Kommunale Praxiszurück

(GZ-23-2018)
gz kommunale praxis

► Sanierung des ehemaligen Bayernoil-Raffineriegeländes in Ingolstadt:

 

Neues Leben durch modernen Technologiepark

GZ-Interview mit Umweltreferent Dr. Rupert Ebner

 

Dr. Rupert Ebner
Dr. Rupert Ebner

Mit einem umweltschonenden Projekt wird in Ingolstadt derzeit die erste vollumfängliche Sanierung eines Raffineriegeländes in Bayern umgesetzt. Damit ein innovativer Technologiepark entstehen kann, wird auf dem ehemaligen Bayernoil-Raffinerie-Gelände im Süden der Stadt eine rund 75 Hektar große Industriebrache erneuert. Dabei handelt es sich um einen „beispiellosen Vorgang in der Region“, wie Umweltreferent Dr. Rupert Ebner im Gespräch mit der Bayerischen GemeindeZeitung erläuterte. Tatsächlich wird hier eines der derzeit bundesweit größten Sanierungsprojekte realisiert.

Blick zurück: Die im Süden der Stadt Ingolstadt gelegene ehemalige Raffinerie der Firma Bayernoil Raffineriegesellschaft mbH wurde 1962 auf einer Fläche von 108 Hektar, auf der zuvor teilweise Auwald bestand und die landwirtschaftlich genutzt wurde, errichtet. Mit der Raffineriestilllegung im Jahr 2008 wurde damit begonnen, die bestehenden Anlagen und Gebäude sukzessive zurückzubauen. Schon damals sah man stadtplanerisch eine Konversion der Fläche vor.

Einige Jahre später dann die zündende Idee, die sich der damalige Umweltchef der AUDI AG, Dr. Dagobert Achatz, auf seine Fahnen schreiben darf: Im Jahr 2015 erwarb die IN-Campus GmbH, ein Joint Venture der AUDI AG mit der Stadt Ingolstadt, für die Errichtung eines Innovationscampus eine Teilfläche des ehemaligen Raffineriegeländes. Im Grundstückskaufvertrag wurde Ebner zufolge vereinbart, dass die IN-Campus GmbH die Altlastensanierung der erworbenen Fläche auf eigene Kosten übernimmt, wobei die Stadt Ingolstadt ihren eingesetzten Betrag in Höhe von 10 Millionen Euro nach dem Abschluss der Sanierung wieder zurückerhält.

Im Mai 2016 wurde schließlich der Sanierungsvertrag unterschrieben und mit aufwändigen Arbeiten von Norden nach Süden begonnen. Wesentliches Ziel ist es, die Schadstoffbelastungen von Boden, Bodenluft und Grundwasser aus dem ehemaligen Raffineriebetrieb zu beseitigen. Eine gewerblich-industrielle Nutzung in einem gesunden Aufenthalts- und Arbeitsumfeld soll damit für die auf dem Gelände tätigen Menschen sichergestellt werden. Spezialisierte Teams schaffen nun ein Spitzentechnologiezentrum für zukunftsweisende Innovationen.

Dann nutzt die IN-Campus GmbH 60 Hektar der Fläche, 15 Hektar werden als Ausgleichsfläche der Natur zurückgegeben. Das Gelände bietet zahlreiche Vorteile wie die große zusammenhängende Fläche, die Nähe zum Audi-Werk und eine gute Verkehrsanbindung. Bei der Erschließung des IN-Campus werden keine neuen Flächen versiegelt.

Noch aber ist der Untergrund keineswegs schadstofffrei. Bereits 2007 war im Zuge einer intensiven Altlastenerkundung im Auftrag von Bayernoil festgestellt worden, dass der Geländeboden und das Grundwasser unterhalb des Geländes mit sanierungsbedürftigen Schadstoffen belastet sind. In der jüngeren Vergangenheit rückten Ebner zufolge Grundwasserbelastungen mit PFC, sprich per- und polyfluorierten Chemikalien, ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Mit Blick auf deren Gefährlichkeit und Stoffeigenschaften sind Maßnahmen im Grundwasser erforderlich. Da sich die PFC nicht weiter abbauen, wurden für sie auf dem gesamten Entwicklungsgelände als Sanierungszielwert im Grundwasser 0,23 Mikrogramm pro Liter angesetzt – ein nach Ebners Angaben „unvorstellbar niedriger Grenzwert“.

Um das Gelände effizient zu sanieren, sind je nach Schadensgruppe spezielle Verfahren im Einsatz. Dazu zählt die Absaugung von Bodenluft, das sog. Air Sparging. Bei diesem Verfahren wird Luft in den Bodenkörper eingebracht und an dafür vorgesehenen Luftpegeln wieder abgesaugt. Auf einer Fläche von rund 100.000 Quadratmetern werden die leichtflüchtigen Schadstoffe aus dem Grundwasser und Boden entfernt. Zudem sorgt der sog. Bodenaushub, ein emissionsarmes Verfahren zum Bodenaustausch, für eine rückstandsfreie Schadstoffbeseitigung von rund 600.000 Tonnen belastetem Material.

Auch wird mittels einer Bodenwaschanlage belasteter Boden sukzessive zu sauberem Boden aufbereitet. Etwa 90 Prozent des gereinigten Bodenmaterials können wieder verfüllt werden. Die übrige Menge wird entsorgt. Darüber hinaus wurde am Rande des Geländes eine Abstromsicherung aufgebaut. Zehn Brunnen vermeiden dabei ein Abströmen von belastetem Grundwasser. Nach dem „Pump-and-Treat-Verfahren“ reinigt eine Wasseraufbereitungsanlage das Wasser nach dem neuesten Stand der Technik. Das gereinigte Wasser versickert dann auf dem Gelände.

Fazit: Im Zuge der Sanierung des Bodens und des Grundwassers sowie der Schaffung vielfältig nutzbarer Flächen wird die öffentliche Hand nicht über Gebühr belastet. Mit Blick auf das Ziel, den Flächenverbrauch zu reduzieren, ist es aus Ebners Sicht zudem sehr erfreulich, dass der Innovationscampus nicht „auf der grünen Wiese“, sondern mittels Flächenrecycling auf einer Industriebrache verwirklicht wird.

Kurzum: Ein Projekt mit Zukunft und ein Glücksfall für Ingolstadt.

DK

GemeindeZeitung

Kommunale Praxis

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung