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(GZ-22-2018)
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► Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler in Bayern:

 

Pleiten, Pech und Pannen

 
Auch in den vergangenen 12 Monaten musste der Bund der Steuerzahler in Bayern zahlreiche Fälle von Steuergeldverschwendung feststellen. „Sie reichen von Kostenexplosionen bei öffentlichen Bauvorhaben, kostspieligen Fehlern, teurer Imagepflege, Selbstbedienung auf Kosten der Steuerzahler bis hin zu „Draufzahlgeschäften“ und einem schlampigen Umgang mit Steuergeldern“, berichtete Maria Ritch, Vizepräsidentin des BdSt, bei der Vorlage des Schwarzbuchs 2018 in München.

Unser Bild zeigt den Präsidenten des Bundes der Steuerzahler in Bayern e. V., Rolf von Hohenhau (Mitte) gemeinsam mit seinen Vizepräsidenten Maria Ritch und Klaus Grieshaber. r
Unser Bild zeigt den Präsidenten des Bundes der Steuerzahler in Bayern e. V., Rolf von Hohenhau (Mitte) gemeinsam mit seinen Vizepräsidenten Maria Ritch und Klaus Grieshaber. r

Jahr für Jahr sei festzustellen, dass beim Verschwendungsvolumen von einer Größenordnung von 5 % der öffentlichen Ausgaben ausgegangen werden kann, betonte Ritch. „Doch ganz gleich, ob es eine Milliarde Euro oder nur wenige tausend Euro sind, uns kommt es darauf an, durch unser Schwarzbuch das Bewusstsein für einen sparsamen Umgang mit Steuergeldern zu schärfen und der öffentlichen Verschwendung präventiv entgegenzutreten.“

In seiner Veröffentlichung listet der Bund der Steuerzahler zehn bayerische Verschwendungsfälle auf, die jedoch nur „die Spitze des Eisbergs“ darstellen. Dazu zählt eine fast 50-prozentige Kostensteigerung bei der Erneuerung eines Brückenbauwerks mit Geh- und Radwegen im Zuge des Ausbaus der A 6 bei Schwabach. Das Brückenbauwerk war am Ende mehr als rund 1 Mio. Euro teurer als ursprünglich angenommen.

Teure Derivat-Geschäfte

Die Stadt Füssen wiederum machte mit sogenannten Zinsswap-Geschäften die Erfahrung, dass eine Zinssicherung in lang anhaltenden Niedrigzinsphasen in einer nachträglichen Betrachtung teuer sein kann. Aus beendeten Swap-Geschäften zahlte sie 936.991,17 Euro. Bei noch laufenden Geschäften betrug der aktuelle negative Marktwert im Juli 2018 2.796.700 Euro.

Nach Auffassung des BdSt sollte man sich bei Zinssicherungsgeschäften nicht nur auf die Beratung der die Swapgeschäfte selbst verkaufenden Banken verlassen. Vielmehr kann nur eine unabhängige Beratung das Eigeninteresse der Banken am Verkauf von Swapgeschäften aufdecken und die exakte Abstimmung zu den zu sichernden Darlehen und den Swaps sicherstellen. Riskante Derivatgeschäfte führten auch in der Stadt Landsberg am Lech zu einem Schaden in Millionenhöhe. Trotz eines Rechtsstreits durch zwei Instanzen gelang es bislang nicht, die verlorenen Millionen von dem beratenden Bankhaus zurückzuholen. Laut BdSt hätte man sich nach dem Motto „Schuster bleib bei deinen Leisten“ von vornherein gar nicht erst auf hoch risikobehaftete Finanzderivatgeschäfte einlassen dürfen.

Schwelgen auf Steuerzahlers Kosten

„Außer Spesen nichts gewesen“ – nach diesem Motto hat offenbar die Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) im Europäischen Parlament gehandelt und mehr als 420.000 Euro unter anderem für Champagner, teure Menüs und Weihnachtsgeschenke ausgegeben. Der Bund der Steuerzahler fordert: „Schwelgerei und Schlamperei auf Kosten der europäischen Steuerzahler dürfen nicht folgenlos bleiben. Eine Rückzahlung wäre das Mindeste!“ 

Kein sehr glückliches Händchen hatte auch die Gemeinde Herrsching am Ammersee mit ihrem neuen Verkehrskonzept. Rund 145.000 Euro hat man allein für Pflanztröge und deren Bepflanzung ausgegeben. „Weniger an Grün und Kosten in der idyllisch gelegenen Gemeinde wäre hier vielleicht mehr gewesen“, meint der BdSt.

Gesalzene Preise beim Brückenbau

Ein weiterer Fall: Über den „Arnulfsteg“ in München sollen künftig Fußgänger und Radfahrer die Bahngleise zwischen der Donnersbergerbrücke und der Hackerbrücke queren können. Doch die Kosten für dieses Brückenbauprojekt sind davongelaufen – statt rund 18 Mio. Euro soll die Brücke nun mehr als 26 Mio. Euro kosten. Die mit den Brückenbauarbeiten beauftragte ARGE hatte die fristgerechte Leistungserbringung verweigert und die sodann erfolgte europaweite Neuausschreibung der Brückenbauleistungen führte zu erhöhten Preisangeboten.

