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(GZ-22-2018)
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► 100 Jahre Freistaat Bayern:

 

Ein kurzer Rückblick aus der amtlichen Statistik

 

Doppelte Einwohnerzahl, mehr als 20 Jahre höhere Lebenserwartung, vierzigfache Stromerzeugung und fast 90 Prozent weniger landwirtschaftliche Betriebe.

Am 8. November 1918 wurde der Freistaat Bayern gegründet. In den vergangenen 100 Jahren hat sich das Gesicht Bayerns stark verändert, wie zahlreiche historische Zeitreihen des Bayerischen Landesamts für Statistik belegen. So verdoppelte sich die Bevölkerung nahezu, Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft erlebten einen signifikanten Wandel.

Einer der größten Erfolge ist die drastische Reduzierung der Säuglingssterblichkeit, die vor 100 Jahren noch sehr hoch war. 1911/1913 überlebten von 100.000 neugeborenen Buben nur knapp 78.900 das erste Lebensjahr, bei den Mädchen waren es knapp 82.600.

1924/1926 starben noch immer 15 Prozent der männlichen und zwölf Prozent der weiblichen Säuglinge innerhalb des ersten Jahres. Heute (Sterbetafel 2014/2016) überleben von 100.000 Babys 99.682 (Buben) bzw. 99.746 (Mädchen) die ersten zwölf Monate. Dazu kommt die allgemeine Zunahme der Lebenserwartung. Die Sterbetafel der Jahre 1911/1913 wies für einen einjährigen Buben eine mittlere Lebenserwartung von weiteren 57,5 Jahren aus, für ein gleichaltriges Mädchen waren es 58,8 Jahre. Gut ein Jahrzehnt später hatte ein einjähriges Kind gemäß der Sterbetafel 1924/1926 eine weitere mittlere Lebenserwartung von 62 (Buben) bzw. knapp 63 Jahren (Mädchen).

Die aktuelle Sterbetafel 2014/ 16 weist für ein einjähriges Kind eine weitere mittlere Lebenserwartung von über 78 (Buben) bzw. fast 83 (Mädchen) Jahren aus, ein Anstieg um nahezu 21 bzw. 24 Jahren in einem Zeitraum von etwas mehr als 100 Jahren. Einen großen Beitrag zum Anstieg der Lebenserwartung leistete dabei die verbesserte medizinische Versorgung der Bevölkerung. Im Jahr 1860 betreuten umgerechnet nur 28 Ärzte und 43 Bader (einschl. Zahnärzte) 100.000 Einwohner. 2015 kamen dagegen 428 Ärzte und 88 Zahnärzte auf je 100.000 Einwohner.

Veränderte Altersstruktur

In der Folge veränderte sich die Altersstruktur der Bevölkerung. Lag das Durchschnittsalter 1919 bei 29,5 Jahren, betrug es 2017 43,7 Jahre. 1919 waren rund 49 Prozent der Bevölkerung unter 25 Jahre alt und weniger als neun Prozent hatten das 60. Lebensjahr überschritten. 2017 war nur noch jeder Vierte (24,5 Prozent) unter 25 Jahre alt, der Anteil der über 60-jährigen ist dagegen erheblich angestiegen und beträgt mittlerweile 26,4 Prozent.

Auch die Todesursachen der Gesamtbevölkerung veränderten sich. So waren 1918 rund sieben Prozent der Sterbefälle tuberkulosebedingt, 2015 lag dieser Anteil nur noch bei 0,4 Promille. Bösartige Neubildungen waren dagegen vor 100 Jahren nur für 4,5 Prozent der Todesfälle ursächlich, 2015 betrug ihr Anteil 23,5 Prozent.

Bevölkerungswachstum 

Das Historische Gemeindeverzeichnis weist für das Jahr 1919 eine Einwohnerzahl von 7,15 Millionen aus. Dabei ist zu beachten, dass sich diese Zahl auf das damalige Staatsgebiet bezieht und somit unter anderem auch das ehemalige bayerisch-pfälzische Territorium beinhaltet. Seitdem wuchs die Bevölkerung im Freistaat stark an, bereits 1965 wurde die 10-Millionen-Grenze überschritten. Ende 2017 lebten 12.997.204 Menschen im Freistaat, rund 82 Prozent mehr als im Jahr 1918. Im Januar 2018 wurde dann erstmals die 13-Millionen-Marke übersprungen.

Wohnungsneubauten

Die Bevölkerungszunahme erforderte ein erhebliches Ausmaß an Wohnungsneubauten. Im Mai 1918 gab es in Bayern gemäß der Kriegswohnungszählung in den erfassten 148 Gemeinden 628.617 Wohnungen, in denen durchschnittlich 3,6 Personen lebten. Es wurden dabei 158.629 Wohngebäude gezählt, die überwiegend sogenannte Kleinwohnungen aufwiesen. Als Kleinwohnung galten Wohnungen mit bis zu drei Wohnräumen. 1950 bestanden in Bayern etwas über eine Million Wohngebäude und gut 1,7 Millionen Wohnungen.

Ende des Jahres 2017 wies der Freistaat 6,37 Millionen Wohnungen auf, die Zahl der Wohngebäude hat sich allein seit 1950 auf 3,04 Millionen fast verdreifacht. Jede Wohnung wird heute im Schnitt von nur noch 2,04 Personen bewohnt, während es Ende 1950 noch 5,3 Personen waren.

Wachsender Energiebedarf

Im Juni 1918 beschloss der Bayerische Landtag den Bau des Walchensee-Kraftwerks, das 1924 in Betrieb ging. Damals hatte die Wasserkraft einen Anteil von 75 Prozent an der 1925 erzeugten Strommenge von 2,05 Mrd. Kilowattstunden. An der heutigen Stromerzeugung von 81,53 Mrd. Kilowattstunden (2016) hat die Wasserkraft noch immer einen Anteil von 14,9 Prozent.

