Wie gehen die Kommunen mit diesen Umbrüchen um? Antworten darauf gaben die 18. Münchner Tage für nachhaltiges Landmanagement, veranstaltet vom Förderkreis Bodenordnung und Landentwicklung München in Kooperation mit der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Nachhaltige Landentwicklung (ArgeLandentwicklung) und der Hanns-Seidel-Stiftung. Wissenschaft und Planung, Verwaltung und Politik wurden ins Gespräch gebracht und konkrete, praktikable Ansätze für Dörfer und Städte vor Ort diskutiert.
Idee der „Resilienz”
Letztlich geht es dabei auch um die Idee der „Resilienz“, um Anpassungsfähigkeit, Krisenfestigkeit oder Stabilität. Die Dynamik von Veränderungen führt in resilienten Kommunen nicht zu einem Bruch. Sie wird abgefedert und ein neues Gleichgewicht stellt sich ein, wie Dr. Martin Schneider, Lehrstuhl für christliche Sozialethik, LMU München, betonte.
Wie kann das Konzept der Resilienz auf Regionen übertragen werden? Laut Markus Gruber, convelop – cooperative knowledge gmbh Graz, gibt es auf diese Frage keine pauschale Antwort. Im Kern gehe es um einen Aushandlungsprozess und das Management von Spannungsfeldern. Vernetzung sei essentiell, um zu lernen, Innovationen zu generieren und Stabilität zu erreichen.
Beispiel Krumbach
Wie eine Gemeinde einen resilienten Weg einschlagen kann, zeige die Vorarlberger Gemeinde Krumbach. Bereits in den 1990er Jahren erarbeitete sie ein basis-demokratisches Leitbild für Neubau, Sanierung, Baulandwidmung und Ortsentwicklung. In Krumbach gibt es einen Gestaltungsbeirat zu Bau- und Raum-planungsfragen; es wird moderiert, ermutigt, beraten, unterstützt und aktiviert. Dieser Gemeindegeist verselbstständigt sich, lässt Bürger mutig und initiativ und vor allem eigenständig werden.
Zersiedlung stoppen
Der Zersiedlung wurde entschieden Einhalt geboten, indem Neubauten konsequent nur im Ortszentrum oder zur Nachverdichtung einzelner Siedlungsweiler gestattet werden. Das kommunale Klima färbt auf die gewerbliche und private Bautätigkeit ab und zeitigt Synergien. Überall in Krumbach sind Alltagsbauten zu finden, die das österreichische Niveau deutlich überbieten.
Dass es die 1.000-Seelen-Gemeinde im Bregenzerwald mit seiner Ortskernstärkung ernst meint, beweist das Projekt Bus:Stop, das 2014 realisiert wurde. Sieben atemberaubende Buswartehäuschen von Architekten aus aller Welt wurden dabei quer über den Ort verstreut. Das Warten auf den Landbus mutiert seitdem zu einem bis zu 30-minütigen Studium zeitgenössischer Architektur. Als einer der innovativsten Orte Österreichs wurde Krumbach mit dem Baukulturgemeinde-Preis 2016 ausgezeichnet.
Im Sommer startete das Difu das Forschungs-Praxis-Projekt „Vielfalt in den Zentren von Klein- und Mittelstädten – sozialräumliche Integration, städtische Identität und gesellschaftliche Teilhabe“. Gemeinsam mit neun ausgewählten Klein- und Mittelstädten werden, so Dr. Bettina Reimann vom Deutschen Institut für Urbanistik Berlin, vor Ort Aktivitäten initiiert und durch das Difu begleitet. Hierbei gehe es vor allem um die Förderung des Zusammenlebens von Einheimischen und (Neu-)Zugewanderten, die Schaffung von Verantwortungsgemeinschaften zur Aufwertung der Innenstädte und die Verbesserung des Wohnens sowie der Nutzung öffentlicher Räume.
Wie Reimann erläuterte, zeigten erste Befunde, dass die Beteiligungsmöglichkeiten bzw. die Zugänge zur Beteiligung von Zuwanderern an Stadtentwicklungsprozessen unzureichend sind. Die Rolle der Stadtzentren für die Themen Nachbarschaft, Zusammenleben und Teilhabe sei bislang offen. Und: Nicht nur in ostdeutschen Projektkommunen sei die gegenwärtige Stimmung von Angst, insbesondere von Existenzangst, geprägt.
