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(GZ-3-2020)
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► 450 MHz-Frequenz:

 

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Zum 31.12.2020 endet in Deutschland die Zuteilung der Frequenzen im 450-MHz-Bereich. Danach werden die Karten neu gemischt. Sowohl die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) und die Bundeswehr, als auch die Energie- und Versorgungsbranche erstreben das kostbare Gut. Erst kürzlich hat die Bundesregierung ihre Entscheidung über die Vergabe des Frequenzbereichs vertagt. Auf den Ausgang darf man gespannt sein.

Die Nutzungsrechte für das 450-MHz-Spektrum liegen aktuell noch bei der Deutschen Telekom und der 450connect GmbH, einer Tochtergesellschaft des niederländischen Energie- und Telekommunikationsbetreibers Alliander. Während die Deutsche Telekom keinen Bedarf mehr angemeldet hat, will die 450connect GmbH, die seit Jahren in Kooperation mit großen Energieversorgern sukzessive ein überregionales Funknetz zur Steuerung der Stromnetze sowie zu deren schnellen Wiederherstellung nach Stromausfällen aufbaut, das Netz nach erneuter Zuteilung der Frequenznutzungsrechte ab 2021 zügig zu einer nationalen Funknetzplattform für Energieversorger und andere kritische Infrastrukturen ausbauen.

Mit einem eigenen Modell für die gesamte Branche bewirbt sich die Initiative Versorger-Allianz 450, bestehend aus rund 170 Branchenunternehmen der Energie- und Wasserwirtschaft, darunter überwiegend kommunale Stadtwerke. Sie fordert die ausschließliche Zuteilung der 450 MHz-Frequenz.

Bundesanstalt als Mitbewerber

In Konkurrenz zur Bewerbung der Versorger-Allianz 450 und der 450connect GmbH steht die Bedarfsanmeldung der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS). Sie beansprucht das 450-MHz-Frequenzspektrum für den Aufbau eines breitbandigen (Daten-)Funknetzes für die BOS und die Bundeswehr in Ergänzung zum bestehenden Digitalfunknetz, das fast ausschließlich der Sprachkommunikation dient.

Aus Sicht der Versorger-Allianz stellt das 450-MHz-Funknetz sowohl die mobile Sprachkommunikation bei Störungen und im Krisenfall als auch die Anbindung und Netzintegration von dezentralen Erzeugungsanlagen, Speichern und Lasten sicher, verbessert zudem die Verfügbarkeit netzdienlicher TK-Dienste im ländlichen Raum und in Gebäuden und bietet als Netz für die kritische Infrastruktur der Energieversorgung Synergien und Skaleneffekte zur optimalen Nutzung des Frequenzbereichs.

Darüber hinaus sind verhältnismäßig wenige Antennenstandorte (ca. 1.600) in der Fläche erforderlich. Dadurch ist das 450-MHz-Funknetz im Vergleich zu anderen Funknetzen nicht nur technisch besser geeignet, sondern lässt sich auch deutlich einfacher und kostengünstiger errichten und betreiben.

Während Betreibern kritischer Infrastrukturen der Energie- und Wasserwirtschaft bislang keine Frequenzen zugeteilt wurden, verfügten die BOS neben dem TETRA Funk bereits über ein weiteres Spektrum im 700 MHz-Frequenzbereich für die mobile Breitbandkommunikation für Sicherheits- und Rettungskräfte in Deutschland. Die BOS sei mit ihren Frequenzbereichen also gut bedient, urteilt die Versorger-Allianz.