Wachsende Industrialisierung

Aus kleinen Anfängen entwickelte sich die Automobilindustrie, die heute im produzierenden Gewerbe im Freistaat eine herausgehobene Stellung hat. Die Zulassungszahlen von Kraftfahrzeugen stiegen rasant an. Im Jahr 1907 waren im damaligen bayerischen Gebiet ganze 757 Pkw und 1.510 Motorräder zugelassen. 1921 fuhren auf den bayerischen Straßen 4.413 Pkw und 3.661 Motorräder. Anfang 2018 waren in Bayern fast zehn Millionen Kraftfahrzeuge angemeldet, darunter 7,8 Millionen Pkw.

Technischer Fortschritt

Der technische Fortschritt und der gesellschaftliche Wandel führten seit 1925 zu einem erheblichen Rückgang der Landwirtschaft. Im Jahr 1907 gab es in Bayern knapp 670.000 landwirtschaftliche Betriebe, die eine Fläche von 4,24 Millionen Hektar bewirtschafteten. Lag die Zahl der Betriebe 1925 noch auf nahezu unverändertem Niveau, wurden 1949 nur noch etwas über 500 000 nachgewiesen.

1991 überstieg ihre Zahl nur noch geringfügig die Marke von 200 000 und im Jahr 2017 gab es schließlich 88.610 landwirtschaftliche Betriebe. Gegenüber 1907 ist dies ein Rückgang um fast 87 Prozent. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche sank dagegen deutlich geringer und betrug 2017 noch knapp 3,13 Millionen Hektar (-26,2 Prozent).

Entsprechend wandelte sich das Verhältnis zwischen den drei Wirtschaftssektoren. 1916 arbeiteten über ein Drittel (35,4 Prozent) der Erwerbstätigen im primären Sektor, also der Land- und Forstwirtschaft. Weitere gut 20 Prozent waren im Produzierenden Gewerbe (sekundärer Sektor) beschäftigt und gut 42 Prozent in den sonstigen Bereichen, unter anderem in Handel und Dienstleistungen (tertiärer Sektor).

Wirtschaftlicher Wandel 

Der wirtschaftliche Wandel veränderte diese Zahlen in den folgenden Jahrzehnten. So erreichte der Anteil der im Produzierenden Gewerbe arbeitenden Erwerbstätigen um das Jahr 1970 nahezu die 50-Prozent-Marke, um anschließend sukzessive zurückzugehen auf heute gut 31 Prozent. Der Anteil der in Land- und Forstwirtschaft Erwerbstätigen ging erheblich zurück und beträgt nur noch 1,7 Prozent, während über zwei Drittel der Erwerbstätigen 2017 im tertiären Sektor tätig waren.

Veränderungen in der Landwirtschaft 

Aus der Erhebung von Feldfrüchten liegen für das Jahr 1833 erste Zahlen vor. Auf insgesamt 1.225.647 Hektar wurden Weizen, Roggen, Gerste und Hafer angebaut. 1918 lag die entsprechende Fläche bei 1.498.482 Hektar, außerdem waren weitere 296.686 Hektar mit Kartoffeln bepflanzt. Hopfen wuchs auf 7.362 Hektar, wobei er zehn Jahre davor noch auf mehr als der dreifachen Fläche kultiviert wurde. Weitere 17.409 Hektar waren im Jahr 1918 mit Wein bestockt.

Im Jahr 2015 wurden die vier Getreidearten auf 957.800 Hektar angebaut, wobei fast 94 Prozent davon auf Weizen und Gerste entfielen. Nur noch 35.400 bzw. 23.800 Hektar waren mit Roggen und Hafer bestellt, deren Anbauflächen sowohl 1833 wie 1918 noch den weit überwiegenden Teil der Getreidefelder bestimmten. Hopfen wurde im Jahr 2015 Jahr auf 15.271 Hektar angepflanzt, Wein auf 6.066 Hektar.

Tourismusland Bayern 

Eine Dienstleistung, für die Bayern besonders bekannt ist, ist der Tourismus. Die erste statistische Aufzeichnung dazu stammt aus dem Jahr 1924, als bei gut drei Millionen Gästeankünften knapp neun Millionen Übernachtungen erfasst wurden. 2017 verzeichnete das Landesamt für Statistik in den erfassten Beherbergungsbetrieben mit zehn oder mehr Betten 37,3 Millionen Gästeankünfte und fast 94,4 Millionen Übernachtungen, also jeweils mehr als das Zehnfache der Werte von 1924.

Die gesellschaftlichen Veränderungen spiegeln sich auch in der Zahl der Hochschulabsolventen wider. 1918 waren gerade einmal 11.049 Studierende an den bayerischen Universitäten eingeschrieben. Im Wintersemester 2017/18 verzeichneten die Universitäten im Freistaat 245.270 Studierende – mehr als das 20-fache des Jahres 1918. Dazu kamen fast 144.000 Studierende an anderen Hochschulen, so dass im vergangenen Wintersemester in Bayern insgesamt 388.893 Studierende gezählt wurden.

Informationen

Umfangreiche Daten und Zeitreihen unter www.statistik.bayern.debayern.de
sowie der Datenbank GENESIS unter www.statistikdaten.bayern.de.

Außerdem verfügt das Bayerische Landesamt für Statistik über eine statistische Spezialbibliothek mit rund 120.000 Bänden, beginnend vom frühen 19. Jahrhundert bis heute.

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