Das Thema Flüchtlinge verstärkt Reimann zufolge Konflikte in der Stadtgesellschaft. Begegnungen trügen jedoch zur Förderung von Nachbarschaften bei. Intermediäre Organisationen seien als Mittler und Brückenbauer entscheidende Akteure im Integrationsgeschehen. Allerdings würden sie von den Kommunen bislang noch zu wenig als strategischer Partner wahrgenommen.
Nach Reimanns Darstellung sind Schlüsselpersonen wie Bürgermeister, lokale Unternehmer und Vereinsangehörige für die Gestaltung von Nachbarschaften und die Integration vor Ort besonders wichtig. Zuwanderer seien bislang zu wenig in der Kommunalpolitik vertreten. Die Teilhabe könne über (Sport-)Vereine befördert werden. Zudem gebe es zu wenig Anlässe und Räumlichkeiten für interkulturelle Begegnungen, monierte die Difu-Repräsentantin.
Variables Innenleben
Ein innovatives Gebäude mit Vorzeigecharakter ist die neue Flüchtlingsunterkunft im oberbayerischen Langenbach (Landkreis Freising). Erste Bürgermeisterin Susanne Hoyer sowie Bauunternehmer und Investor Andreas Adldinger präsentierten das Gebäude in Holzbauweise mit seinem Prinzip einer flexiblen Nutzung. Bis zu 80 Flüchtlinge können hier zunächst wohnen. Investor Adldinger hat das Gebäude für zehn Jahre an die Regierung von Oberbayern vermietet.
Ein Teil der Innenwände aus Gipskarton kann bei Bedarf entfernt werden. Die 15 Quadratmeter großen Zimmer für je zwei Bewohner können so später mit wenig Aufwand in größere Räume mit 30 bis 75 Quadratmeter verwandelt werden - beispielsweise für Studentenappartements, Kindertagesstätten oder Büros. Ausgelegt ist das 47 Meter lange Gebäude mit dem variablen Innenleben auf eine Lebenszeit von etwa 50 Jahren. Durch die Holzbaumodule lässt sich der Rohbau in nur vier Tagen montieren. Der Landesinnungsverband des Bayerischen Zimmererhandwerks empfahl die Langenbacher Unterkunft deshalb als Modellprojekt.
Eine starke historische Verankerung in der Thüringer Natur- und Kulturlandschaft hat das Schwarzatal. Wie Burkhard Kolbmüller, LEADER Aktionsgruppe Saalfeld-Rudolstadt, Thüringen, darlegte, ist die Region von Tourismus, Landwirtschaft und mittelständischen Unternehmen geprägt. Prognostiziert wird für die nächsten Jahrzehnte ein drastischer Bevölkerungsrückgang.
Um die Region zu stärken, müsse man „heute schon das Morgen“ denken. Hier sollen Kolbmüller zufolge enkeltaugliche Projekte der regionalen Wertschöpfung, Regionalvermarktung und genossenschaftlichen Nahversorgung sowie der erneuerbaren Energieversorgung entstehen. Das Schloss Schwarzburg soll zum Kunst- und Denkort der Demokratie entwickelt werden. Bei der Umsetzung der Einzelprojekte selbst im kleinsten Maßstab wird Neuartigkeit und höchste Gestaltungsqualität angestrebt. Die Sommerfrische-Architektur beispielsweise, die sich mit neuen touristischen Angeboten verbinden könnte, ist Teil des Bundesprojektes „Baukultur konkret“.
Getragen von zivilgesellschaftlichen Kräften und unterstützt durch wissenschaftliche Expertise werden außergewöhnliche Veranstaltungsformate durchgeführt. So finden im regelmäßigen Turnus die „Zukunftswerkstatt Schwarzatal“ und die „Schwarzburger Gespräche“ statt. Geplant sind weiterhin Regionaldialoge, um die Menschen vor Ort anzusprechen und Ideen von morgen aufzuspüren.
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