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(GZ-9-2017)
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► Julia Osterried Lehrstuhl für Bauprozessmanagement und Immobilienentwicklung TU München:   
 
Effizientes Infrastrukturmanagement in Deutschland
 

Osterried

Julia Osterried Technische Hochschule München

Vom Bayerischen Bauindustrieverband finanziell gefördert wird derzeit ein Forschungsvorhaben des Lehrstuhls für Bauprozessmanagement und Immobilienentwicklung der TU München zum Thema Infrastruktur, über dessen vorläufige Ergebnisse die wissenschaftliche Mitarbeiterin Julia Osterried informierte. In ihrem Vortrag wurden insbesondere die Stoffliche Ver- und Entsorgung sowie die Verkehrsinfrastruktur thematisiert.

Die weiteste Fassung des Begriffes der Infrastruktur geht Osterried zufolge auf Reimut Jochimsen (1966) zurück: „Infrastruktur ist die Gesamtheit der materiellen, institutionellen und personellen Einrichtungen und Gegebenheiten, die der arbeitsteiligen Wirtschaft zur Verfügung stehen und dazu beitragen, dass gleiche Faktorentgelte für gleiche Faktorleistungen bei zweckmäßiger Allokation der Ressourcen gezählt werden.“

„Bei der stofflichen Ver- und Entsorgung (Abwasserinfrastruktur) reden wir über ein Netz, das im Jahr 2013 fast 600.000 km lang war“, so die wissenschaftliche Mitarbeiterin. Das Netz wachse stetig, jedoch werde das Wachstum kontinuierlich weniger und künftig werde es vermutlich stagnieren und/oder sogar rückläufig sein, „da es heute bereits Netzbereiche gibt, die überdimensioniert sind - nicht aufgrund falscher Planung, sondern aufgrund negativer Bevölkerungsentwicklung“.

Homogene Altersstruktur

Die Altersstruktur der Leitungsinfrastruktur in Deutschland mit einem Anlagevermögen von immerhin ca. 400 Mrd. Euro bezeichnete Osterried als „relativ homogen“: Einerseits gebe es relativ neue Netzabschnitte, andererseits auch zahlreiche aus den 1960er Jahren und früher.

Vom Forschungsvorhaben werden laut Osterried folgende Ergebnisse erwartet:

  • Ist-Analyse der Infrastruktur hinsichtlich Quantifizierung des Investitionsstaus
  • Definition und Darstellung von Maßnahmen zur Erhaltung der Infrastruktur in Deutschland
  • Quantifizierung der Kosten, die im Rahmen der identifizierten Maßnahmen für die Infrastruktur in der Betriebsphase aufzuwenden sind
  • Entwicklung von Kriterien hinsichtlich Objektkonzeption zur Optimierung von Folgekosten aufgrund von Synergieeffekten
  • Entwicklung erforderlicher Maßnahmen und Mittel im Rahmen einer Instand- haltungsstrategie zur Rückführung der Infrastruktur in den Soll-Zustand
  • Quantifizierung des jährlichen Mittelbedarfs zur Erhaltung des Infrastruk- turbestandes.

Aufgrund der Altersstruktur, der Abnutzung, der Auslastung und der Bauausführung weise die Abwasserinfrastruktur bzw. die ganze Infrastruktur unterschiedliche Zustände auf. Eine erste grobe Schätzung ergebe einen Instandhaltungsrückstau in Höhe von 50 Mrd. Euro, „wobei dieser Wert extrem unscharf ist“: Falle beispielsweise die Zustandsbewertung offensiver aus, erhöhe sich der Instandhaltungsrückstau schnell auf 80 bis 100 Mrd. Euro.

