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(GZ-10-2020)
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► Münchner PresseClub-Gespräch mit Innenminister Joachim Herrmann:

 

Stabile Demokratie auch in Corona-Zeiten

 

Dank moderner Technik konnte der Münchner PresseClub seinen ersten Gast in Corona-Zeiten willkommen heißen: Innenminister Joachim Herrmann diskutierte mit ausgewählten Journalisten per Livestream über eine Fülle von Themen,die sich von Einschränkungen der Grundrechte und Grenzkontrollen über die kommunale Handlungsfähigkeit bis hin zu Neuerungen in der Straßenverkehrsordnung erstreckten. Das Gespräch moderierten PresseClub-Vorsitzender Dr. Uwe Brückner und Ehrenvorsitzender Peter Schmalz.

Räumliche Distanzierung während der Pressekonferenz, v.l.: Ehrenvorsitzender Peter Schmalz, Innenminister Joachim Herrmann und der Vorsitzende des Münchner Presseclubs, Dr. Uwe Brückner.
Räumliche Distanzierung während der Pressekonferenz, v.l.: Ehrenvorsitzender Peter Schmalz, Innenminister Joachim Herrmann und der Vorsitzende des Münchner Presseclubs, Dr. Uwe Brückner.

Mit Blick auf die Forderung aus Österreich zu Grenzöffnungen verwies Herrmann darauf, dass dies absolute Bundessache sei. Für zahlreiche Ausländer gelte ein Einreiseverbot. Zudem unterlägen deutsche Staatsangehörige unabhängig von einem konkreten Corona-Verdacht nach wie vor einer 14-tägigen Quarantäne, wenn sie aus dem Ausland zurückkommen.

Grenzkontrollen verlängert

„Ich will Österreich daran erinnern, dass es nicht ganz unbeteiligt daran war, dass Deutschland und speziell Bayern so stark betroffen ist. Niemand will Kontrollen für ewig“, unterstrich Herrmann. Wegen praktischer Erleichterungen stehe der Freistaat im ständigen Austausch mit dem Bund und den österreichischen Nachbarn. So sehr die Bayerische Staatsregierung aber auch ein Interesse an kurzfristigen Erleichterungen im nahen grenzüberschreitenden Verkehr und im Berufsverkehr habe, so sehr halte sie aber auch eine Fortsetzung der Grenzkontrollen, die bis zum 11. November verlängert wurden, zum jetzigen Zeitpunkt für unabdingbar.

Joachim Herrmann
Joachim Herrmann.

„Ich sehe nicht, dass wir in naher Zukunft auf Grenzkontrollen ganz verzichten können“, machte Herrmann deutlich. Im Übrigen habe auch Österreich die Gültigkeit der eigenen Grenzkontrollen weiter verlängert. „Dies zeigt, dass Deutschland hier beileibe keinen alleinigen Weg geht“, so der Innenminister.

Kommunen stark betroffen

Auch Städte, Gemeinden und Landkreise haben mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen. Ein Großteil der Maßnahmen, die aktuell erforderlich sind, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, finden auf kommunaler Ebene statt. Minister Herrmann zufolge „haben wir uns auf erhebliche Steuerrückgänge einzustellen, die vielfach jetzt schon zu beobachten sind. Dies hängt von den Branchen ab, die in der einen oder anderen Kommune dominieren. Diese Steuerrückgänge werden Bund, Länder und Kommunen treffen.“

Rekordfinanzausgleich

Für Bayerns Kommunen sei heuer ein Rekordfinanzausgleich vereinbart worden, so Herrmann. „Obwohl auch bei uns die Steuereinnahmen erheblich sinken werden, nehmen wir die Krise nicht zum Anlass, Leistungen für die Kommunen zu kürzen.“

Finanzminister Albert Füracker habe bereits angekündigt, die Auszahlung von FAG-Mitteln teilweise zeitlich vorzuziehen. „Bereits in den nächsten Wochen werden Zahlungen geleistet, die ansonsten erst im Herbst oder Ende des Jahres erfolgen würden. Damit soll die Liquidität der Kommunen verbessert werden“, hob der Minister hervor.

