„Kreislaufwirtschaft“ darf nach Auffassung von Dr. Andreas Jaron vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit nicht mehr isoliert betrachtet werden, sondern muss in einen größeren, globalen Kontext gestellt werden. Die Produktion von Verbrauchsgütern, Optimierung des Ressourceneinsatzes, der umweltverträgliche Rohstoffabbau und die Verwirklichung einer echten Kreislaufwirtschaft durch die Gewinnung hochwertiger Sekundärrohstoffe und deren Einsatz als echtes Substitut für frische Rohstoffe seien essenzielle Bestandteile.
Verwertungsquoten
Bis zur Verwirklichung ist es aus Jarons Sicht noch ein weiter Weg und die Neuberechnung der Verwertungsquoten, bei der künftig nicht mehr nur die erfassten Wertstoffmengen erheblich sind, machten deutlich, dass erhebliche Potenziale noch nicht gehoben sind. Bei Glas, Papier, Metallschrott und Bioabfällen könnten Recyclingquoten von nahezu 100 Prozent erreicht werden. Sorgenkinder hinsichtlich der Quoten seien dagegen Leichtverpackungen (nur rund 20 Prozent), aber auch Sperrmüll (rund 15 Prozent). Aufgrund der inhomogenen Zusammensetzung dieser Wertstoffklassen seien aber bedeutsame Steigerungen bei ökologisch und ökonomisch vertretbarem Aufwand wohl kaum erreichbar.
Wie Abfallexperte Siegfried Kreibe vom bifa Umweltinstitut hervorhob, machten berechtigte wirtschaftliche Einzelinteressen in den einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette eines Produktes und die mangelnde Abstimmung zwischen den Handelnden es nahezu unmöglich, das globale Ziel „Reduzierung des Ressourceneinsatzes und bestmöglicher Umweltschutz“ mit vorzeigbaren Erfolgsquoten zu erreichen. Ob eine weitgehende CO2-Besteuerung hier die Lösung bringen kann, hänge davon ab, ob die Einführung einer solchen nicht nur auf einzelne Wirtschaftsregionen beschränkt bliebe, da sonst die internationale Wettbewerbsfähigkeit unter Umständen nicht mehr gegeben wäre.
Neuverordnung AbfKlärVNOV
Im Jahr 2017 wurde die Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung (AbfKlärVNOV) verabschiedet. Klärschlamm soll als Wertstoff behandelt und nicht als Abfall entsorgt werden. Phosphor und regenerative Energiegewinnung stehen im Mittelpunkt der Überlegungen. Nach den Worten von Burkard Hagspiel, Stadtentwässerung und Umweltanalytik Nürnberg, ist die Neuverordnung von epochaler Bedeutung.
Von der aufkommenden Diskussion des Phosphorproblems bis zu den gesetzlichen Konsequenzen vergingen deshalb fast zwei Jahrzehnte. Nach einem weiteren Jahrzehnt soll nun bis 2032 die Entsorgung des Klärschlamms in der Landwirtschaft bis auf Bagatellmengen beendet und hochwertiger Phosphor zurückgewonnen werden. In Deutschland ungewohnt, erwartet der Gesetzgeber, dass sich die Strategie und Technologie zum Vollzug der Verordnung im Wettbewerb erst noch entwickeln. Hagspiel zufolge wurden die Leitplanken dieser Entwicklung dafür scheinbar weit gefasst. Dennoch gestalteten sich die Bedingungen und die fachliche Umsetzung der Ziele am Beispiel Nürnberg komplizierter als erwartet.
Wie Hagspiel ausführte, sei es wichtig, dass zur Förderung von Großprojekten künftig gleiche Wettbewerbsbedingungen mit summarisch gleichen Mindestrecyclingquoten für die Entwickler und Betreiber von Anlagen bestehen. Die AbfKlärVNOV bedürfe zwischen 2021 und 2022 eines Relaunchs zur Berücksichtigung der Ergebnisse aus den aktuellen technischen und organisatorischen Entwicklungen. Zudem sollten die energetische Integration und die Mehrproduktion an regenerativem Strom unter angemessenen, rechtlichen Bedingungen (z. B. EEG) höher bewertet werden. Nicht zuletzt sei die bundesweite Harmonisierung der Gebührenpflicht der Abfallverwertung aus Abwasser zielführend.
Umfrageergebnisse
Dr. Dieter Tronecker vom bifa Umweltinstitut, Augsburg, informierte darüber, dass Ende 2018 im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt eine Umfrage bei den Marktakteuren (Kläranlagen, Beauftragte Dritte und Entsorgungsunternehmen) durchgeführt wurde. Neben dem Punkt Entsorgungskosten sei dabei auch die derzeitige Entsorgungssituation zur Sprache gekommen. Dabei sieht fast die Hälfte der Befragten den Markt als kritisch an, da aus ihrer Sicht gravierende Entsorgungsengpässe bestehen. Der Trend gehe verstärkt zur thermischen Klärschlammbehandlung, die Entsorgungspreise stiegen.
