Deren Feststellungen und Würdigungen beziehen sich laut ORH-Präsident Christoph Hillenbrand noch auf die Lage vor der Pandemie. Seine Behörde habe bewusst von einer Aktualisierung der Prüfungen abgesehen, um den zuständigen obersten Staatsbehörden eine erneute Anhörung und den damit verbundenen zusätzlichen Aufwand zu ersparen.
Finanzpolitisch außergewöhnliche Lage
In dieser finanzpolitisch außergewöhnlichen Lage empfiehlt der ORH mehr denn je, die zur Krisenbewältigung erforderlichen Haushaltsmittel effizient einzusetzen und nicht nur über neue Kredite, sondern auch durch Umschichtungen und Einsparungen zu finanzieren. Auch sollten die bestehenden Einnahmemöglichkeiten ausgeschöpft werden. Dazu werden wieder konkrete Hinweise und Empfehlungen gegeben.
So hätte der Landtag zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten in Millionenhöhe für aktuelle Schwerpunkte, wenn das Finanzministerium Ausgabereste der Vorjahre nur noch strikt nach den geltenden Vorschriften in den folgenden Haushaltsplan übertragen würde. 2018 beliefen sich die Ausgabereste auf 7,3 Mrd. Euro, also 10,8% des Gesamtsolls.
Seit 2010 haben sie sich nahezu verdoppelt – für den ORH ein Hinweis, dass Haushaltsmittel zumindest früher nicht immer bedarfsgerecht veranschlagt wurden. Der Rechnungshof empfiehlt, Ausgabereste, wie in anderen Ländern, künftig zu kategorisieren, ob sie gesetzlich, rechtlich oder sonstig gebunden sind. Dies stärke das Budgetrecht des Landtags, da er über die Verwendung nicht übertragener Mittel im Regelfall neu entscheiden kann.
Gravierende Folgeschäden und finanzielle Nachteile
Wie der ORH zudem bemängelt, nehme die staatliche Bauverwaltung Bauleistungen oft nicht sorgfältig genug oder sogar ohne jede nähere Prüfung ab. Auch würden Verjährungsfristen nicht hinreichend überwacht; vor Ablauf der Verjährung werde zu oft nicht überprüft, ob noch Mängel vorliegen. Dem Freistaat drohten dadurch gravierende Folgeschäden und finanzielle Nachteile.
Der ORH stellte dies fest, als er die Abnahme von knapp 2.000 Aufträgen im Hoch- und Straßenbau mit einer Schlussrechnungssumme von rund 438 Mio. Euro prüfte. Er unterbreitet deshalb eine Reihe von Vorschlägen, um das Abnahme- und Gewährleistungsmanagement zu verbessern und empfiehlt dem Bauministerium, sich der Sache anzunehmen.
Ein weiterer Kritikpunkt: Die jährlichen Software- und Lizenzkosten der Staatsverwaltung sind mittlerweile auf 175 Mio. Euro gestiegen. Die Staatsregierung habe keinen Überblick über den Einsatz und den Kostenanteil ihrer Softwarelizenzen. Dabei hätte der Ministerrat schon vor 14 Jahren beschlossen, ein zentrales Softwarevertrags- und Lizenzmanagement einzuführen. Der ORH empfiehlt dringend, dies nun endlich umzusetzen.
Videokonferenzanlagen besser nutzen
In der Staatsverwaltung gibt es bei 163 Dienststellen rund 250 Videokonferenzanlagen. Diese wurden laut Oberstem Rechnungshof trotz der bisherigen Behördenverlagerungen bis Ende 2018 durchschnittlich nur etwa viermal pro Monat genutzt.
Angesichts der Corona-Pandemie sei eine übergreifende Kommunikationsstrategie, die auch Videokonferenzen einbezieht, mehr denn je erforderlich. Durch den verstärkten Einsatz von Videokonferenzen ließen sich auch Reisekosten und -zeiten einsparen sowie Umwelt und Klima schonen.
Wie der ORH weiter berichtet, verursachen Defizite bei der Erstellung und Auswertung von Kontrollmitteilungen jährlich Steuerausfallrisiken in zweistelliger Millionenhöhe. Bereits angesichts von fast 20% nicht mehr auffindbarer Kontrollmitteilungen empfiehlt die Behörde, bestehende Mängel zeitnah zu beseitigen und zudem endlich ein IT-Verfahren einzuführen.
Illegale Beschäftigung im Baugewerbe eindämmen
Nicht hinnehmbar ist es für den ORH außerdem, dass sich die Steuerverwaltung bislang nicht ausreichend um den Steuerabzug bei Bauleistungen kümmerte, der illegale Beschäftigung im Baugewerbe eindämmen und Steueransprüche sichern soll. Die Finanzämter können auf Antrag in bestimmten Fällen von der Bauabzugsteuer freistellen. Vor allem dann, wenn sie diese sogenannten Freistellungsbescheinigungen zu Unrecht erteilen oder nicht rechtzeitig widerrufen, drohten erhebliche Steuerausfälle. Allein bei den vom ORH geprüften Finanzämtern betrugen die Steuerrückstände in Fällen mit Freistellungsbescheinigungen über 60 Mio. Euro.
Fehler bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge
Nicht durchgreifend verbessert habe sich darüber hinaus die Situation bei der Festsetzung von Versorgungsbezügen. Das Finanzministerium habe seine Zusage, deren Qualität nachhaltig zu verbessern, nicht eingehalten. Erneut stellte der ORH beträchtliche Fehler fest, die sich über die Jahre zu Millionenbeträgen addieren können.
Seit zehn Jahren nicht beachtet werde außerdem der Landtagsbeschluss zur leistungsbezogenen Förderung nichtstaatlicher Theater. Derzeit erhalten die Theater eine Grundfinanzierung, die aber immerhin über 42 Mio. Euro pro Jahr ausmacht. Jetzt sollten endlich Ziele definiert werden, damit sich bessere Leistung auch lohnt, empfiehlt der ORH.
Zufrieden zeigte sich Präsident Hillenbrand mit der Reaktion der Bayerischen Staatsregierung auf den ersten Teil des diesjährigen Berichts, der Bedenken am geplanten BayernFonds- und Finanzagentur-Gesetz (BayFoG) geltend gemacht hatte.
„Der Landtag stellt die zusätzlichen Mrd. im Haushalt jetzt klarer dar, die Übertragung von Kernaufgaben ist gesetzlich enger gefasst, und nötige Prüfungs- und Erhebungsrechte des Rechnungshofs sind gesichert. Das Parlament hat damit die Weichen in Richtung Vertrauen und Klarheit gestellt“, bilanzierte Hillenbrand.
20 Mrd. Euro neue Schulden und weitere 20 Mrd. Euro Schulden für den BayernFonds seien eingeplant, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen, fuhr der ORH-Präsident fort. Bayern nutze also die in der Verfassung verankerte Notfallklausel, die Ausnahmen von der Schuldenbremse erlaubt.
Dies präge den bayerischen Haushalt voraussichtlich für Jahrzehnte. Umso wichtiger sei nun Transparenz im Haushalt, aber auch, „dass die enormen Mittel wirtschaftlich und wirksam eingesetzt werden: zügig und zielgenau, ohne Mitnahmeeffekte, Doppelförderungen und mit ausreichender Vorsorge gegen Betrug“.
DK