Verkehrsinfrastruktur

Betrachtet man die Verkehrsinfrastruktur, die dem Baulastträger Bund zuzuordnen sind, betrage das Straßennetz ca. 230.000 km. Die Bundesautobahn mit rund 13.000 km und die Bundesstraßen mit rund 38.000 km erschienen zwar absolut gesehen gering, seien aber aufgrund ihrer Leistung pro Kilometer verstärkt zu betrachten. Das Anlagevermögen von Straßen und Brücken werde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur auf 570 Mrd. Euro bilanziert. In diesen Zahlen seien jedoch noch nicht die Kommunen inbegriffen, die eine beträchtliche Netzlänge aufweisen. Vor allem in den 1970er und 80er Jahren wurden viele Brücken gebaut; Tunnel vermehrt insbesondere ab den 1990er Jahren. Ab 2007 ist Osterried zufolge „eine Sättigungstendenz“ erkennbar. Durch seine geographische Lage in Mitteleuropa sei Deutschland eine verkehrliche Schnittstelle zwischen den Staaten Europas.

Obwohl der Anteil der Bundesfernstra- ßen am gesamten überörtlichen Straßennetz nur knapp ein Viertel beträgt, bewältigten sie fast die Hälfte aller Kfz-Jahresfahrzeugleistungen. Der Schwerlastverkehr in Richtung Osten sei relativ groß, weshalb er in hohem Maße zur Abnutzung der Verkehrsinfrastruktur beitrage. Die Instandhaltungskosten seien eine Funktion der Verkehrsbelastung und Qualität der Bauausführung. Rund 30 % der Bundesfernstraßen wiesen einen schlechten bis sehr schlechten Zustand auf. „Allgemein kann festgehalten werden, dass der Zustand in den neuen Bundesländern besser ist, offenbar eine reaktive Erhaltung von Verkehrswegen vorrangig ist und Investitionen für Erhaltungsmaßnahmen fehlen“, unterstrich Osterried.

Insgesamt sei folgende Problemstellung des Infrastrukturmanagements in Deutschland festzuhalten:

  • Für eine Realisierungsentscheidung sollten sowohl Erstinvestitionskosten wie auch zukünftige Investitions- kosten und Betriebskosten bekannt sein.
  • Tatsächlich übersteigen Kosten der Betriebsphase (zukünftige Investitionskosten, Betriebskosten) die Kosten aus den Phasen der Projektentwicklung und –realisierung.
  • Die Kenntnis aller Kosten sollte somit das Vergabekriterium bestimmen.

„Aufgrund unserer Untersuchungen können wir zusammenfassen, dass Instandhaltungsmaßnahmen bei der Abwasser- und Verkehrsinfrastruktur in zu geringem Maße in Deutschland durchgeführt werden“, stellte die TU-Mitarbeiterin fest. Dementsprechend existiere in Deutschland aufgrund des schlechten Zustands ein erheblicher Investitionsrückstau. Dies resultiere daraus, „dass offenkundig zum einen zu geringe Haushaltsmittel vorhanden sind und zum anderen kein zielgerichteter Einsatz der vorhandenen Mittel erfolgt“.

„Im Rahmen unseres Forschungsvorhabens untersuchen wir mögliche Instandhaltungsstrategien am Beispiel Straßen, die auf Zustandsbewertungen basieren“, fuhr Osterried fort. Bei Straßen könne dies erfolgen, da durch die derzeitige Bewertung nach Substanzwert Aussagen zur Höhe der Instandhaltungskosten getroffen werden können.

Instandhaltungsrückstau für Bundesfernstraßen

Auf Grundlage der vorhandenen Substanzwerte könne der Instandhaltungsrückstau für Bundesfernstraßen in Deutschland quantifiziert werden. Diese Ergebnisse seien jedoch vorläufig und grob geschätzt. Die Investitionen bezögen sich jedoch allein auf die Straße und nicht auf Ingenieurbauwerke. Insgesamt liegen nach Osterrieds Darstellung für die Bundesautobahnen 5,3 Mrd. Euro und für Bundesstraßen ca. 3,8 Mrd. Euro vor. „Diese Investitionen wären für Straßen allein für den Bund erforderlich, um die Verkehrswege in den ursprünglichen Soll-Zustand zu versetzen. Aus der laufenden Betriebsphase sind im Übrigen noch keine Kosten berücksichtigt.“

RED

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