Fahd zufolge eine sehr günstige langfristige Finanzierung umgesetzt werden, wodurch sich die Netzentgelte für Verbraucher reduzierten.

Durch Auslagerung der Finanzierung wird die Kommune fiskalisch entlastet. Auf kommunaler Ebene findet keine Bilanzierung der Fremdfinanzierung statt. Hinzu kommt, dass „ausgelagerte Kredite“ bei einer Kommune Freiräume für andere Projekte schaffen können. Eigenkapitalinvestoren in eine Struktur zu integrieren, ist eine zusätzliche Option. Eine Überwachung und Einflussnahme der Kommune auf die strategische Ausrichtung der Netzgesellschaft ist grundsätzlich - zum Beispiel über einen Sitz im Aufsichtsrat – möglich. Das Interesse von deutschen Eigenkapitalgebern ist groß; UniCredit hat Zugang zu engagierten Mid-Cap-Investoren, die in regulierte Assets wie Netzgesellschaften investieren wollen.

Bundesweites Interesse

Wie Fahd zudem darlegte, führe der starke Wettbewerb für regulierte Vermögenswerte zu rückläufigen Renditeanforderungen. Vor allem auch Versorgungswerke und Pensionskassen, die häufig auch als Fremdkapitalgeber tätig seien, bekundeten bundesweites Interesse. Erstere wünschten in der Regel keinen unternehmerischen Einfluss, sondern „ausschließlich“ eine attraktive Rendite. 

RED

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