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(GZ-9-2019)
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► Intersexualität, Kinderehen, Auslandsgeburten, Leihmutterschaft:

 

Personenstandswesen im Wandel

Fachtagung des Fachverbandes der bayerischen Standesbeamtinnen und Standesbeamten

 

Über 500 Standesbeamte und politische Prominenz feierten im Rahmen der 56. Fachtagung für Personenstandswesen und der Verbandsversammlung in München das 70-jährige Gründungsjubiläum des Fachverbandes der bayerischen Standesbeamtinnen und Standesbeamten e.V. Im Rahmen der Verbandsversammlung, die ganz im Zeichen von Neuwahlen stand, wurde Mathias Müller zum Nachfolger von Klaus Holub als 1. Vorsitzender des Fachverbandes bestimmt.

Die klare Haltung der Staatsregierung zum Umgang mit so genannten Kinderehen bekräftigte eingangs Bayerns Innenminister Joachim Herrmann: „Kinder sollen spielen, lernen und sich frei entwickeln können. Sie sollen selbständig und erwachsen werden. Erst dann sollen sie frei und selbstbestimmt entscheiden, ob und wen sie heiraten. Kurz gesagt: Kinder gehören in die Schule und auf den Spielplatz und nicht vor den Traualtar.“

Bei dem enormen Zustrom von Asylbewerbern habe man in den vergangenen Jahren feststellen müssen, dass vermehrt auch minderjährige Verheiratete darunter waren, betonte Herrmann. Nicht zuletzt auf Druck von Bayern habe der Bundesgesetzgeber 2017 das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen beschlossen. Es sieht unter anderem vor, dass Ehen, die im Ausland legal geschlossen wurden, in Deutschland unwirksam sind, wenn einer der Ehepartner unter 16 Jahre alt ist.

Zwar liege das Gesetz nun zur Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht und er wolle der Entscheidung nicht vorgreifen, erklärte der Minister, versicherte den Standesbeamten aber: „Die Staatsregierung wird weiterhin alles tun, dass Ehen mit Minderjährigen in Deutschland auch künftig keinen Platz haben. Denn die Werte unseres freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats und der Schutz des Kindeswohls stehen für uns nicht zur Disposition.“

Den Delegierten des Fachverbands dankte Herrmann für die geleistete Arbeit, insbesondere für die erfolgreiche Umsetzung der Reform des Personenstandsrechts. „Ich bin mir sicher, dass die Standesämter und Aufsichtsbehörden auch die Aufgaben der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen und die Umsetzung aktueller gesellschaftspolitscher Auswirkungen und Umbrüche im Familien-, Namen- und Abstammungsrecht meistern werden.“

Vielfältige Tätigkeitsbereiche

Elke König, Standesbeamtin beim Standesamt München, ging in ihrem Erfahrungsbericht auf Änderungen im Registerrecht zum 1.11.2018 ein. Torsten Hensel, Standesamtsaufsicht der Stadt München, referierte über Vorlagepflichten im Standesamt, während sich Prof. Dr. Jens M. Scherpe, MA (Cantab), MJur (Oxon.), University of Cambridge, mit dem Verhältnis von Intersexualität und Recht befasste.

In seinem Vortrag hinterfragte Scherpe die Neuregelungen im Personenstandsgesetz kritisch und ging dabei auf die historischen und internationalen Hintergründe und Entwicklungen ein. Der Vortrag mündete in der Frage, wieviel Geschlecht das Recht eigentlich (noch) braucht.

Mit der Frage „Der Standesbeamte als heimlicher Volljurist? – Prüfungspflichten im Standesamt“ beschäftigte sich Prof. Dr. Anatol Dutta, M. Jur. (Oxford), Ludwig-Maximilians-Universität München. Sein Vortrag zeigte die vielfältigen Tätigkeitsbereiche des Standesbeamten anhand konkreter Beispiele auf und verdeutlichte damit, dass dieser in rechtlicher Hinsicht Aufgaben erfüllt, die der Tätigkeit eines Volljuristen nahekommen.

Die großen Anforderungen an die Personenstandspraxis müssen aus Duttas Sicht auch von der Personalverwaltung bei der Einstufung von Standesbeamten berücksichtigt werden.

Über das Thema „Auslandsgeburten im Alltag der Standesbeamten“ referierte Claus Lukas, Standesamt Ingolstadt. Er gab insbesondere den kleinen und mittleren Standesämtern ein Werkzeug für die tägliche Praxis an die Hand, das Orientierung im Umgang mit der Beurkundung von Auslandsgeburten bietet.

Neben einem kurzen Überblick über die wichtigsten personenstandsrechtlichen Vorschriften zur Beurkundung einer Auslandsgeburt wurden diese in Form einer zusammengefassten und strukturierten „Checkliste“ präsentiert und an Hand eines praktischen Beispiels erläutert.

Internationalen Urkundenverkehr

Walter Königbauer vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, legte sein Augenmerk auf die Neuerungen im Internationalen Urkundenverkehr und erste Erfahrungen mit der EU-Apostillenverordnung.

Ziel dieser Verordnung ist die Erleichterung des Urkundenverkehrs innerhalb der EU. Hierzu sind Vereinfachungen vorgesehen bei der Echtheitsüberprüfung von Urkunden aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie bei der Vorlage beglaubigter Kopien und der Übersetzung öffentlicher Urkunden.

Rainer Fläxl, Richter am Oberlandesgericht München, informierte über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen und gab Informationen aus der Praxis für die Praxis. Abschließend befasste sich Dr. Konrad Duden, LL.M. (Cambridge), Wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, mit der Behandlung internationaler Leihmutterschaftsfälle.

DK

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