Widerspruch aus dem Innenministerium

Entschiedener Widerspruch kommt aus dem Bayerischen Innenministerium: Nach dessen Feststellung „können die für BOS und Bundeswehr zugewiesenen Frequenzen im Bereich 700 MHz (noch) nicht verwendet werden, weil es sich um nicht standardisierte Randfrequenzen handelt, deren Nutzung überaus große Aufwände voraussetzt und die in Teilbereichen wahrscheinlich gar nicht für den vorgesehenen Zweck genutzt werden können; so sind Teile der Frequenzen nicht für LTE standardisiert und es liegt kein zusammenhängendes Band vor.“

Dies führe wiederum dazu,dass auf absehbare Zeit keine Technik für die erforderlichen Anwendungen zur Verfügung stehen wird. Darauf sei seitens des Bundesinnenministeriums und den Innenressorts der Länder vor der Versteigerung des standardisierten Bereiches mehrmals und erfolglos hingewiesen worden. Unabhängig davon reichten die gewidmeten Frequenzen bei Weitem nicht aus, um die Bedarfe von BOS und Bundeswehr zu decken.

Alternativen für Versorger

Weiter vertritt das Innenministerium die Auffassung, dass die Versorger sowohl ein schwarzfallfestes Kommunikationsnetz für den Außendienst als auch ein Steuerungsnetz für die stationären Energieanlagen benötigen. Ersteres könnte nach entsprechenden Prüfungen durch die Mitnutzung des Digitalfunknetzes sehr zeitnah ermöglicht werden. Das TETRA-Netz sei in Kürze in ganz Deutschland für Fahrzeugfunkversorgung und in Bayern flächendeckend komplett gegen Stromausfall für mehrere Tage abgesichert.

Den zweiten Anwendungsfall der Steuerungsnetze könnte man auch in einem anderen Frequenzband oder leitungsgebunden abdecken – wie in anderen Staaten bereits praktiziert –, die für ihre Schwarzfallfestigkeit einen Technologiemix präferieren.

Verweis auf IoT und 5G-Netz

Nach Angaben der Energieversorger wird für die Steuerung hauptsächlich die Nutzung der Maschinenkommunikation präferiert; hierfür sei das kommende 5G-Netz bestens geeignet. Laut Bayerischem Innenministerium gibt es aber bereits heute bestehende „Internet of Things“ (IoT)-Netze wie das Vodafone Narrow Band auf Basis der LTE- und LTE-M-Technologie, das bereits jetzt flächendeckend zur Verfügung steht und sofort genutzt werden könnte. „Damit könnten die Aufgaben für die Energiewende, die Digitalisierung und den Klimaschutz ebenso umgesetzt werden.“

Finanziert würde das Netz beim Modell der Versorger-Allianz durch das Kapital der Energieversorger und refinanziert durch den Verkauf von Kommunikationsleistungen an Betreiber Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) zu jeweils gleichen, maßvollen und diskriminierungsfreien Konditionen. Da die Versorger-Allianz mit ihren ca. 170 Unternehmen nur einen Bruchteil der insgesamt weit über 1.000 Unternehmen der Energiebranche umfasst, ist es aus Sicht des Innenministeriums „nicht plausibel und vermutlich auch nicht finanzierbar, dass diese Allianz in Vorleistung geht und in ganz Deutschland ein flächendeckendes Energieversorger-Netz aufbaut“. Wahrscheinlicher sei ein „Flickenteppich aus regionalen Einzellösungen“.

Unrealistische Finanzierung

„Eine hier angedeutete Finanzierung durch die 1.000 Unternehmen der Branche ist nicht realistisch“, hält das Bündnis dagegen. Die kleineren Energieversorger wären damit inhaltlich überwiegend überfordert, benötigten aber die technische Lösung 450 MHz. Diese Herausforderung könnten durchaus weniger Energieversorger bewältigen. Dazu liefen intensive Vorbereitungen. Jetzt schon eine finale Finanzierungszusage zu erwarten, da die Nutzungsbedingungen noch nicht geklärt sind, sei utopisch.

Wichtig erscheint der Versorger-Allianz vielmehr, dass alle Energieversorger die Möglichkeit haben, sich zu beteiligen und die Nicht-Beteiligten nicht übervorteilt werden. Daraus resultiere ihr Beteiligungsmodell und der Vorschlag zur freiwilligen Gewinnbegrenzung für die Gesellschafter des Frequenzinhabers. Im Übrigen gingen alle Planungen von bundesweiten Netzen aus.

DK

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