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(GZ-19-2018)
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► Deutscher Landkreistag in Deggendorf:

 

Gegen „goldene Zügel“ aus Berlin

 
Gegen eine stärkere Einflussnahme des Bundes auf die Kommunen haben sich Landräte aus ganz Deutschland bei einer Präsidiumssitzung des Deutschen Landkreistags in Deggendorf ausgesprochen. Hierzu unterzeichneten sie einen Appell mit der Kernforderung, Kommunen nicht zu Kostgängern des Bundes zu machen.

Konkret beklagte Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages, dass die Bundesregierung den Ländern und Kommunen dauerhaft mehr Geld für sozialen Wohnungsbau und die digitale Ausstattung von Schulen zur Verfügung stellen und im Gegenzug über die Verwendung mitbestimmen wolle. Für diese Themen seien jedoch die Kommunen zuständig.

Neben grundsätzlicher Kritik an einem „Mitreden aus Berlin“ formulierten die Landräte die Erwartung, dass die Landkreise in Gespräche über Vereinbarungen für Investitionshilfen rechtzeitig und wirksam einbezogen werden. „Wir wollen eine verlässliche finanzielle Grundausstattung, dann können wir unsere Aufgaben auch erfüllen und investieren“, kommentierte Gastgeber Christian Bernreiter, Präsident des Bayerischen Landkreistags. Hilfsprogramme des Bundes könnten nicht die Dauerlösung sein.

Gerade in den ländlichen Räumen kommt es laut Sager im Hinblick auf heterogene Herausforderungen etwa infolge demografischer Veränderungen oder wirtschaftlichen Strukturwandels darauf an, dezentrale Potenziale und Autonomie zu stärken und so zu einer tragfähigen Basis für eine gedeihliche Eigenentwicklung beizutragen. „Die Menschen vor Ort wissen am besten, woran es hapert. Der Schlüssel für eine Stärkung der ländlichen Räume ist mehr Freiraum und weniger wohlmeinende Fürsorglichkeit. Dafür braucht es auch kraftvolle ehrenamtliche Strukturen und nicht zuletzt ein positives Selbstbild und Tatkraft.“

Prinzip des föderalen Staates

Dies sei auch das Grundprinzip des föderalen Staates. Dieser erfordere, dass alle öffentlichen Haushalte angemessen mit originären Finanzmitteln ausgestattet sind. „Das ist primär im Rahmen der Steuerverteilung sicherzustellen. Eine Finanzierung allgemeiner kommunaler Aufgaben durch zweckbestimmte Zuweisungen des Bundes kann allenfalls ausnahmsweise erfolgen“, betonte Sager. 

Das Grundgesetz legitimiere den Bund nicht, Ländern und Kommunen für ihre Aufgabenerfüllung notwendige Steueranteile vorzuenthalten, um sodann eine eigene Mitfinanzierungskompetenz mit der Begründung zu behaupten, dass die gebotenen Handlungsbedarfe von Ländern und Kommunen finanziell allein nicht zu bewältigen wären, erläuterte der DLT-Präsident. „Bund und Länder müssen daher alles ihnen Mögliche tun, um zu emanzipierten, eigenständigen und tatkräftigen Landkreisen, Städten und Gemeinden beizutragen. Dabei geht es neben einer den Aufgaben entsprechenden und verlässlichen Finanzausstattung auch um einen flexibleren rechtlichen Rahmen beispielsweise im Hinblick auf die Auslastung von Infrastrukturen.“

Daher müsse nach wie vor gelten: Aufstockung der originären kommunalen Steuereinnahmen statt Investitionsprogrammen oder Bundesbeteiligungen an kommunalen Leistungen. „Angesichts der Soziallastigkeit der kommunalen Ausgaben ist daher zwingend der Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer zu erhöhen. Dieses Mehr an Steuereinnahmen muss dabei nach Einwohnern oder – soweit möglich – nach Soziallasten verteilt werden“, forderte Sager.

Immer neue Aufgaben für Kommunen

Die Bundesregierung verfolge hingegen mit den beabsichtigten Änderungen des Grundgesetzes in den Art. 104c und 104d genau den gegenteiligen Weg, indem sie die Möglichkeiten von Bundesinvestitionshilfen erweitern wolle: „Damit wäre nicht weniger verbunden als noch weniger Vertrauen in die Menschen vor Ort zugunsten der ‚Goldenen Zügel‘ aus Berlin. Dazu darf es nicht kommen!“

Der aktuelle Investitionsrückstand liege auch darin begründet, dass an die Kommunen immer neue Aufgaben gestellt würden. „Zu diesem Problem leisten auch die Investitionsförderprogramme des Bundes einen Anteil. Denn erwartet wird von Kreisen und Städten stets, dass sie derartige Finanzspritzen von jetzt auf gleich einsetzen, eigene Vorhaben zurückstellen und dementsprechend Personal- und Planungsressourcen schaffen.