Nach Ansicht des Bundes der Steuerzahler „werden letztlich wieder einmal die Münchner Steuerzahler – wie so oft – die Betroffenen der nicht unerheblichen Kostensteigerung sein. In ihrem Interesse bleibt zu hoffen, dass die Stadt München wenigstens einen Teil des ihr entstandenen und gegenüber der ARGE bereits dem Grunde nach geltend gemachten Schadens ersetzt bekommt.“

Aufwändige Venusgrotte

Auch die Restaurierung der Venusgrotte auf Schloss Linderhof stellt finanziell eine Herausforderung dar: Die Kosten für das ehrgeizige und beileibe nicht einfache Projekt stiegen bis jetzt von ursprünglich rund 24 Mio. Euro auf mehr als 33 Mio. Euro an. Laut BdSt werden diese Kosten wohl noch weiter in die Höhe steigen. Ob der Fertigstellungstermin im Jahr 2022 eingehalten werden kann, bleibe abzuwarten. Fest stehe aber jetzt schon, dass die Steuerzahler die nicht unerhebliche Kostensteigerung schultern müssen.

Zu einer gewaltigen Kostensteigerung von über 70 Prozent kam es bei der Sanierung des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München. Fünfeinhalb Jahre lang dauerten die Arbeiten, die über 50 Mio. Euro mehr als ursprünglich geplant verschlangen. Bereits in seinem Schwarzbuch 2016 hatte der Bund der Steuerzahler die Kostensteigerung bei der Sanierung des „Gärtnerplatztheaters“ von zunächst 70,7 Mio. Euro auf rund 97 Mio. Euro kritisiert. In der Folge verteuerte sich das Projekt um weitere 24,7 Mio. Euro.

Neue Daseinsberechtigung für So-da-Bauwerke

Kritik übt der BdSt auch an folgendem Fall: Eine an der Bundesautobahn A 99 – Autobahnring um München – bestehende „So-da-Brücke“ bei Unterföhring, die vorn und hinten gleichsam im Nichts endet, wird für rund 1 Mio. Euro zu einer sogenannten Tierquerung umgebaut. Zudem wurde eine weitere, seit rund 40 Jahren ungenutzte „So-da-Unterführung“, die unter der A 99 bei Grasbrunn hindurchführt, für rund 3 Mio. Euro zurückgebaut und ebenfalls zu einer Tierquerungshilfe umgestaltet. Der BdSt hofft, dass die neue Grünbrücke sowie die umgestaltete „So-da-Unterführung“ auch tatsächlich von Füchsen, Hasen, Rehen, Mardern und Fledermäusen angenommen werden.

Verspäteter Zuschussantrag

Dumm gelaufen ist für die Stadt Augsburg schließlich das verspätete Absenden eines Zuschussantrags für nichtstädtische Kindertagesstätten (Kitas) durch das städtische Amt für Kinder, Jugend und Familie (Jugendamt). Dadurch drohte die Rückzahlung eines fest eingeplanten staatlichen Zuschusses von über 28 Mio. Euro. Am Ende hatte die Fuggerstadt noch Glück, allerdings mit einem Wermutstropfen: Immerhin sind 96 Prozent der gewährten Fördermittel (ca. 26 Mio. Euro) nicht mehr zurückzuzahlen. „Auch wenn die Stadt Augsburg mit einem blauen Auge davongekommen ist, sind auf alle Fälle in der Stadtverwaltung Kontrollmechanismen sicherzustellen, damit es in Zukunft zu keinen ärgerlichen und folgenschweren ‚Verfristungen‘ mehr kommen kann“, rät der BdSt.

Kleinkariertes Denken, falsche Prioritätensetzungen, politische Egoismen oder schlicht Fahrlässigkeiten führen Vizepräsidentin Ritch zufolge regelmäßig zur Steuergeldverschwendung. Hier sei dringend ein Umdenken erforderlich, denn: „Steuergeldverschwendung reißt Haushaltslöcher, Steuergeldverschwendung ist verantwortungslos, Steuergeldverschwendung kostet Vertrauen.“

Strafbare Haushaltsuntreue

Um eine Sensibilisierung beim öffentlichen Ausgabegebaren zu erreichen, muss aus Ritchs Sicht „derjenige, der die in den Haushaltsgesetzen festgelegten Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit missachtet, genauso zur Rechenschaft gezogen werden, wie jemand, der Steuern hinterzieht“. Nach dem bisher geltenden Strafrecht sei dies jedenfalls noch nicht der Fall. Aber beides – Steuerhinterziehung und Steuergeldverschwendung – sei gleichermaßen sozialschädlich und müsse gleich geahndet werden. Denn der Effekt für die Staatsfinanzen, ob geschuldete Steuern vorenthalten oder eingenommene Steuern verschwendet werden, sei derselbe.

Aus diesem Grund fordert der BdSt die Einführung eines neuen Straftatbestands der sog. Haushaltsuntreue in das Strafgesetzbuch, um verschwenderisches Ausgabegebahren und Verstöße gegen Haushaltsrecht zu ahnden. „Nur so können die Rechte der Steuerzahler gestärkt und verteidigt werden“, machte Ritch deutlich.

DK

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