Handlungsbedarf besteht aus Sicht der Befragten bei der Schaffung neuer thermischer Behandlungsanlagen in Bayern, um den bundesweiten Klärschlammtourismus und die Transportaufwendungen zu verhindern. Darüber hinaus müssten Zwischenlager bereitgestellt werden, um Entsorgungsengpässe zu überbrücken.
Erforderlich sei der Bau von Monoverbrennungsanlagen mit Phosphor-Rückgewinnung in interkommunaler Kooperation. Auf größeren Kläranlagen sollten zudem Trocknungsanlagen installiert werden (Vorbehandlung vor Verbrennung). Anzustreben seien Entsorgungssicherheit und akzeptable Abwassergebühren sowie die Optimierung der chemisch-technischen P-Rückgewinnung bis zur Praxisreife. Auch sollte die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung praktikabler gestaltet werden und als weiterer Entsorgungsweg Bestand haben.
Infolge der guten konjunkturellen Entwicklung und einer damit einhergehenden regen Bautätigkeit fallen große Mengen Bau- und Abbruchabfälle an. Aktuelle Zahlen zeigen, dass in Bayern im Jahr 2016 insgesamt rund 50 Mio. Tonnen Bauabfälle angefallen sind, davon allein rund 32 Mio. Tonnen Bodenaushub und Steine. Der überwiegende Teil dieser Abfälle wird am freien Markt verwertet. Die Nachfrage nach Entsorgungskapazitäten sowohl im Verwertungs- als auch im Beseitigungsbereich ist hoch.
„Sowohl bundesweit als auch in Bayern ist die Entsorgungssituation für Bau- und Abbruchabfälle angespannt“, betonte Dirk Hensel-Schikora vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. Daher seien vom Abfallerzeuger bis zum Entsorger alle Beteiligten am Entsorgungsmarkt gefordert, Entsorgungsmöglichkeiten für diese Abfälle zu schaffen. Deponien stellten hierbei ein unverzichtbares Kernelement einer leistungsfähigen Abfallwirtschaft dar.
Deponiebedarfsprognose
Eine wichtige Planungsgrundlage für die Entwicklung der bayerischen Deponieinfrastruktur stelle die vom LfU beauftragte Fortschreibung der Deponiebedarfsprognose dar. Sie sei Teil eines Sechs-Punkte-Maßnahmenplans der Bayerischen Staatsregierung. Dieser habe zum Ziel, eine Entspannung des freien Entsorgungsmarktes für Bodenaushub und Bauschutt zu erreichen. „Es wird jedoch auch ganz entscheidend darauf ankommen, dass am freien Entsorgungsmarkt selbst tragfähige Entsorgungslösungen entwickelt werden“, so Hensel-Schikora.
Von vielen mit Spannung erwartet wurde die Fortschreibung der Deponiebedarfsprognose aus dem Jahr 2015. Dr. Gabriele Becker vom Institut für Abfall, Abwasser und Infrastruktur- Management (INFA) und Andreas Schweizer (LfU) stellten die wesentlichen Ergebnisse vor. Grundsätzlich besteht mittelfristig Bedarf entweder am Ausbau be-reits genehmigter Deponiekapazitäten oder in der Schaffung neuen Deponieraums.
Wesentlicher Einflussfaktor ist dabei die sog. Mantelverordnung, die die Verwertung und Verfügbarkeit von Ersatzbaustoffen bzw. Bauabfällen regeln soll. Soweit nach Inkrafttreten der Verordnung keine länderübergreifende Entsorgung und keine Verfüllung in aufgelassenen Gruben mehr möglich seien, würden die aktuellen Kapazitäten für DK 0-Deponien nur noch für rund drei Jahre ausreichen. Dringender Handlungsbedarf ist in diesem Fall dann gegeben.
Steiniger Weg
„Der Weg zu neuem Deponieraum ist zwar steiniger geworden, unpassierbar ist er aber nicht“, unterstrich Rechsanwalt Josef Geislinger, Seufert Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, München. Tatsache sei: „Der jedenfalls in Bayern insbesondere für mineralische Abfälle bestehende Bedarf an Deponiekapazitäten zwingt uns auf den Weg zu neuem Deponieraum. Jedes ‚Negativprojekt‘ trifft auf mehr oder minder ausgeprägte Widerstände.“
Das Zulassungsverfahren für Deponien sei komplex, aber rechtlich determiniert, stellte der Anwalt fest. Daher seien die Verfahren nicht schon deswegen undurchführbar, weil Gegenwind erzeugt wird. Ein kompetentes Planungsteam auf der Seite des Vorhabenträgers mit naturwissenschaftlichem und technischem Sachverstand, „erprobt“ in Planfeststellungsverfahren, schaffe zusammen mit rechtlicher Expertise die besten Voraussetzungen, auch steinige Wege zu bewältigen. „Also nur Mut, denn ‚am Mute hängt der Erfolg‘“, so Geislinger abschließend.
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