Nur der, der eine dauerhaft aufgabenadäquate Finanzausstattung hat, kann aber auch entsprechende vorausschauende Personalplanungen vornehmen. Aufgrund von Investitionsprogrammen werden gerade keine Neueinstellungen vorgenommen.“ Die erheblichen Investitionsnotwendigkeiten seien daher nur zu bewältigen, wenn es zu substanziellen und dauerhaften Verbesserungen der kommunalen Investitionskraft komme, stelle Reinhard Sager fest. „Damit könnten die Kommunen aus eigener Kraft mehr und auch planvoller investieren.“

Stärkung des Ehrenamts

Zu funktionierenden Strukturen vor Ort gehören nach Auffassung des Deutschen Landkreistags auch wirksame ehrenamtliche Strukturen. Eine Stärkung des Ehrenamts sei gerade für die ländlichen Räume von großer Bedeutung. Als besonders sinnvoll präsentierten sich etwa Ehrenamtskoordinatoren sowie Freiwilligenagenturen, wie sie vielfach bereits von Landkreisen betrieben würden. Diese unterstützten ehrenamtliche Aktivitäten durch Beratung und Schulungen und könnten Auskunft zu Fördermöglichkeiten geben. „Außerdem müssen wir sämtliche Kräfte mobilisieren, um bei der Digitalisierung schnell entscheidende Schritte voranzukommen“, erklärte Sager.

Der Deutsche Landkreistag sprach sich darüber hinaus für mehr qualifizierte Zuwanderung aus. Vor allem Handwerk und Mittelstand seien auf Fachkräfte angewiesen, auch und gerade in den ländlichen Räumen. Nötig sei ein besserer Rahmen, in dem qualifizierte Zuwanderung künftig stattfinden kann. „Wir hinken an dieser Stelle bislang noch erheblich hinterher. Die Bundesregierung muss daher zügig das von ihr angekündigte Gesetz vorlegen“, unterstrich Sager.

Fachkräftebasis sichern

Die Zukunft des Wirtschaftsstandortes hängt laut DLT in entscheidendem Maße davon ab, wie gut es gelingt, die Fachkräftebasis zu sichern und zu erweitern. Bereits heute herrsche in manchen Kreisen und Städten Vollbeschäftigung und damit die Schwierigkeit, für bestimmte Qualifikationen und Branchen qualifizierte Fachkräfte zu finden. Daher sei es richtig, wenn die Bundesregierung ihr Fachkräftekonzept neu ausrichte und auf drei Bereiche konzentriere: die inländischen, die europäischen und die internationalen Fachkräftepotenziale.

Zusätzliche Arbeitsmarktmigration im handwerklichen und pflegerischen Bereich

Dies gelte gerade auch für die stark von Mittelstand und Handwerk geprägten ländlichen Räume, die für über 50 % der deutschen Bruttowertschöpfung stehen. „Anders als in der Vergangenheit kann die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt nicht vorrangig auf Hochqualifizierte beschränkt werden. Vielmehr benötigt Deutschland auch im nicht akademischen, handwerklichen und pflegerischen Bereich zusätzliche Arbeitsmarktmigration“, hob der DLT-Präsident hervor.

Keine Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme

Klar ablehnend bewertete er allerdings mit Blick auf ein Eckpunktepapier des Bundesinnenministeriums, dass Drittstaatsangehörigen die Möglichkeit eines befristeten Aufenthalts zur Arbeitsplatzsuche eingeräumt werden soll: „Stattdessen sollte die Arbeitsplatzsuche – genauso wie das Erlernen der deutschen Sprache – bereits im Ausland erfolgen. Sollte davon in Ausnahmefällen abgewichen werden, gilt es dies an klare und überprüfbare Bedingungen zu knüpfen und zeitlich strikt zu befristen.“ Zu einer Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme dürfe es nicht kommen. 

Schließlich sprach sich Sager dafür aus, in die geplante Strategie zur Fachkräftegewinnung nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Kommunen einzubeziehen: „Es geht um ganz konkrete Fachkräftebedarfe vor Ort und auch um die Besetzung von Arbeitsplätzen im kommunalen Bereich, zum Beispiel in Verwaltungen oder bei kommunalen Unternehmen.“

Präsident Bernreiter forderte von der Bundesregierung auch ein Umdenken hinsichtlich der überbordenden Bürokratie bei Vergabeverfahren. Durch immer strenger werdende Vorschriften seien den Kommunen häufig die Hände gebunden, wenn es auf den Baustellen nicht nach Wunsch laufe. Hier sei dringend Abhilfe zu schaffen.

DK

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