Grundrechtseingriffe auf ein Minimum beschränken

Er stellte in diesem Zusammenhang aber auch klar, dass etwaige Steuerausfälle der Kommunen nicht nach Belieben von Land und Bund übernommen werden können. Diese Last müssten alle gemeinsam tragen. „Wie dies gestaltet wird, werden der Finanzminister und ich demnächst mit den Spitzen der bayerischen Kommunen erörtern“, betonte Herrmann und ergänzte:

„Wir haben den Kommunen mehr Spielraum gegeben, um weitere Kassenkredite aufzunehmen. In vielen Fällen wird dieses Prozedere unvermeidlich sein, wenn die Ausgaben steigen und die Einnahmen gleichzeitig geringer ausfallen.“

Was den zeitweilig ungewöhnlichen Ausnahmezustand in Form massiver Grundrechtseingriffe anbelangt, stellte Herrmann fest:

„Wir haben zu keinem Zeitpunkt unsere Demokratie außer Kraft gesetzt. Bürger konnten gegen Verordnungen klagen. Einige haben Recht bekommen, andere nicht.“ Klar sei, dass Grundrechtseingriffe generell immer auf ein Minimum beschränkt bleiben und beseitigt werden müssten, sobald sie nicht mehr dringend notwendig sind.

Voll funktionsfähiger Rechtsstaat

Da die Versammlungsfreiheit und die Religionsfreiheit zeitweise stark eingeschränkt waren, war es Herrmann wichtig, besonders diese Bereiche wieder zu lockern. „Mit diesem voll funktionsfähigen Rechtsstaat haben wir es geschafft, die Krise zu bewältigen – auch wenn wir noch nicht über den Berg sind. Wir haben es aber besser gemeistert als so mancher autoritär geführte Staat“, erklärte der Minister hervor und unterstrich:

„Wir brauchen keine Diktatur auf Zeit, wie dies im alten Rom vorgesehen war. Wir brauchen keine autoritäreren, geschweige denn diktatorische Systeme, um mit einer solchen Krise fertig zu werden. Unser freiheitlichdemokratischer Rechtsstaat hat die Probleme bewältigt – mit einer für den Grundkurs dieses Landes überwältigenden Zustimmung der Bevölkerung.“

Bundestag, Landtag und Kommunalparlamente arbeiten. „Darum war es mir auch so wichtig, dass die Kommunalwahlen in Bayern mit einer im Übrigen höheren Wahlbeteiligung stattgefunden haben“, erläuterte Herrmann. „Ansonsten wäre möglicherweise der Eindruck entstanden, man wolle die Demokratie pausieren lassen.“

Was den Kernbestand der Grundrechte anbelangt, geht der Minister davon aus, dass diese im Herbst weitestgehend gewährleistet sind. Dann stünde das Aufzeigen von Perspektiven auf der Agenda. Hier müsse die Politik glaubwürdige Antworten liefern. 

Stichwort Maskenpflicht am Arbeitsplatz. Hier gibt es nach Herrmanns Auskunft „mit Ausnahme der Situation im Einzelhandel“ keine Vorgaben des Staates. Den Firmen sei die Entscheidung freigestellt. Gleiches gelte für den öffentlichen Dienst. Sowohl in Rathäusern als auch in Landratsämtern gebe es Abteilungen, die oftmals den ganzen Tag über keinen Bürgerkontakt haben, so dass es den Mitarbeitern freigestellt sei, einen Mund- und Nasenschutz zu tragen. Von einigen KFZ-Zulassungsstellen wisse er allerdings, dass dort zum gegenseitigen Schutz große Plexiglasplatten installiert wurden.

Mehr Schutz für Radfahrer

Mehr Sichtbarkeit und Schutz für Radfahrer ist das Kernstück der Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung, die Ende April in Kraft trat. So muss etwa künftig beim Überholen von Fußgängern und Radfahrern zwingend ein Abstand von eineinhalb Metern, außerorts sogar von zwei Metern eingehalten werden. Aus Herrmanns Sicht ist dies durchaus notwendig. Schließlich stieg die Zahl der Rad-Unfälle und der verunglückten Radfahrer in den vergangenen zehn Jahren jeweils um gut 40 Prozent.

Daneben sieht die neue StVO auch verschärfte Rechtsfolgen für Autofahrer vor. Neben höheren Bußgeldern müssen Temposünder auch deutlich früher mit einem Fahrverbot rechnen. Ein Monat Fahrverbot wird innerorts bereits bei einer Überschreitung von 21 km/h verhängt. Außerorts greift das Fahrverbot von einem Monat ab einer Überschreitung von 26 km/h. Hier riet der Minister zu besonderer Vorsicht und erhöhter Aufmerksamkeit.

DK

 

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